Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.len hielt man auch dann es für nöthig, ihm zuvor die Augen zu verbinden. Die dabei Betheiligten waren, so viel er Gelegenheit fand, sie anzusehen, fremde, bärtige Gesichter. Sie wandten, in ihre dichten Mäntel und Pelze gehüllt, ihm den Rücken. Noch entfuhr keine Sylbe ihren Lippen. Durch Zeichen ward ihm angedeutet, wenn er einsteigen sollte. Die Thüre ward wieder fest verschlossen und geprüft. In den ersten Tagen mußten die Pferde nur dann ausruhen und gefüttert werden, wenn auch er schlief; der Wagen blieb wenigstens in beständiger Bewegung, und er bemerkte nicht, daß die Pferde gewechselt wurden. Später hörte er sie einkehren und ausspannen. Aus dem Wechsel des Lichtes und dem Holzgeruch entnahm er, daß man ihn in eine Scheune oder einen Stall gesperrt. Er konnte indeß wahrnehmen, daß dies stets nur in entlegenen Schenken geschah. Nur selten wurden dabei Worte gewechselt, welche er verstand, noch seltener hörte er den Branntweinjubel seiner in der entfernten Zechstube zechenden Wächter. Trotz ihres standhaft beobachteten Schweigens blieb dennoch zwischen ihnen eine Art Verständigung. Es war ihm nicht versagt, seine Wünsche zu äußern, und er erhielt darauf durch Zeichen, oder durch die Erfüllung Antwort. Auf diese Weise entspann sich zwischen ihnen eine Art symbolische Sprache, und er schloß daraus, was ihm angenehm war, daß die Wächter dieselben blieben. Ueberhaupt ließ man in der strengen Vorschrift len hielt man auch dann es für nöthig, ihm zuvor die Augen zu verbinden. Die dabei Betheiligten waren, so viel er Gelegenheit fand, sie anzusehen, fremde, bärtige Gesichter. Sie wandten, in ihre dichten Mäntel und Pelze gehüllt, ihm den Rücken. Noch entfuhr keine Sylbe ihren Lippen. Durch Zeichen ward ihm angedeutet, wenn er einsteigen sollte. Die Thüre ward wieder fest verschlossen und geprüft. In den ersten Tagen mußten die Pferde nur dann ausruhen und gefüttert werden, wenn auch er schlief; der Wagen blieb wenigstens in beständiger Bewegung, und er bemerkte nicht, daß die Pferde gewechselt wurden. Später hörte er sie einkehren und ausspannen. Aus dem Wechsel des Lichtes und dem Holzgeruch entnahm er, daß man ihn in eine Scheune oder einen Stall gesperrt. Er konnte indeß wahrnehmen, daß dies stets nur in entlegenen Schenken geschah. Nur selten wurden dabei Worte gewechselt, welche er verstand, noch seltener hörte er den Branntweinjubel seiner in der entfernten Zechstube zechenden Wächter. Trotz ihres standhaft beobachteten Schweigens blieb dennoch zwischen ihnen eine Art Verständigung. Es war ihm nicht versagt, seine Wünsche zu äußern, und er erhielt darauf durch Zeichen, oder durch die Erfüllung Antwort. Auf diese Weise entspann sich zwischen ihnen eine Art symbolische Sprache, und er schloß daraus, was ihm angenehm war, daß die Wächter dieselben blieben. Ueberhaupt ließ man in der strengen Vorschrift <TEI> <text> <body> <div n="7"> <p><pb facs="#f0091"/> len hielt man auch dann es für nöthig, ihm zuvor die Augen zu verbinden. Die dabei Betheiligten waren, so viel er Gelegenheit fand, sie anzusehen, fremde, bärtige Gesichter. Sie wandten, in ihre dichten Mäntel und Pelze gehüllt, ihm den Rücken. Noch entfuhr keine Sylbe ihren Lippen. Durch Zeichen ward ihm angedeutet, wenn er einsteigen sollte. Die Thüre ward wieder fest verschlossen und geprüft.</p><lb/> <p>In den ersten Tagen mußten die Pferde nur dann ausruhen und gefüttert werden, wenn auch er schlief; der Wagen blieb wenigstens in beständiger Bewegung, und er bemerkte nicht, daß die Pferde gewechselt wurden. Später hörte er sie einkehren und ausspannen. Aus dem Wechsel des Lichtes und dem Holzgeruch entnahm er, daß man ihn in eine Scheune oder einen Stall gesperrt. Er konnte indeß wahrnehmen, daß dies stets nur in entlegenen Schenken geschah. Nur selten wurden dabei Worte gewechselt, welche er verstand, noch seltener hörte er den Branntweinjubel seiner in der entfernten Zechstube zechenden Wächter. Trotz ihres standhaft beobachteten Schweigens blieb dennoch zwischen ihnen eine Art Verständigung. Es war ihm nicht versagt, seine Wünsche zu äußern, und er erhielt darauf durch Zeichen, oder durch die Erfüllung Antwort. Auf diese Weise entspann sich zwischen ihnen eine Art symbolische Sprache, und er schloß daraus, was ihm angenehm war, daß die Wächter dieselben blieben.</p><lb/> <p>Ueberhaupt ließ man in der strengen Vorschrift<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
len hielt man auch dann es für nöthig, ihm zuvor die Augen zu verbinden. Die dabei Betheiligten waren, so viel er Gelegenheit fand, sie anzusehen, fremde, bärtige Gesichter. Sie wandten, in ihre dichten Mäntel und Pelze gehüllt, ihm den Rücken. Noch entfuhr keine Sylbe ihren Lippen. Durch Zeichen ward ihm angedeutet, wenn er einsteigen sollte. Die Thüre ward wieder fest verschlossen und geprüft.
In den ersten Tagen mußten die Pferde nur dann ausruhen und gefüttert werden, wenn auch er schlief; der Wagen blieb wenigstens in beständiger Bewegung, und er bemerkte nicht, daß die Pferde gewechselt wurden. Später hörte er sie einkehren und ausspannen. Aus dem Wechsel des Lichtes und dem Holzgeruch entnahm er, daß man ihn in eine Scheune oder einen Stall gesperrt. Er konnte indeß wahrnehmen, daß dies stets nur in entlegenen Schenken geschah. Nur selten wurden dabei Worte gewechselt, welche er verstand, noch seltener hörte er den Branntweinjubel seiner in der entfernten Zechstube zechenden Wächter. Trotz ihres standhaft beobachteten Schweigens blieb dennoch zwischen ihnen eine Art Verständigung. Es war ihm nicht versagt, seine Wünsche zu äußern, und er erhielt darauf durch Zeichen, oder durch die Erfüllung Antwort. Auf diese Weise entspann sich zwischen ihnen eine Art symbolische Sprache, und er schloß daraus, was ihm angenehm war, daß die Wächter dieselben blieben.
Ueberhaupt ließ man in der strengen Vorschrift
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/91>, abgerufen am 16.07.2024. |