Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Briefe gefragt: wie er zur Ehre der Verwandtschaft mit ihm komme? Und Biron hat sich gehütet, zu antworten. Sacken ging deßhalb den Marschall selbst an, als ihn einige Tage darauf der Zufall mit ihm zusammen führte. Der alte Edelmann sah den Fragenden schlau an, indem er sich tief verneigte: Ich rechne es mir zur höchsten Ehre, daß Seine Durchlaucht die Gnade haben will, mit uns verwandt zu sein. Durchlaucht! rief Sacken verwundert. Mein werther Baron, Sie wissen vermuthlich noch nicht die heut angekommene Neuigkeit, daß Graf Biron zum Herzog von Kurland erwählt worden ist. Es geschah so einstimmig von der Ritterschaft in der Hauptkirche von Mitau, daß die Dragoner, welche um die Kirche hielten, nicht einmal nöthig hatten, ihre Stimmen mit abzugeben. -- Er ist nun ein souverainer Fürst, fuhr der Duc fort, und Ihr gnädiger Herr, mein lieber Baron von Sacken, weßhalb ich Ihnen angelegentlichst rathe, so wenig, als ich, daran zu zweifeln, daß er aus der Familie Biron ist. Sie müssen doch eingestehen, daß unser Name ein guter ist, wenn so illustre Personen einen Appetit darauf empfinden. Sacken wollte es unverschämt finden, der alte Marschall aber beruhigte ihn: Man muß sich niemals über Namen erzürnen. Namen sind Lufterscheinungen, sie gehören Niemand oder Dem an, welcher die Geschicklichkeit besitzt, sie so an seinen Leib zu passen, daß die Leute Briefe gefragt: wie er zur Ehre der Verwandtschaft mit ihm komme? Und Biron hat sich gehütet, zu antworten. Sacken ging deßhalb den Marschall selbst an, als ihn einige Tage darauf der Zufall mit ihm zusammen führte. Der alte Edelmann sah den Fragenden schlau an, indem er sich tief verneigte: Ich rechne es mir zur höchsten Ehre, daß Seine Durchlaucht die Gnade haben will, mit uns verwandt zu sein. Durchlaucht! rief Sacken verwundert. Mein werther Baron, Sie wissen vermuthlich noch nicht die heut angekommene Neuigkeit, daß Graf Biron zum Herzog von Kurland erwählt worden ist. Es geschah so einstimmig von der Ritterschaft in der Hauptkirche von Mitau, daß die Dragoner, welche um die Kirche hielten, nicht einmal nöthig hatten, ihre Stimmen mit abzugeben. — Er ist nun ein souverainer Fürst, fuhr der Duc fort, und Ihr gnädiger Herr, mein lieber Baron von Sacken, weßhalb ich Ihnen angelegentlichst rathe, so wenig, als ich, daran zu zweifeln, daß er aus der Familie Biron ist. Sie müssen doch eingestehen, daß unser Name ein guter ist, wenn so illustre Personen einen Appetit darauf empfinden. Sacken wollte es unverschämt finden, der alte Marschall aber beruhigte ihn: Man muß sich niemals über Namen erzürnen. Namen sind Lufterscheinungen, sie gehören Niemand oder Dem an, welcher die Geschicklichkeit besitzt, sie so an seinen Leib zu passen, daß die Leute <TEI> <text> <body> <div n="6"> <p><pb facs="#f0072"/> Briefe gefragt: wie er zur Ehre der Verwandtschaft mit ihm komme? Und Biron hat sich gehütet, zu antworten.</p><lb/> <p>Sacken ging deßhalb den Marschall selbst an, als ihn einige Tage darauf der Zufall mit ihm zusammen führte. Der alte Edelmann sah den Fragenden schlau an, indem er sich tief verneigte: Ich rechne es mir zur höchsten Ehre, daß Seine Durchlaucht die Gnade haben will, mit uns verwandt zu sein.</p><lb/> <p>Durchlaucht! rief Sacken verwundert.</p><lb/> <p>Mein werther Baron, Sie wissen vermuthlich noch nicht die heut angekommene Neuigkeit, daß Graf Biron zum Herzog von Kurland erwählt worden ist. Es geschah so einstimmig von der Ritterschaft in der Hauptkirche von Mitau, daß die Dragoner, welche um die Kirche hielten, nicht einmal nöthig hatten, ihre Stimmen mit abzugeben. — Er ist nun ein souverainer Fürst, fuhr der Duc fort, und Ihr gnädiger Herr, mein lieber Baron von Sacken, weßhalb ich Ihnen angelegentlichst rathe, so wenig, als ich, daran zu zweifeln, daß er aus der Familie Biron ist. Sie müssen doch eingestehen, daß unser Name ein guter ist, wenn so illustre Personen einen Appetit darauf empfinden.</p><lb/> <p>Sacken wollte es unverschämt finden, der alte Marschall aber beruhigte ihn: Man muß sich niemals über Namen erzürnen. Namen sind Lufterscheinungen, sie gehören Niemand oder Dem an, welcher die Geschicklichkeit besitzt, sie so an seinen Leib zu passen, daß die Leute<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
Briefe gefragt: wie er zur Ehre der Verwandtschaft mit ihm komme? Und Biron hat sich gehütet, zu antworten.
Sacken ging deßhalb den Marschall selbst an, als ihn einige Tage darauf der Zufall mit ihm zusammen führte. Der alte Edelmann sah den Fragenden schlau an, indem er sich tief verneigte: Ich rechne es mir zur höchsten Ehre, daß Seine Durchlaucht die Gnade haben will, mit uns verwandt zu sein.
Durchlaucht! rief Sacken verwundert.
Mein werther Baron, Sie wissen vermuthlich noch nicht die heut angekommene Neuigkeit, daß Graf Biron zum Herzog von Kurland erwählt worden ist. Es geschah so einstimmig von der Ritterschaft in der Hauptkirche von Mitau, daß die Dragoner, welche um die Kirche hielten, nicht einmal nöthig hatten, ihre Stimmen mit abzugeben. — Er ist nun ein souverainer Fürst, fuhr der Duc fort, und Ihr gnädiger Herr, mein lieber Baron von Sacken, weßhalb ich Ihnen angelegentlichst rathe, so wenig, als ich, daran zu zweifeln, daß er aus der Familie Biron ist. Sie müssen doch eingestehen, daß unser Name ein guter ist, wenn so illustre Personen einen Appetit darauf empfinden.
Sacken wollte es unverschämt finden, der alte Marschall aber beruhigte ihn: Man muß sich niemals über Namen erzürnen. Namen sind Lufterscheinungen, sie gehören Niemand oder Dem an, welcher die Geschicklichkeit besitzt, sie so an seinen Leib zu passen, daß die Leute
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/72>, abgerufen am 15.08.2024. |