Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gardine gelauscht, die Geschichte der ritterlichen Abenteurer, welche zu werben kamen um Anna's Hand und als Mitgift Kurlands Herzogshut in den Kauf nehmen wollten. Ihn freute, daß der kecke Marschall von Sachsen, schon so nahe dem Siege, nachdem er durch Muth Polens und Rußlands Einsprüche überwunden, durch die Neigung zu einer Zofe scheiterte, welche die gereizte Anna dem Unwiderstehlichen nicht verzeihen konnte. Eine lange Krankheit hatte ihn gehindert, das Aufgehen eines neuen Gestirns zu verfolgen. Der Kammerherr, Baron, bald Graf Biron stand schon in der Blüte der Gunst, als Sacken von seinem Einfluß zuerst erfuhr. Zugleich fast kam eine Nachricht, die ihn auf das Krankenlager zurück zu werfen drohte: Biron hatte Anna's Favoritin, die Hofdame Benigna von Trotha, genannt von Treyden, geheirathet. Um die Wunde zu vergiften, fügte die Nachricht das Gerücht hinzu, Benigna's Ehe mit dem mächtigen Günstlinge sei nur der Deckmantel, den die Convenienz über das innigere Verhältniß Biron's zur Herzogin geworfen. Seine tugendhafte Braut hatte ihr Lebensglück, ihren guten Namen hingegeben zum Aushängeschilde für die verstohlene Lust zweier Andern! Das war zu viel. Er wollte nichts mehr aus Kurland wissen. Den verhaßten Namen Biron, die Namen Anna, Benigna nicht mehr hören. Er suchte die von Fremden unbesuchtesten Gegenden, und gerade da stieß er auf Stammverwandte aus dem Norden, die ihn mit Neuigkeiten daher wider Willen überschütteten. Es Gardine gelauscht, die Geschichte der ritterlichen Abenteurer, welche zu werben kamen um Anna's Hand und als Mitgift Kurlands Herzogshut in den Kauf nehmen wollten. Ihn freute, daß der kecke Marschall von Sachsen, schon so nahe dem Siege, nachdem er durch Muth Polens und Rußlands Einsprüche überwunden, durch die Neigung zu einer Zofe scheiterte, welche die gereizte Anna dem Unwiderstehlichen nicht verzeihen konnte. Eine lange Krankheit hatte ihn gehindert, das Aufgehen eines neuen Gestirns zu verfolgen. Der Kammerherr, Baron, bald Graf Biron stand schon in der Blüte der Gunst, als Sacken von seinem Einfluß zuerst erfuhr. Zugleich fast kam eine Nachricht, die ihn auf das Krankenlager zurück zu werfen drohte: Biron hatte Anna's Favoritin, die Hofdame Benigna von Trotha, genannt von Treyden, geheirathet. Um die Wunde zu vergiften, fügte die Nachricht das Gerücht hinzu, Benigna's Ehe mit dem mächtigen Günstlinge sei nur der Deckmantel, den die Convenienz über das innigere Verhältniß Biron's zur Herzogin geworfen. Seine tugendhafte Braut hatte ihr Lebensglück, ihren guten Namen hingegeben zum Aushängeschilde für die verstohlene Lust zweier Andern! Das war zu viel. Er wollte nichts mehr aus Kurland wissen. Den verhaßten Namen Biron, die Namen Anna, Benigna nicht mehr hören. Er suchte die von Fremden unbesuchtesten Gegenden, und gerade da stieß er auf Stammverwandte aus dem Norden, die ihn mit Neuigkeiten daher wider Willen überschütteten. Es <TEI> <text> <body> <div n="6"> <p><pb facs="#f0070"/> Gardine gelauscht, die Geschichte der ritterlichen Abenteurer, welche zu werben kamen um Anna's Hand und als Mitgift Kurlands Herzogshut in den Kauf nehmen wollten. Ihn freute, daß der kecke Marschall von Sachsen, schon so nahe dem Siege, nachdem er durch Muth Polens und Rußlands Einsprüche überwunden, durch die Neigung zu einer Zofe scheiterte, welche die gereizte Anna dem Unwiderstehlichen nicht verzeihen konnte. Eine lange Krankheit hatte ihn gehindert, das Aufgehen eines neuen Gestirns zu verfolgen. Der Kammerherr, Baron, bald Graf Biron stand schon in der Blüte der Gunst, als Sacken von seinem Einfluß zuerst erfuhr. Zugleich fast kam eine Nachricht, die ihn auf das Krankenlager zurück zu werfen drohte: Biron hatte Anna's Favoritin, die Hofdame Benigna von Trotha, genannt von Treyden, geheirathet. Um die Wunde zu vergiften, fügte die Nachricht das Gerücht hinzu, Benigna's Ehe mit dem mächtigen Günstlinge sei nur der Deckmantel, den die Convenienz über das innigere Verhältniß Biron's zur Herzogin geworfen. Seine tugendhafte Braut hatte ihr Lebensglück, ihren guten Namen hingegeben zum Aushängeschilde für die verstohlene Lust zweier Andern!</p><lb/> <p>Das war zu viel. Er wollte nichts mehr aus Kurland wissen. Den verhaßten Namen Biron, die Namen Anna, Benigna nicht mehr hören. Er suchte die von Fremden unbesuchtesten Gegenden, und gerade da stieß er auf Stammverwandte aus dem Norden, die ihn mit Neuigkeiten daher wider Willen überschütteten. Es<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
Gardine gelauscht, die Geschichte der ritterlichen Abenteurer, welche zu werben kamen um Anna's Hand und als Mitgift Kurlands Herzogshut in den Kauf nehmen wollten. Ihn freute, daß der kecke Marschall von Sachsen, schon so nahe dem Siege, nachdem er durch Muth Polens und Rußlands Einsprüche überwunden, durch die Neigung zu einer Zofe scheiterte, welche die gereizte Anna dem Unwiderstehlichen nicht verzeihen konnte. Eine lange Krankheit hatte ihn gehindert, das Aufgehen eines neuen Gestirns zu verfolgen. Der Kammerherr, Baron, bald Graf Biron stand schon in der Blüte der Gunst, als Sacken von seinem Einfluß zuerst erfuhr. Zugleich fast kam eine Nachricht, die ihn auf das Krankenlager zurück zu werfen drohte: Biron hatte Anna's Favoritin, die Hofdame Benigna von Trotha, genannt von Treyden, geheirathet. Um die Wunde zu vergiften, fügte die Nachricht das Gerücht hinzu, Benigna's Ehe mit dem mächtigen Günstlinge sei nur der Deckmantel, den die Convenienz über das innigere Verhältniß Biron's zur Herzogin geworfen. Seine tugendhafte Braut hatte ihr Lebensglück, ihren guten Namen hingegeben zum Aushängeschilde für die verstohlene Lust zweier Andern!
Das war zu viel. Er wollte nichts mehr aus Kurland wissen. Den verhaßten Namen Biron, die Namen Anna, Benigna nicht mehr hören. Er suchte die von Fremden unbesuchtesten Gegenden, und gerade da stieß er auf Stammverwandte aus dem Norden, die ihn mit Neuigkeiten daher wider Willen überschütteten. Es
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/70>, abgerufen am 15.08.2024. |