Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.vergilt es ihm nachher hundertfach, aber weil es allemal zu spät kommt, haben Die nichts davon, und er noch weniger. Jetzt ist er im Stande, dem tollen Burschen drei Meilen nachzulaufen, und bietet ihm wohl noch eine Belohnung, daß er nur das annimmt, was er ihm vorher abgeschlagen hat. Der Kutscher hatte den Kopf geschüttelt, als sein Herr dem Studenten nachging. Denn wiewohl er diesem nicht abgeneigt war, hielt er es unter den obwaltenden Umständen doch für angemessener, daß Büren seinem gnädigen Herrn, als daß dieser Büren nachlief. Allein er wußte, daß jede offenbare Einrede den Melancholiker in seinem Eigenwillen nur bestärkte. Um deßhalb erwartete der philosophische Kutscher jetzt mit überschlagenen Armen die Rückkehr seines Gebieters. Nur dann und wann knallte er in die Lüfte und pfiff durch die hohle Hand; aber als keine Antwort kam, und Viertelstunden, ja Stunden verstrichen, machte er sich auch keine Sorge. Denn er war der Meinung, daß Niemand seinem Schicksal entgeht, wie er es auch anfängt; und wenn es schon Thorheit sei, sich selbst dagegen zu sperren, um so unvernünftiger, wenn ein Zweiter, was dem Andern krumm geht, grade rücken wolle. Er lachte über die Meinung des tollen Studenten, -- denn er hatte auf Alles, was im Wagen gesprochen wurde, gehorcht -- daß Alles in der Welt vorwärts gehe! -- Es geht nicht vorwärts und nicht rückwärts, monologisirte er, es bleibt Alles, wie es ge- vergilt es ihm nachher hundertfach, aber weil es allemal zu spät kommt, haben Die nichts davon, und er noch weniger. Jetzt ist er im Stande, dem tollen Burschen drei Meilen nachzulaufen, und bietet ihm wohl noch eine Belohnung, daß er nur das annimmt, was er ihm vorher abgeschlagen hat. Der Kutscher hatte den Kopf geschüttelt, als sein Herr dem Studenten nachging. Denn wiewohl er diesem nicht abgeneigt war, hielt er es unter den obwaltenden Umständen doch für angemessener, daß Büren seinem gnädigen Herrn, als daß dieser Büren nachlief. Allein er wußte, daß jede offenbare Einrede den Melancholiker in seinem Eigenwillen nur bestärkte. Um deßhalb erwartete der philosophische Kutscher jetzt mit überschlagenen Armen die Rückkehr seines Gebieters. Nur dann und wann knallte er in die Lüfte und pfiff durch die hohle Hand; aber als keine Antwort kam, und Viertelstunden, ja Stunden verstrichen, machte er sich auch keine Sorge. Denn er war der Meinung, daß Niemand seinem Schicksal entgeht, wie er es auch anfängt; und wenn es schon Thorheit sei, sich selbst dagegen zu sperren, um so unvernünftiger, wenn ein Zweiter, was dem Andern krumm geht, grade rücken wolle. Er lachte über die Meinung des tollen Studenten, — denn er hatte auf Alles, was im Wagen gesprochen wurde, gehorcht — daß Alles in der Welt vorwärts gehe! — Es geht nicht vorwärts und nicht rückwärts, monologisirte er, es bleibt Alles, wie es ge- <TEI> <text> <body> <div n="5"> <p><pb facs="#f0048"/> vergilt es ihm nachher hundertfach, aber weil es allemal zu spät kommt, haben Die nichts davon, und er noch weniger. Jetzt ist er im Stande, dem tollen Burschen drei Meilen nachzulaufen, und bietet ihm wohl noch eine Belohnung, daß er nur das annimmt, was er ihm vorher abgeschlagen hat.</p><lb/> <p>Der Kutscher hatte den Kopf geschüttelt, als sein Herr dem Studenten nachging. Denn wiewohl er diesem nicht abgeneigt war, hielt er es unter den obwaltenden Umständen doch für angemessener, daß Büren seinem gnädigen Herrn, als daß dieser Büren nachlief. Allein er wußte, daß jede offenbare Einrede den Melancholiker in seinem Eigenwillen nur bestärkte. Um deßhalb erwartete der philosophische Kutscher jetzt mit überschlagenen Armen die Rückkehr seines Gebieters. Nur dann und wann knallte er in die Lüfte und pfiff durch die hohle Hand; aber als keine Antwort kam, und Viertelstunden, ja Stunden verstrichen, machte er sich auch keine Sorge. Denn er war der Meinung, daß Niemand seinem Schicksal entgeht, wie er es auch anfängt; und wenn es schon Thorheit sei, sich selbst dagegen zu sperren, um so unvernünftiger, wenn ein Zweiter, was dem Andern krumm geht, grade rücken wolle. Er lachte über die Meinung des tollen Studenten, — denn er hatte auf Alles, was im Wagen gesprochen wurde, gehorcht — daß Alles in der Welt vorwärts gehe! — Es geht nicht vorwärts und nicht rückwärts, monologisirte er, es bleibt Alles, wie es ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
vergilt es ihm nachher hundertfach, aber weil es allemal zu spät kommt, haben Die nichts davon, und er noch weniger. Jetzt ist er im Stande, dem tollen Burschen drei Meilen nachzulaufen, und bietet ihm wohl noch eine Belohnung, daß er nur das annimmt, was er ihm vorher abgeschlagen hat.
Der Kutscher hatte den Kopf geschüttelt, als sein Herr dem Studenten nachging. Denn wiewohl er diesem nicht abgeneigt war, hielt er es unter den obwaltenden Umständen doch für angemessener, daß Büren seinem gnädigen Herrn, als daß dieser Büren nachlief. Allein er wußte, daß jede offenbare Einrede den Melancholiker in seinem Eigenwillen nur bestärkte. Um deßhalb erwartete der philosophische Kutscher jetzt mit überschlagenen Armen die Rückkehr seines Gebieters. Nur dann und wann knallte er in die Lüfte und pfiff durch die hohle Hand; aber als keine Antwort kam, und Viertelstunden, ja Stunden verstrichen, machte er sich auch keine Sorge. Denn er war der Meinung, daß Niemand seinem Schicksal entgeht, wie er es auch anfängt; und wenn es schon Thorheit sei, sich selbst dagegen zu sperren, um so unvernünftiger, wenn ein Zweiter, was dem Andern krumm geht, grade rücken wolle. Er lachte über die Meinung des tollen Studenten, — denn er hatte auf Alles, was im Wagen gesprochen wurde, gehorcht — daß Alles in der Welt vorwärts gehe! — Es geht nicht vorwärts und nicht rückwärts, monologisirte er, es bleibt Alles, wie es ge-
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Zitationshilfe: | Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/48>, abgerufen am 16.07.2024. |