die ganze Welt halten werde. Sie nennen sie Cho¬ lera morbus, und was das Schrecklichste, es ist kein ärztliches Mittel dagegen zu entdecken. Sie fängt mit Vomiren an, heftiger Dyssenterie, dies steigert sich in wenigen Stunden bis zum Tode. Der ge¬ ringste Diätfehler, namentlich der Genuß von unrei¬ fem, ja, selbst von reifem Obst ruft sie hervor. Ich kann Ihnen meine Besorgniß nicht verhehlen, ich hörte durch Selle vorhin von Fällen, die mich fürch¬ ten machen, daß sie schon in den Ringmauern von Berlin ist. -- Ich bitte, lassen Sie sich nicht ängst¬ lich machen, meine Herren, aber hüten Sie sich ja vor jeder Erkältung, vor Obstgenuß. Ja, ja, meine Herren, wir wissen Alle nicht, was uns bevorsteht, und welche neue Wendung das Schicksal nimmt. Wo diese Krankheit grassirt, hört der Krieg von selbst auf. -- Sie fühlen sich doch nicht unwohl, liebster Baron, Sie fassen sich an den Magen?"
Der Baron hatte Melone gegessen. Die Ge¬ sichter einiger Andern verriethen die Nachwirkung einer zu lebhaften Schilderung. Da erst erblickte Wandel den Rath Fuchsius. Er ergriff seine Hand: "Ach, mein werthester Freund! Vorsicht, Vorsicht, meine Herren, weiter nichts! A propos, was macht denn unser Freund Bovillard? Ich sah ihn seit vor¬ gestern nicht."
Der Rath zückte die Achseln: "Durch seine Selbstcur --"
"Thut er Buße, fiel der Baron ein, für die
die ganze Welt halten werde. Sie nennen ſie Cho¬ lera morbus, und was das Schrecklichſte, es iſt kein ärztliches Mittel dagegen zu entdecken. Sie fängt mit Vomiren an, heftiger Dyſſenterie, dies ſteigert ſich in wenigen Stunden bis zum Tode. Der ge¬ ringſte Diätfehler, namentlich der Genuß von unrei¬ fem, ja, ſelbſt von reifem Obſt ruft ſie hervor. Ich kann Ihnen meine Beſorgniß nicht verhehlen, ich hörte durch Selle vorhin von Fällen, die mich fürch¬ ten machen, daß ſie ſchon in den Ringmauern von Berlin iſt. — Ich bitte, laſſen Sie ſich nicht ängſt¬ lich machen, meine Herren, aber hüten Sie ſich ja vor jeder Erkältung, vor Obſtgenuß. Ja, ja, meine Herren, wir wiſſen Alle nicht, was uns bevorſteht, und welche neue Wendung das Schickſal nimmt. Wo dieſe Krankheit graſſirt, hört der Krieg von ſelbſt auf. — Sie fühlen ſich doch nicht unwohl, liebſter Baron, Sie faſſen ſich an den Magen?“
Der Baron hatte Melone gegeſſen. Die Ge¬ ſichter einiger Andern verriethen die Nachwirkung einer zu lebhaften Schilderung. Da erſt erblickte Wandel den Rath Fuchſius. Er ergriff ſeine Hand: „Ach, mein wertheſter Freund! Vorſicht, Vorſicht, meine Herren, weiter nichts! A propos, was macht denn unſer Freund Bovillard? Ich ſah ihn ſeit vor¬ geſtern nicht.“
Der Rath zückte die Achſeln: „Durch ſeine Selbſtcur —“
„Thut er Buße, fiel der Baron ein, für die
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die ganze Welt halten werde. Sie nennen ſie Cho¬
lera morbus, und was das Schrecklichſte, es iſt kein
ärztliches Mittel dagegen zu entdecken. Sie fängt
mit Vomiren an, heftiger Dyſſenterie, dies ſteigert
ſich in wenigen Stunden bis zum Tode. Der ge¬
ringſte Diätfehler, namentlich der Genuß von unrei¬
fem, ja, ſelbſt von reifem Obſt ruft ſie hervor. Ich
kann Ihnen meine Beſorgniß nicht verhehlen, ich
hörte durch Selle vorhin von Fällen, die mich fürch¬
ten machen, daß ſie ſchon in den Ringmauern von
Berlin iſt. — Ich bitte, laſſen Sie ſich nicht ängſt¬
lich machen, meine Herren, aber hüten Sie ſich ja
vor jeder Erkältung, vor Obſtgenuß. Ja, ja, meine
Herren, wir wiſſen Alle nicht, was uns bevorſteht,
und welche neue Wendung das Schickſal nimmt. Wo
dieſe Krankheit graſſirt, hört der Krieg von ſelbſt
auf. — Sie fühlen ſich doch nicht unwohl, liebſter
Baron, Sie faſſen ſich an den Magen?“
Der Baron hatte Melone gegeſſen. Die Ge¬
ſichter einiger Andern verriethen die Nachwirkung
einer zu lebhaften Schilderung. Da erſt erblickte
Wandel den Rath Fuchſius. Er ergriff ſeine Hand:
„Ach, mein wertheſter Freund! Vorſicht, Vorſicht,
meine Herren, weiter nichts! A propos, was macht
denn unſer Freund Bovillard? Ich ſah ihn ſeit vor¬
geſtern nicht.“
Der Rath zückte die Achſeln: „Durch ſeine
Selbſtcur —“
„Thut er Buße, fiel der Baron ein, für die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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