legenen Straße Er kannte die Straße, das Haus, das Fenster. Hier wohnte der Legationsrath. Das Fenster gehörte zu seiner Küche, die Küche diente ihm zum Laboratorium. Was konnte Wandel so früh hier zu schaffen haben? Er war ein Nachtschwärmer; er expe¬ rimentire nie anders als bei Tageslicht, hatte er selbst zu Fuchsius gesagt. Was präparirte er jetzt? Es war zwischen drei und vier. Und das Licht verschwand nicht. Gedanken durchzückten ihn in rascher Folge. Was kann er in dieser Nachtstunde experimentiren? Warum die Heimlichkeit? Warum hat er, bei aller Offenherzigkeit in andern Dingen, Niemand klaren Wein über seine Vermögensverhältnisse eingeschenkt? Warum schweigt über ihn der alte van Asten, der einmal merken ließ, daß er etwas wisse, und jetzt be¬ hauptet, daß er nichts weiß? Er hatte Wechsel von ihm in der Hand! -- Wechsel! -- Fuchsius sah Wandel schrei¬ ben. Er rieb sich wieder die Stirn. Plötzlich saß er am Tisch und wühlte in den französischen Akten. In einem kleinen vergilbten Handbillet verfolgte er mit dem Auge und mit dem Finger die Buchstaben. Ebenso rasch riß er das vorige Aktenstück herbei, und verglich Wort um Wort, es schien Buchstabe um Buchstabe. Es war ein französisch geschriebenes Billet Wandels an die Lupinus: "Welche täuschende Waffe die Aehnlich¬ keit der Schriftzüge! Wie man auch da sich in Acht nehmen muß!" Aber plötzlich vergrößerten sich seine Augen, sein Mund öffnete sich -- ein, zwei -- drei Worte -- nicht nur die Schriftzüge der Buchstaben,
legenen Straße Er kannte die Straße, das Haus, das Fenſter. Hier wohnte der Legationsrath. Das Fenſter gehörte zu ſeiner Küche, die Küche diente ihm zum Laboratorium. Was konnte Wandel ſo früh hier zu ſchaffen haben? Er war ein Nachtſchwärmer; er expe¬ rimentire nie anders als bei Tageslicht, hatte er ſelbſt zu Fuchſius geſagt. Was präparirte er jetzt? Es war zwiſchen drei und vier. Und das Licht verſchwand nicht. Gedanken durchzückten ihn in raſcher Folge. Was kann er in dieſer Nachtſtunde experimentiren? Warum die Heimlichkeit? Warum hat er, bei aller Offenherzigkeit in andern Dingen, Niemand klaren Wein über ſeine Vermögensverhältniſſe eingeſchenkt? Warum ſchweigt über ihn der alte van Aſten, der einmal merken ließ, daß er etwas wiſſe, und jetzt be¬ hauptet, daß er nichts weiß? Er hatte Wechſel von ihm in der Hand! — Wechſel! — Fuchſius ſah Wandel ſchrei¬ ben. Er rieb ſich wieder die Stirn. Plötzlich ſaß er am Tiſch und wühlte in den franzöſiſchen Akten. In einem kleinen vergilbten Handbillet verfolgte er mit dem Auge und mit dem Finger die Buchſtaben. Ebenſo raſch riß er das vorige Aktenſtück herbei, und verglich Wort um Wort, es ſchien Buchſtabe um Buchſtabe. Es war ein franzöſiſch geſchriebenes Billet Wandels an die Lupinus: „Welche täuſchende Waffe die Aehnlich¬ keit der Schriftzüge! Wie man auch da ſich in Acht nehmen muß!“ Aber plötzlich vergrößerten ſich ſeine Augen, ſein Mund öffnete ſich — ein, zwei — drei Worte — nicht nur die Schriftzüge der Buchſtaben,
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legenen Straße Er kannte die Straße, das Haus,
das Fenſter. Hier wohnte der Legationsrath. Das
Fenſter gehörte zu ſeiner Küche, die Küche diente ihm
zum Laboratorium. Was konnte Wandel ſo früh hier
zu ſchaffen haben? Er war ein Nachtſchwärmer; er expe¬
rimentire nie anders als bei Tageslicht, hatte er ſelbſt
zu Fuchſius geſagt. Was präparirte er jetzt? Es war
zwiſchen drei und vier. Und das Licht verſchwand
nicht. Gedanken durchzückten ihn in raſcher Folge.
Was kann er in dieſer Nachtſtunde experimentiren?
Warum die Heimlichkeit? Warum hat er, bei aller
Offenherzigkeit in andern Dingen, Niemand klaren
Wein über ſeine Vermögensverhältniſſe eingeſchenkt?
Warum ſchweigt über ihn der alte van Aſten, der
einmal merken ließ, daß er etwas wiſſe, und jetzt be¬
hauptet, daß er nichts weiß? Er hatte Wechſel von ihm in
der Hand! — Wechſel! — Fuchſius ſah Wandel ſchrei¬
ben. Er rieb ſich wieder die Stirn. Plötzlich ſaß er am
Tiſch und wühlte in den franzöſiſchen Akten. In
einem kleinen vergilbten Handbillet verfolgte er mit
dem Auge und mit dem Finger die Buchſtaben. Ebenſo
raſch riß er das vorige Aktenſtück herbei, und verglich
Wort um Wort, es ſchien Buchſtabe um Buchſtabe.
Es war ein franzöſiſch geſchriebenes Billet Wandels an
die Lupinus: „Welche täuſchende Waffe die Aehnlich¬
keit der Schriftzüge! Wie man auch da ſich in Acht
nehmen muß!“ Aber plötzlich vergrößerten ſich ſeine
Augen, ſein Mund öffnete ſich — ein, zwei — drei
Worte — nicht nur die Schriftzüge der Buchſtaben,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/327>, abgerufen am 25.11.2024.
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