rohe Wuth, die Leidenschaften waren entfesselt. Man¬ ches Gesicht glühte auch vom Branntewein, es konnte aus der Zänkerei ein Kampf werden. Die verschie¬ denen Truppentheile haben immer gegen einander Eifersucht. Da warfen sich die Feldkutscher vor, wer wider Recht den Vorrang erstreiten wollen; dort hechel¬ ten sie sich über den Inhalt und die Größe der Ba¬ gagewagen, und aus ihren versteckten Winken -- wo man diese Rücksicht noch beobachtete -- erfuhr das Publikum, daß mancher Officier Dinge oder Gegen¬ stände mitnähme, die eigentlich nicht in's Feld gehö¬ ren. Wer daran zweifelte, sah wohl vorn aus den Rüstwagen ein halbverhülltes Frauengesicht scheu vorblicken, das nicht füglich zu den Marketenderinnen zählen konnte. Doch waren das nur Ausnahmen. Aber zwischen dem Schreien, Fluchen und Wiehern tönten noch andre Stimmen, die weder Pferden noch Menschen angehörten, sondern eher auf das Dasein einer Menagerie schließen ließen.
Diese Menagerie war indeß gar kein Geheim¬ niß, und wenn die großen Hühnerkörbe, hinten oder vorn auf den Generalswagen, bis da mit Decken verhängt gewesen, so waren diese beim Zusammenstoß, dem Klettern und den Manipulationen der Helfen¬ wollenden von den meisten abgefallen. Das geängstete Federvieh flatterte und gakkerte und schien selbst wie¬ der einen Bürgerkrieg in den Gitterkörben zu führen, als durch das Zurückstoßen eines Wagens mit Zelt¬ stangen diese an den Fourgon eines Generals stie¬
rohe Wuth, die Leidenſchaften waren entfeſſelt. Man¬ ches Geſicht glühte auch vom Branntewein, es konnte aus der Zänkerei ein Kampf werden. Die verſchie¬ denen Truppentheile haben immer gegen einander Eiferſucht. Da warfen ſich die Feldkutſcher vor, wer wider Recht den Vorrang erſtreiten wollen; dort hechel¬ ten ſie ſich über den Inhalt und die Größe der Ba¬ gagewagen, und aus ihren verſteckten Winken — wo man dieſe Rückſicht noch beobachtete — erfuhr das Publikum, daß mancher Officier Dinge oder Gegen¬ ſtände mitnähme, die eigentlich nicht in's Feld gehö¬ ren. Wer daran zweifelte, ſah wohl vorn aus den Rüſtwagen ein halbverhülltes Frauengeſicht ſcheu vorblicken, das nicht füglich zu den Marketenderinnen zählen konnte. Doch waren das nur Ausnahmen. Aber zwiſchen dem Schreien, Fluchen und Wiehern tönten noch andre Stimmen, die weder Pferden noch Menſchen angehörten, ſondern eher auf das Daſein einer Menagerie ſchließen ließen.
Dieſe Menagerie war indeß gar kein Geheim¬ niß, und wenn die großen Hühnerkörbe, hinten oder vorn auf den Generalswagen, bis da mit Decken verhängt geweſen, ſo waren dieſe beim Zuſammenſtoß, dem Klettern und den Manipulationen der Helfen¬ wollenden von den meiſten abgefallen. Das geängſtete Federvieh flatterte und gakkerte und ſchien ſelbſt wie¬ der einen Bürgerkrieg in den Gitterkörben zu führen, als durch das Zurückſtoßen eines Wagens mit Zelt¬ ſtangen dieſe an den Fourgon eines Generals ſtie¬
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rohe Wuth, die Leidenſchaften waren entfeſſelt. Man¬
ches Geſicht glühte auch vom Branntewein, es konnte
aus der Zänkerei ein Kampf werden. Die verſchie¬
denen Truppentheile haben immer gegen einander
Eiferſucht. Da warfen ſich die Feldkutſcher vor, wer
wider Recht den Vorrang erſtreiten wollen; dort hechel¬
ten ſie ſich über den Inhalt und die Größe der Ba¬
gagewagen, und aus ihren verſteckten Winken — wo
man dieſe Rückſicht noch beobachtete — erfuhr das
Publikum, daß mancher Officier Dinge oder Gegen¬
ſtände mitnähme, die eigentlich nicht in's Feld gehö¬
ren. Wer daran zweifelte, ſah wohl vorn aus den
Rüſtwagen ein halbverhülltes Frauengeſicht ſcheu
vorblicken, das nicht füglich zu den Marketenderinnen
zählen konnte. Doch waren das nur Ausnahmen.
Aber zwiſchen dem Schreien, Fluchen und Wiehern
tönten noch andre Stimmen, die weder Pferden noch
Menſchen angehörten, ſondern eher auf das Daſein
einer Menagerie ſchließen ließen.
Dieſe Menagerie war indeß gar kein Geheim¬
niß, und wenn die großen Hühnerkörbe, hinten oder
vorn auf den Generalswagen, bis da mit Decken
verhängt geweſen, ſo waren dieſe beim Zuſammenſtoß,
dem Klettern und den Manipulationen der Helfen¬
wollenden von den meiſten abgefallen. Das geängſtete
Federvieh flatterte und gakkerte und ſchien ſelbſt wie¬
der einen Bürgerkrieg in den Gitterkörben zu führen,
als durch das Zurückſtoßen eines Wagens mit Zelt¬
ſtangen dieſe an den Fourgon eines Generals ſtie¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/248>, abgerufen am 28.11.2024.
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