Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

meiner erlauchten Frau? Ihre Kirche giebt aus der
Bibel dem Volke nur, was sie für gut hält, Napo¬
leon will dasselbe, das Heidenthum will er verban¬
nen. Mich dünkt, da gehen wir noch Hand in Hand.
Er hat die Pariser Universität zum Instrumente sei¬
ner Macht umgeschaffen. Sind wir da nicht auch
einig? Er will nicht, daß, wie in Deutschland, so
viel Lehrstühle sind, so viel Irrlehren der Jugend
gepredigt werden. Der Staat soll eine Lehre prü¬
fen, als gut und richtig approbiren, und diese soll
dann in allen Schulen vorgetragen werden. Stim¬
men wir darin nicht? Er haßt die Ideologie, weil
sie den Menschen vom Praktischen und Nothwendigen
entfernt, weil sie ewig an der Autorität rüttelt,
Stolz, Ueberhebung, Schwärmer hervorruft. Will
Ihre Kirche die? darf der Staat des großen Czaa¬
ren sie dulden? Deutschland ging daran unter.
Preußen schmeichelt ihnen, weil die ganze Nation aus
Ideologen besteht. Darum nennt mein Kaiser sie die
Jakobiner des Nordens. Mich dünkt, eins der tref¬
fendsten Worte, die aus seinem Kopf entsprangen."

"Und was ist der langen Rede kurzer Sinn?"

"Das nur andeuten wollen, wäre Vermessen¬
heit, wo die Weisheit eines Alexander selbst das
Beste treffen und -- Fürstin Gargazin das, was
einschlägt, ihm anrathen wird."

"Was aber würden Sie an meiner Statt meinem
Kaiser rathen? Versetzen Sie sich einmal in meine
Stelle."

meiner erlauchten Frau? Ihre Kirche giebt aus der
Bibel dem Volke nur, was ſie für gut hält, Napo¬
leon will daſſelbe, das Heidenthum will er verban¬
nen. Mich dünkt, da gehen wir noch Hand in Hand.
Er hat die Pariſer Univerſität zum Inſtrumente ſei¬
ner Macht umgeſchaffen. Sind wir da nicht auch
einig? Er will nicht, daß, wie in Deutſchland, ſo
viel Lehrſtühle ſind, ſo viel Irrlehren der Jugend
gepredigt werden. Der Staat ſoll eine Lehre prü¬
fen, als gut und richtig approbiren, und dieſe ſoll
dann in allen Schulen vorgetragen werden. Stim¬
men wir darin nicht? Er haßt die Ideologie, weil
ſie den Menſchen vom Praktiſchen und Nothwendigen
entfernt, weil ſie ewig an der Autorität rüttelt,
Stolz, Ueberhebung, Schwärmer hervorruft. Will
Ihre Kirche die? darf der Staat des großen Czaa¬
ren ſie dulden? Deutſchland ging daran unter.
Preußen ſchmeichelt ihnen, weil die ganze Nation aus
Ideologen beſteht. Darum nennt mein Kaiſer ſie die
Jakobiner des Nordens. Mich dünkt, eins der tref¬
fendſten Worte, die aus ſeinem Kopf entſprangen.“

„Und was iſt der langen Rede kurzer Sinn?“

„Das nur andeuten wollen, wäre Vermeſſen¬
heit, wo die Weisheit eines Alexander ſelbſt das
Beſte treffen und — Fürſtin Gargazin das, was
einſchlägt, ihm anrathen wird.“

„Was aber würden Sie an meiner Statt meinem
Kaiſer rathen? Verſetzen Sie ſich einmal in meine
Stelle.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="219"/>
meiner erlauchten Frau? Ihre Kirche giebt aus der<lb/>
Bibel dem Volke nur, was &#x017F;ie für gut hält, Napo¬<lb/>
leon will da&#x017F;&#x017F;elbe, das Heidenthum will er verban¬<lb/>
nen. Mich dünkt, da gehen wir noch Hand in Hand.<lb/>
Er hat die Pari&#x017F;er Univer&#x017F;ität zum In&#x017F;trumente &#x017F;ei¬<lb/>
ner Macht umge&#x017F;chaffen. Sind wir da nicht auch<lb/>
einig? Er will nicht, daß, wie in Deut&#x017F;chland, &#x017F;o<lb/>
viel Lehr&#x017F;tühle &#x017F;ind, &#x017F;o viel Irrlehren der Jugend<lb/>
gepredigt werden. Der Staat &#x017F;oll <hi rendition="#g">eine</hi> Lehre prü¬<lb/>
fen, als gut und richtig approbiren, und die&#x017F;e &#x017F;oll<lb/>
dann in allen Schulen vorgetragen werden. Stim¬<lb/>
men wir darin nicht? Er haßt die Ideologie, weil<lb/>
&#x017F;ie den Men&#x017F;chen vom Prakti&#x017F;chen und Nothwendigen<lb/>
entfernt, weil &#x017F;ie ewig an der Autorität rüttelt,<lb/>
Stolz, Ueberhebung, Schwärmer hervorruft. Will<lb/>
Ihre Kirche die? darf der Staat des großen Czaa¬<lb/>
ren &#x017F;ie dulden? Deut&#x017F;chland ging daran unter.<lb/>
Preußen &#x017F;chmeichelt ihnen, weil die ganze Nation aus<lb/>
Ideologen be&#x017F;teht. Darum nennt mein Kai&#x017F;er &#x017F;ie die<lb/>
Jakobiner des Nordens. Mich dünkt, eins der tref¬<lb/>
fend&#x017F;ten Worte, die aus &#x017F;einem Kopf ent&#x017F;prangen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und was i&#x017F;t der langen Rede kurzer Sinn?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das nur andeuten wollen, wäre Verme&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
heit, wo die Weisheit eines Alexander &#x017F;elb&#x017F;t das<lb/>
Be&#x017F;te treffen und &#x2014; Für&#x017F;tin Gargazin das, was<lb/>
ein&#x017F;chlägt, ihm anrathen wird.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was aber würden Sie an meiner Statt meinem<lb/>
Kai&#x017F;er rathen? Ver&#x017F;etzen Sie &#x017F;ich einmal in meine<lb/>
Stelle.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0229] meiner erlauchten Frau? Ihre Kirche giebt aus der Bibel dem Volke nur, was ſie für gut hält, Napo¬ leon will daſſelbe, das Heidenthum will er verban¬ nen. Mich dünkt, da gehen wir noch Hand in Hand. Er hat die Pariſer Univerſität zum Inſtrumente ſei¬ ner Macht umgeſchaffen. Sind wir da nicht auch einig? Er will nicht, daß, wie in Deutſchland, ſo viel Lehrſtühle ſind, ſo viel Irrlehren der Jugend gepredigt werden. Der Staat ſoll eine Lehre prü¬ fen, als gut und richtig approbiren, und dieſe ſoll dann in allen Schulen vorgetragen werden. Stim¬ men wir darin nicht? Er haßt die Ideologie, weil ſie den Menſchen vom Praktiſchen und Nothwendigen entfernt, weil ſie ewig an der Autorität rüttelt, Stolz, Ueberhebung, Schwärmer hervorruft. Will Ihre Kirche die? darf der Staat des großen Czaa¬ ren ſie dulden? Deutſchland ging daran unter. Preußen ſchmeichelt ihnen, weil die ganze Nation aus Ideologen beſteht. Darum nennt mein Kaiſer ſie die Jakobiner des Nordens. Mich dünkt, eins der tref¬ fendſten Worte, die aus ſeinem Kopf entſprangen.“ „Und was iſt der langen Rede kurzer Sinn?“ „Das nur andeuten wollen, wäre Vermeſſen¬ heit, wo die Weisheit eines Alexander ſelbſt das Beſte treffen und — Fürſtin Gargazin das, was einſchlägt, ihm anrathen wird.“ „Was aber würden Sie an meiner Statt meinem Kaiſer rathen? Verſetzen Sie ſich einmal in meine Stelle.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/229
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/229>, abgerufen am 18.06.2024.