Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

auch plausibel, wenigstens ritterlich, romantisch: Preu¬
ßen müsse die Schmach des langen Zauderns dadurch
auswetzen, daß es nun allein den Entscheidungsschlag
führt. Die jungen Helden sagen: Was hat er denn
bewiesen? Die Oestreicher konnte er schlagen und
die Russen. Die haben wir auch geschlagen. Nun gilt
es beweisen, wer besser schlägt. Kurz, der Chorus
der Alten und Jungen ist: Drauf los, ehe die Russen
kommen, damit wir die Ehre allein haben. Wenn
das Rechenexempel richtig ist, ist auch nichts gegen
die Motive zu sagen. Wenn ich der großmüthige
Alexander wäre, gönnte ich meinen guten Alliirten
diese kleine Freude."

"Aber Alexander gehorcht höheren Pflichten, als
dem Kitzel der Schadenfreude. Er läßt marschiren,
Herr von Laforest. Möge Ihr Kaiser auf einen
ernsteren Zusammenstoß bereit sein, als -- Sie denken."

"Wir sind bereit und -- freuen uns darauf,
denn endlich muß es doch entschieden werden, wem
zwischen zwei gleich großen Spielern das Schachbrett
gehört. Aber das ist ein Kampf, der im Jahr 1806
noch nicht ausgefochten wird. Jetzt räumen wir nur
das Feld von kleinen Mitspielern, unnützen Rath¬
gebern; es könnte eigentlich beiden Großmächten gleich¬
gültig sein, welche es über sich nimmt, diese Partei¬
gänger fortzukehren, denn beide haben den Vortheil,
wenn das Feld frei wird. Ihre Armeen können sich
entwickeln. Und -- setzte er aufstehend hinzu -- sie
können ihre ganze Stärke zeigen, sie kämpfen nicht

auch plauſibel, wenigſtens ritterlich, romantiſch: Preu¬
ßen müſſe die Schmach des langen Zauderns dadurch
auswetzen, daß es nun allein den Entſcheidungsſchlag
führt. Die jungen Helden ſagen: Was hat er denn
bewieſen? Die Oeſtreicher konnte er ſchlagen und
die Ruſſen. Die haben wir auch geſchlagen. Nun gilt
es beweiſen, wer beſſer ſchlägt. Kurz, der Chorus
der Alten und Jungen iſt: Drauf los, ehe die Ruſſen
kommen, damit wir die Ehre allein haben. Wenn
das Rechenexempel richtig iſt, iſt auch nichts gegen
die Motive zu ſagen. Wenn ich der großmüthige
Alexander wäre, gönnte ich meinen guten Alliirten
dieſe kleine Freude.“

„Aber Alexander gehorcht höheren Pflichten, als
dem Kitzel der Schadenfreude. Er läßt marſchiren,
Herr von Laforeſt. Möge Ihr Kaiſer auf einen
ernſteren Zuſammenſtoß bereit ſein, als — Sie denken.“

„Wir ſind bereit und — freuen uns darauf,
denn endlich muß es doch entſchieden werden, wem
zwiſchen zwei gleich großen Spielern das Schachbrett
gehört. Aber das iſt ein Kampf, der im Jahr 1806
noch nicht ausgefochten wird. Jetzt räumen wir nur
das Feld von kleinen Mitſpielern, unnützen Rath¬
gebern; es könnte eigentlich beiden Großmächten gleich¬
gültig ſein, welche es über ſich nimmt, dieſe Partei¬
gänger fortzukehren, denn beide haben den Vortheil,
wenn das Feld frei wird. Ihre Armeen können ſich
entwickeln. Und — ſetzte er aufſtehend hinzu — ſie
können ihre ganze Stärke zeigen, ſie kämpfen nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0225" n="215"/>
auch plau&#x017F;ibel, wenig&#x017F;tens ritterlich, romanti&#x017F;ch: Preu¬<lb/>
ßen mü&#x017F;&#x017F;e die Schmach des langen Zauderns dadurch<lb/>
auswetzen, daß es nun allein den Ent&#x017F;cheidungs&#x017F;chlag<lb/>
führt. Die jungen Helden &#x017F;agen: Was hat er denn<lb/>
bewie&#x017F;en? Die Oe&#x017F;treicher konnte er &#x017F;chlagen und<lb/>
die Ru&#x017F;&#x017F;en. Die haben wir auch ge&#x017F;chlagen. Nun gilt<lb/>
es bewei&#x017F;en, wer be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chlägt. Kurz, der Chorus<lb/>
der Alten und Jungen i&#x017F;t: Drauf los, ehe die Ru&#x017F;&#x017F;en<lb/>
kommen, damit wir die Ehre allein haben. Wenn<lb/>
das Rechenexempel richtig i&#x017F;t, i&#x017F;t auch nichts gegen<lb/>
die Motive zu &#x017F;agen. Wenn ich der großmüthige<lb/>
Alexander wäre, gönnte ich meinen guten Alliirten<lb/>
die&#x017F;e kleine Freude.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber Alexander gehorcht höheren Pflichten, als<lb/>
dem Kitzel der Schadenfreude. Er läßt mar&#x017F;chiren,<lb/>
Herr von Lafore&#x017F;t. Möge Ihr Kai&#x017F;er auf einen<lb/>
ern&#x017F;teren Zu&#x017F;ammen&#x017F;toß bereit &#x017F;ein, als &#x2014; Sie denken.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir &#x017F;ind bereit und &#x2014; freuen uns darauf,<lb/>
denn endlich muß es doch ent&#x017F;chieden werden, wem<lb/>
zwi&#x017F;chen zwei gleich großen Spielern das Schachbrett<lb/>
gehört. Aber das i&#x017F;t ein Kampf, der im Jahr 1806<lb/>
noch nicht ausgefochten wird. Jetzt räumen wir nur<lb/>
das Feld von kleinen Mit&#x017F;pielern, unnützen Rath¬<lb/>
gebern; es könnte eigentlich beiden Großmächten gleich¬<lb/>
gültig &#x017F;ein, welche es über &#x017F;ich nimmt, die&#x017F;e Partei¬<lb/>
gänger fortzukehren, denn beide haben den Vortheil,<lb/>
wenn das Feld frei wird. Ihre Armeen können &#x017F;ich<lb/>
entwickeln. Und &#x2014; &#x017F;etzte er auf&#x017F;tehend hinzu &#x2014; &#x017F;ie<lb/>
können ihre ganze Stärke zeigen, &#x017F;ie kämpfen nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0225] auch plauſibel, wenigſtens ritterlich, romantiſch: Preu¬ ßen müſſe die Schmach des langen Zauderns dadurch auswetzen, daß es nun allein den Entſcheidungsſchlag führt. Die jungen Helden ſagen: Was hat er denn bewieſen? Die Oeſtreicher konnte er ſchlagen und die Ruſſen. Die haben wir auch geſchlagen. Nun gilt es beweiſen, wer beſſer ſchlägt. Kurz, der Chorus der Alten und Jungen iſt: Drauf los, ehe die Ruſſen kommen, damit wir die Ehre allein haben. Wenn das Rechenexempel richtig iſt, iſt auch nichts gegen die Motive zu ſagen. Wenn ich der großmüthige Alexander wäre, gönnte ich meinen guten Alliirten dieſe kleine Freude.“ „Aber Alexander gehorcht höheren Pflichten, als dem Kitzel der Schadenfreude. Er läßt marſchiren, Herr von Laforeſt. Möge Ihr Kaiſer auf einen ernſteren Zuſammenſtoß bereit ſein, als — Sie denken.“ „Wir ſind bereit und — freuen uns darauf, denn endlich muß es doch entſchieden werden, wem zwiſchen zwei gleich großen Spielern das Schachbrett gehört. Aber das iſt ein Kampf, der im Jahr 1806 noch nicht ausgefochten wird. Jetzt räumen wir nur das Feld von kleinen Mitſpielern, unnützen Rath¬ gebern; es könnte eigentlich beiden Großmächten gleich¬ gültig ſein, welche es über ſich nimmt, dieſe Partei¬ gänger fortzukehren, denn beide haben den Vortheil, wenn das Feld frei wird. Ihre Armeen können ſich entwickeln. Und — ſetzte er aufſtehend hinzu — ſie können ihre ganze Stärke zeigen, ſie kämpfen nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/225
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/225>, abgerufen am 23.11.2024.