ich stoße so oft an, indem ich mich in die europäischen Verhältnisse noch nicht wieder zurechtfinde."
"Ich höre zum ersten Mal, daß Sie in Ame¬ rika waren, Herr Legationsrath."
Wandel lächelte: "Ich ehre die Rücksichten, die ein Criminalrichter hat, auch schon Ermitteltes vor dem Inquisiten zu ignoriren. Ich aber habe keinen Grund, zu verleugnen, daß ich erst Anfang dieses Jahrhunderts aus der andern Welt zurückgekehrt bin."
"Wo Sie doch nicht geboren wurden?"
"Eine Vorahnung, was die Revolution uns bringen würde, trieb mich schon bei ihrem Ausbruch dahin! sagte Wandel mit einem tiefen Seufzer. Wäre ich doch nie zurückgekehrt! Man muß gestehen, die Revolution hat mehr und Tieferes zerstört, als Königreiche und Fürstenthümer."
"Vielleicht auch dem nur den letzten Stoß ge¬ geben, was längst in sich zerstört war," sagte der Rath.
"Sehr wahr! Eine tiefe Wahrheit, Herr Re¬ gierungsrath. Wenn ich der schlichten Sitten, der Natureinfalt gedenke in unserm Dorfe, nicht bei den Landbewohnern allein, auch in unsrer Familie, wie sie traulich Abends unter den Lindenbäumen vor der Thür des reinlichen holländischen Hauses saßen und ihren Thee tranken bei der weißen Thonpfeife. Wer dachte bei diesen glücklichen Landbewohnern an das alte Herrengeschlecht der Vansitter. Und als ich zurückkehrte!"
13*
ich ſtoße ſo oft an, indem ich mich in die europäiſchen Verhältniſſe noch nicht wieder zurechtfinde.“
„Ich höre zum erſten Mal, daß Sie in Ame¬ rika waren, Herr Legationsrath.“
Wandel lächelte: „Ich ehre die Rückſichten, die ein Criminalrichter hat, auch ſchon Ermitteltes vor dem Inquiſiten zu ignoriren. Ich aber habe keinen Grund, zu verleugnen, daß ich erſt Anfang dieſes Jahrhunderts aus der andern Welt zurückgekehrt bin.“
„Wo Sie doch nicht geboren wurden?“
„Eine Vorahnung, was die Revolution uns bringen würde, trieb mich ſchon bei ihrem Ausbruch dahin! ſagte Wandel mit einem tiefen Seufzer. Wäre ich doch nie zurückgekehrt! Man muß geſtehen, die Revolution hat mehr und Tieferes zerſtört, als Königreiche und Fürſtenthümer.“
„Vielleicht auch dem nur den letzten Stoß ge¬ geben, was längſt in ſich zerſtört war,“ ſagte der Rath.
„Sehr wahr! Eine tiefe Wahrheit, Herr Re¬ gierungsrath. Wenn ich der ſchlichten Sitten, der Natureinfalt gedenke in unſerm Dorfe, nicht bei den Landbewohnern allein, auch in unſrer Familie, wie ſie traulich Abends unter den Lindenbäumen vor der Thür des reinlichen holländiſchen Hauſes ſaßen und ihren Thee tranken bei der weißen Thonpfeife. Wer dachte bei dieſen glücklichen Landbewohnern an das alte Herrengeſchlecht der Vanſitter. Und als ich zurückkehrte!“
13*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0205"n="195"/>
ich ſtoße ſo oft an, indem ich mich in die europäiſchen<lb/>
Verhältniſſe noch nicht wieder zurechtfinde.“</p><lb/><p>„Ich höre zum erſten Mal, daß Sie in Ame¬<lb/>
rika waren, Herr Legationsrath.“</p><lb/><p>Wandel lächelte: „Ich ehre die Rückſichten, die<lb/>
ein Criminalrichter hat, auch ſchon Ermitteltes vor<lb/>
dem Inquiſiten zu ignoriren. Ich aber habe keinen<lb/>
Grund, zu verleugnen, daß ich erſt Anfang dieſes<lb/>
Jahrhunderts aus der andern Welt zurückgekehrt bin.“</p><lb/><p>„Wo Sie doch nicht geboren wurden?“</p><lb/><p>„Eine Vorahnung, was die Revolution uns<lb/>
bringen würde, trieb mich ſchon bei ihrem Ausbruch<lb/>
dahin! ſagte Wandel mit einem tiefen Seufzer.<lb/>
Wäre ich doch nie zurückgekehrt! Man muß geſtehen,<lb/>
die Revolution hat mehr und Tieferes zerſtört, als<lb/>
Königreiche und Fürſtenthümer.“</p><lb/><p>„Vielleicht auch dem nur den letzten Stoß ge¬<lb/>
geben, was längſt in ſich zerſtört war,“ſagte der<lb/>
Rath.</p><lb/><p>„Sehr wahr! Eine tiefe Wahrheit, Herr Re¬<lb/>
gierungsrath. Wenn ich der ſchlichten Sitten, der<lb/>
Natureinfalt gedenke in unſerm Dorfe, nicht bei den<lb/>
Landbewohnern allein, auch in unſrer Familie, wie<lb/>ſie traulich Abends unter den Lindenbäumen vor der<lb/>
Thür des reinlichen holländiſchen Hauſes ſaßen und<lb/>
ihren Thee tranken bei der weißen Thonpfeife. Wer<lb/>
dachte bei dieſen glücklichen Landbewohnern an das<lb/>
alte Herrengeſchlecht der Vanſitter. Und als ich<lb/>
zurückkehrte!“</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">13*<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[195/0205]
ich ſtoße ſo oft an, indem ich mich in die europäiſchen
Verhältniſſe noch nicht wieder zurechtfinde.“
„Ich höre zum erſten Mal, daß Sie in Ame¬
rika waren, Herr Legationsrath.“
Wandel lächelte: „Ich ehre die Rückſichten, die
ein Criminalrichter hat, auch ſchon Ermitteltes vor
dem Inquiſiten zu ignoriren. Ich aber habe keinen
Grund, zu verleugnen, daß ich erſt Anfang dieſes
Jahrhunderts aus der andern Welt zurückgekehrt bin.“
„Wo Sie doch nicht geboren wurden?“
„Eine Vorahnung, was die Revolution uns
bringen würde, trieb mich ſchon bei ihrem Ausbruch
dahin! ſagte Wandel mit einem tiefen Seufzer.
Wäre ich doch nie zurückgekehrt! Man muß geſtehen,
die Revolution hat mehr und Tieferes zerſtört, als
Königreiche und Fürſtenthümer.“
„Vielleicht auch dem nur den letzten Stoß ge¬
geben, was längſt in ſich zerſtört war,“ ſagte der
Rath.
„Sehr wahr! Eine tiefe Wahrheit, Herr Re¬
gierungsrath. Wenn ich der ſchlichten Sitten, der
Natureinfalt gedenke in unſerm Dorfe, nicht bei den
Landbewohnern allein, auch in unſrer Familie, wie
ſie traulich Abends unter den Lindenbäumen vor der
Thür des reinlichen holländiſchen Hauſes ſaßen und
ihren Thee tranken bei der weißen Thonpfeife. Wer
dachte bei dieſen glücklichen Landbewohnern an das
alte Herrengeſchlecht der Vanſitter. Und als ich
zurückkehrte!“
13*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/205>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.