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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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Stuhl: "Warum mußte mein guter Schwager über
Etwas an die große Glocke schlagen, was ganz un¬
ter uns abgethan werden sollte! Da es aber ein¬
mal ist, so bin ich meinen verehrten Freunden und
Freundinnen Rechenschaft schuldig. Ich bin nicht so
reich, um eine solche Summe zu diesem einen Zwecke
beizusteuern. Ich erfülle darin nur den Wunsch und
Willen meines seligen Gemahls. So wenig er sich
im Frieden seiner Seele um Weltangelegenheiten
kümmerte, sah er doch mit bangem Blick die schwar¬
zen Gewitterwolken nahen, und es waren seine letz¬
ten Unterhaltungen mit mir, daß für diesen Fall
ein guter Patriot, was er könne, zum Wohle des
Ganzen beisteuern müsse. Namentlich ging ihm die
Lage unsrer armen Soldaten zu Herzen; er, den
jedes kalte Lüftchen wie ein Eishauch berührte, er¬
schrak vor dem Gedanken der Winterfeldzüge, die er
für eine Barbarei der neuern Kriegskunst erklärte.
Er malte sich in seinen letzten Fieberphantasieen be¬
sonders lebhaft das Bild der Bivouaks, und rief
mehr als einmal aus: Und sie haben nicht mal
warme Kleider! Wenn ein unerforschlicher Rath¬
schluß ihn nicht plötzlich abgerufen, würde er in sei¬
nem Testamente gewiß Legate dafür ausgesetzt haben.
Wollen Sie es mir daher nicht verargen, wenn ich
dies Testament für geschrieben halte, und in sei¬
nem Sinne zu handeln denke, indem ich thue, wie
ich gethan. Nicht ich thue es, mir darf Niemand
danken, mir Niemand Verschwendung vorwerfen,

Stuhl: „Warum mußte mein guter Schwager über
Etwas an die große Glocke ſchlagen, was ganz un¬
ter uns abgethan werden ſollte! Da es aber ein¬
mal iſt, ſo bin ich meinen verehrten Freunden und
Freundinnen Rechenſchaft ſchuldig. Ich bin nicht ſo
reich, um eine ſolche Summe zu dieſem einen Zwecke
beizuſteuern. Ich erfülle darin nur den Wunſch und
Willen meines ſeligen Gemahls. So wenig er ſich
im Frieden ſeiner Seele um Weltangelegenheiten
kümmerte, ſah er doch mit bangem Blick die ſchwar¬
zen Gewitterwolken nahen, und es waren ſeine letz¬
ten Unterhaltungen mit mir, daß für dieſen Fall
ein guter Patriot, was er könne, zum Wohle des
Ganzen beiſteuern müſſe. Namentlich ging ihm die
Lage unſrer armen Soldaten zu Herzen; er, den
jedes kalte Lüftchen wie ein Eishauch berührte, er¬
ſchrak vor dem Gedanken der Winterfeldzüge, die er
für eine Barbarei der neuern Kriegskunſt erklärte.
Er malte ſich in ſeinen letzten Fieberphantaſieen be¬
ſonders lebhaft das Bild der Bivouaks, und rief
mehr als einmal aus: Und ſie haben nicht mal
warme Kleider! Wenn ein unerforſchlicher Rath¬
ſchluß ihn nicht plötzlich abgerufen, würde er in ſei¬
nem Teſtamente gewiß Legate dafür ausgeſetzt haben.
Wollen Sie es mir daher nicht verargen, wenn ich
dies Teſtament für geſchrieben halte, und in ſei¬
nem Sinne zu handeln denke, indem ich thue, wie
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[152/0162] Stuhl: „Warum mußte mein guter Schwager über Etwas an die große Glocke ſchlagen, was ganz un¬ ter uns abgethan werden ſollte! Da es aber ein¬ mal iſt, ſo bin ich meinen verehrten Freunden und Freundinnen Rechenſchaft ſchuldig. Ich bin nicht ſo reich, um eine ſolche Summe zu dieſem einen Zwecke beizuſteuern. Ich erfülle darin nur den Wunſch und Willen meines ſeligen Gemahls. So wenig er ſich im Frieden ſeiner Seele um Weltangelegenheiten kümmerte, ſah er doch mit bangem Blick die ſchwar¬ zen Gewitterwolken nahen, und es waren ſeine letz¬ ten Unterhaltungen mit mir, daß für dieſen Fall ein guter Patriot, was er könne, zum Wohle des Ganzen beiſteuern müſſe. Namentlich ging ihm die Lage unſrer armen Soldaten zu Herzen; er, den jedes kalte Lüftchen wie ein Eishauch berührte, er¬ ſchrak vor dem Gedanken der Winterfeldzüge, die er für eine Barbarei der neuern Kriegskunſt erklärte. Er malte ſich in ſeinen letzten Fieberphantaſieen be¬ ſonders lebhaft das Bild der Bivouaks, und rief mehr als einmal aus: Und ſie haben nicht mal warme Kleider! Wenn ein unerforſchlicher Rath¬ ſchluß ihn nicht plötzlich abgerufen, würde er in ſei¬ nem Teſtamente gewiß Legate dafür ausgeſetzt haben. Wollen Sie es mir daher nicht verargen, wenn ich dies Teſtament für geſchrieben halte, und in ſei¬ nem Sinne zu handeln denke, indem ich thue, wie ich gethan. Nicht ich thue es, mir darf Niemand danken, mir Niemand Verſchwendung vorwerfen,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/162>, abgerufen am 24.11.2024.