da, um den Heldentod zu sterben! Es war ein Brand, der durch alle Glieder ging, vom Wirbel bis zur Zeh. Die Entrüstung fand keine Worte dafür, und je gebundener die Meinung in dem andern gefesselten Deutschland war, so lauter sprach sie sich in Preußen aus. Man fühlte, was Freiheit war, und fing an zu begreifen, daß sie ein Gut, ein heiliges Menschenrecht ist. Zur Unterstützung der Familie des ermordeten Mannes wurden überall im Lande reiche Samm¬ lungen veranstaltet, und die Regierung schritt nicht ein, weder aus Furcht vor dem Kaiser, noch wegen unbefugten Collectirens.
Es war Leben im Lande; aber man sah es der prasselnden, ängstlichen Geschäftigkeit an, daß die Uebung fehlte. Wie jene Bürgerfrau beim großen Brande der Petrikirche die Borsdorfer Aepfel sauber in Papier wickelte, während das Silberzeug auf der Diele zerstreut lag, griff man nach dem Entfernten und ließ das Nächste liegen. Fast ein halbes Jahr¬ hundert war vergangen, seit Preußen einen Krieg um sein Alles geführt! Feinde ringsum, und der Geist verkörperte sich zur wahrhaft rettenden That. Rings¬ um sahen sie jetzt ja keine Feinde, und der Geist fehlte zur That, weil -- man ihn noch nicht suchte.
So sah es in den Bürgerhäusern aus. Es wird sich ja schon Alles machen, auch ohne uns, war das Trostwort. Wie es in den Pallästen der Großen, in den Hotels der Minister aussah?
In dem des neuen Ministers saß in dem Zim¬
da, um den Heldentod zu ſterben! Es war ein Brand, der durch alle Glieder ging, vom Wirbel bis zur Zeh. Die Entrüſtung fand keine Worte dafür, und je gebundener die Meinung in dem andern gefeſſelten Deutſchland war, ſo lauter ſprach ſie ſich in Preußen aus. Man fühlte, was Freiheit war, und fing an zu begreifen, daß ſie ein Gut, ein heiliges Menſchenrecht iſt. Zur Unterſtützung der Familie des ermordeten Mannes wurden überall im Lande reiche Samm¬ lungen veranſtaltet, und die Regierung ſchritt nicht ein, weder aus Furcht vor dem Kaiſer, noch wegen unbefugten Collectirens.
Es war Leben im Lande; aber man ſah es der praſſelnden, ängſtlichen Geſchäftigkeit an, daß die Uebung fehlte. Wie jene Bürgerfrau beim großen Brande der Petrikirche die Borsdorfer Aepfel ſauber in Papier wickelte, während das Silberzeug auf der Diele zerſtreut lag, griff man nach dem Entfernten und ließ das Nächſte liegen. Faſt ein halbes Jahr¬ hundert war vergangen, ſeit Preußen einen Krieg um ſein Alles geführt! Feinde ringsum, und der Geiſt verkörperte ſich zur wahrhaft rettenden That. Rings¬ um ſahen ſie jetzt ja keine Feinde, und der Geiſt fehlte zur That, weil — man ihn noch nicht ſuchte.
So ſah es in den Bürgerhäuſern aus. Es wird ſich ja ſchon Alles machen, auch ohne uns, war das Troſtwort. Wie es in den Palläſten der Großen, in den Hotels der Miniſter ausſah?
In dem des neuen Miniſters ſaß in dem Zim¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0015"n="5"/>
da, um den Heldentod zu ſterben! Es war ein Brand,<lb/>
der durch alle Glieder ging, vom Wirbel bis zur<lb/>
Zeh. Die Entrüſtung fand keine Worte dafür, und<lb/>
je gebundener die Meinung in dem andern gefeſſelten<lb/>
Deutſchland war, ſo lauter ſprach ſie ſich in Preußen<lb/>
aus. Man fühlte, was Freiheit war, und fing an zu<lb/>
begreifen, daß ſie ein Gut, ein heiliges Menſchenrecht<lb/>
iſt. Zur Unterſtützung der Familie des ermordeten<lb/>
Mannes wurden überall im Lande reiche Samm¬<lb/>
lungen veranſtaltet, und die Regierung ſchritt nicht<lb/>
ein, weder aus Furcht vor dem Kaiſer, noch wegen<lb/>
unbefugten Collectirens.</p><lb/><p>Es war Leben im Lande; aber man ſah es der<lb/>
praſſelnden, ängſtlichen Geſchäftigkeit an, daß die<lb/>
Uebung fehlte. Wie jene Bürgerfrau beim großen<lb/>
Brande der Petrikirche die Borsdorfer Aepfel ſauber<lb/>
in Papier wickelte, während das Silberzeug auf der<lb/>
Diele zerſtreut lag, griff man nach dem Entfernten<lb/>
und ließ das Nächſte liegen. Faſt ein halbes Jahr¬<lb/>
hundert war vergangen, ſeit Preußen einen Krieg um<lb/>ſein Alles geführt! Feinde ringsum, und der Geiſt<lb/>
verkörperte ſich zur wahrhaft rettenden That. Rings¬<lb/>
um ſahen ſie jetzt ja keine Feinde, und der Geiſt<lb/>
fehlte zur That, weil — man ihn noch nicht ſuchte.</p><lb/><p>So ſah es in den Bürgerhäuſern aus. Es wird<lb/>ſich ja ſchon Alles machen, auch ohne uns, war das<lb/>
Troſtwort. Wie es in den Palläſten der Großen, in<lb/>
den Hotels der Miniſter ausſah?</p><lb/><p>In dem des neuen Miniſters ſaß in dem Zim¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[5/0015]
da, um den Heldentod zu ſterben! Es war ein Brand,
der durch alle Glieder ging, vom Wirbel bis zur
Zeh. Die Entrüſtung fand keine Worte dafür, und
je gebundener die Meinung in dem andern gefeſſelten
Deutſchland war, ſo lauter ſprach ſie ſich in Preußen
aus. Man fühlte, was Freiheit war, und fing an zu
begreifen, daß ſie ein Gut, ein heiliges Menſchenrecht
iſt. Zur Unterſtützung der Familie des ermordeten
Mannes wurden überall im Lande reiche Samm¬
lungen veranſtaltet, und die Regierung ſchritt nicht
ein, weder aus Furcht vor dem Kaiſer, noch wegen
unbefugten Collectirens.
Es war Leben im Lande; aber man ſah es der
praſſelnden, ängſtlichen Geſchäftigkeit an, daß die
Uebung fehlte. Wie jene Bürgerfrau beim großen
Brande der Petrikirche die Borsdorfer Aepfel ſauber
in Papier wickelte, während das Silberzeug auf der
Diele zerſtreut lag, griff man nach dem Entfernten
und ließ das Nächſte liegen. Faſt ein halbes Jahr¬
hundert war vergangen, ſeit Preußen einen Krieg um
ſein Alles geführt! Feinde ringsum, und der Geiſt
verkörperte ſich zur wahrhaft rettenden That. Rings¬
um ſahen ſie jetzt ja keine Feinde, und der Geiſt
fehlte zur That, weil — man ihn noch nicht ſuchte.
So ſah es in den Bürgerhäuſern aus. Es wird
ſich ja ſchon Alles machen, auch ohne uns, war das
Troſtwort. Wie es in den Palläſten der Großen, in
den Hotels der Miniſter ausſah?
In dem des neuen Miniſters ſaß in dem Zim¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/15>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.