lich, zufrieden machen kann? Sie müßten sich auf¬ richtig antworten: Was kann er mir bieten, als ein ganz verwüstetes Leben! Welche Bürgschaft, daß, wenn er sich scheinbar gebessert, er nicht wieder in das alte Sein zurückverfällt, sobald die erste Leiden¬ schaft, die er jetzt Liebe nennt, ausgetobt hat. Und was gebe ich ihm dafür? Den frischen, frommen Sinn einer tugendhaften Jugend, ein blühendes Da¬ sein. Ist er solchen Opfers werth? Kann, ich dies Opfer vor meinem Schöpfer verantworten, der so ausgezeichnete Gaben mir schenkte, nicht um sie weg¬ zuwerfen? Er wird dereinst Rechenschaft darüber fordern. -- Endlich, zugegeben, daß Ihr Herz sich schwach fühlt, daß Sie ihn lieben. Aber Sie sind ein starkes Mädchen, das selbst es ausgesprochen, in einer so ernsten Zeit dürfe man nicht mit Mähr¬ chen tändeln, nicht dem Spiel der Phantasie sich hingeben. "Sein Sie, zeigen Sie sich jetzt stark. Drücken Sie Ihre Hand an das blutende Herz -- ich weiß, daß es blutet, ich kenne auch diesen Schmerz -- aber man kann ihn überwinden! Reichen Sie mir die andere, dann sehn Sie mich mit Ihren klaren Augen, die nicht lügen können, an und sprechen: Ja, ich will entsagen."
So schloß die Königin und hatte vielleicht er¬ wartet, daß Adelheid auf die Knie sinken, ihre Hand an die Lippen pressen, das Gesicht in ihrem Schooß verbergen würde. Gerührt von so vieler Güte und Theilnahme, mußte sie das Gelöbniß stammeln, und
lich, zufrieden machen kann? Sie müßten ſich auf¬ richtig antworten: Was kann er mir bieten, als ein ganz verwüſtetes Leben! Welche Bürgſchaft, daß, wenn er ſich ſcheinbar gebeſſert, er nicht wieder in das alte Sein zurückverfällt, ſobald die erſte Leiden¬ ſchaft, die er jetzt Liebe nennt, ausgetobt hat. Und was gebe ich ihm dafür? Den friſchen, frommen Sinn einer tugendhaften Jugend, ein blühendes Da¬ ſein. Iſt er ſolchen Opfers werth? Kann, ich dies Opfer vor meinem Schöpfer verantworten, der ſo ausgezeichnete Gaben mir ſchenkte, nicht um ſie weg¬ zuwerfen? Er wird dereinſt Rechenſchaft darüber fordern. — Endlich, zugegeben, daß Ihr Herz ſich ſchwach fühlt, daß Sie ihn lieben. Aber Sie ſind ein ſtarkes Mädchen, das ſelbſt es ausgeſprochen, in einer ſo ernſten Zeit dürfe man nicht mit Mähr¬ chen tändeln, nicht dem Spiel der Phantaſie ſich hingeben. „Sein Sie, zeigen Sie ſich jetzt ſtark. Drücken Sie Ihre Hand an das blutende Herz — ich weiß, daß es blutet, ich kenne auch dieſen Schmerz — aber man kann ihn überwinden! Reichen Sie mir die andere, dann ſehn Sie mich mit Ihren klaren Augen, die nicht lügen können, an und ſprechen: Ja, ich will entſagen.“
So ſchloß die Königin und hatte vielleicht er¬ wartet, daß Adelheid auf die Knie ſinken, ihre Hand an die Lippen preſſen, das Geſicht in ihrem Schooß verbergen würde. Gerührt von ſo vieler Güte und Theilnahme, mußte ſie das Gelöbniß ſtammeln, und
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lich, zufrieden machen kann? Sie müßten ſich auf¬
richtig antworten: Was kann er mir bieten, als ein
ganz verwüſtetes Leben! Welche Bürgſchaft, daß,
wenn er ſich ſcheinbar gebeſſert, er nicht wieder in
das alte Sein zurückverfällt, ſobald die erſte Leiden¬
ſchaft, die er jetzt Liebe nennt, ausgetobt hat. Und
was gebe ich ihm dafür? Den friſchen, frommen
Sinn einer tugendhaften Jugend, ein blühendes Da¬
ſein. Iſt er ſolchen Opfers werth? Kann, ich dies
Opfer vor meinem Schöpfer verantworten, der ſo
ausgezeichnete Gaben mir ſchenkte, nicht um ſie weg¬
zuwerfen? Er wird dereinſt Rechenſchaft darüber
fordern. — Endlich, zugegeben, daß Ihr Herz ſich
ſchwach fühlt, daß Sie ihn lieben. Aber Sie ſind
ein ſtarkes Mädchen, das ſelbſt es ausgeſprochen,
in einer ſo ernſten Zeit dürfe man nicht mit Mähr¬
chen tändeln, nicht dem Spiel der Phantaſie ſich
hingeben. „Sein Sie, zeigen Sie ſich jetzt ſtark.
Drücken Sie Ihre Hand an das blutende Herz —
ich weiß, daß es blutet, ich kenne auch dieſen Schmerz
— aber man kann ihn überwinden! Reichen Sie
mir die andere, dann ſehn Sie mich mit Ihren
klaren Augen, die nicht lügen können, an und ſprechen:
Ja, ich will entſagen.“
So ſchloß die Königin und hatte vielleicht er¬
wartet, daß Adelheid auf die Knie ſinken, ihre Hand
an die Lippen preſſen, das Geſicht in ihrem Schooß
verbergen würde. Gerührt von ſo vieler Güte und
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/138>, abgerufen am 23.11.2024.
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