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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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Das Säuseln der Bäume und die größere Ent¬
fernung nahmen die andern Worte fort.

"Wie fühlen Sie sich, meine Liebe? fragte die
Schadow, um ihr Muth zu machen. Nur Geduld,
es wird Alles ganz gut gehen."

"Mich dünkt, die arme Königin ist in großer
Aufregung. Ist denn Graf Hoym jetzt ihr Vertrauter?"

Die Antwort bewies der Kammerfrau wenigstens,
daß Adelheid keines Riechfläschchens bedürfe, um
muthig zu bleiben. Adelheids Mutter hatte ihr die
Tochter anempfohlen, wenn die Gegenwart der Ma¬
jestät das Kind überwältige.

"Die arme Königin! Sie haben Recht, sie so
zu nennen. Ach, unter uns, sie hat Niemand, dem
sie ihr Herz ausschütten könnte."

"Ihr Herz?"

Das war ein kluger Blick, welcher der Kammer¬
frau Muth machte, mehr zu sagen, als Kammerfrauen
eigentlich dürfen.

"Ja, wenn sie ganz ihrem Herzen leben dürfte!
Dafür hat sie ihre Kinder, ihren Gemahl, sich selbst;
aber die großen Staatsangelegenheiten müssen fürch¬
terlich stehen. Das, ich möchte sagen, zersprengt ihr
oft das Herz. Liebe Demoiselle Alltag, ich möchte
Manchen, der die Könige beneidet, einen Blick da
hinein thun lassen, und sie würden Gott danken, daß
sie so glücklich in ihrem Hause sind."

Die Spaziergänger hatten sich umgewendet und
gingen wieder vorüber.

Das Säuſeln der Bäume und die größere Ent¬
fernung nahmen die andern Worte fort.

„Wie fühlen Sie ſich, meine Liebe? fragte die
Schadow, um ihr Muth zu machen. Nur Geduld,
es wird Alles ganz gut gehen.“

„Mich dünkt, die arme Königin iſt in großer
Aufregung. Iſt denn Graf Hoym jetzt ihr Vertrauter?“

Die Antwort bewies der Kammerfrau wenigſtens,
daß Adelheid keines Riechfläſchchens bedürfe, um
muthig zu bleiben. Adelheids Mutter hatte ihr die
Tochter anempfohlen, wenn die Gegenwart der Ma¬
jeſtät das Kind überwältige.

„Die arme Königin! Sie haben Recht, ſie ſo
zu nennen. Ach, unter uns, ſie hat Niemand, dem
ſie ihr Herz ausſchütten könnte.“

„Ihr Herz?“

Das war ein kluger Blick, welcher der Kammer¬
frau Muth machte, mehr zu ſagen, als Kammerfrauen
eigentlich dürfen.

„Ja, wenn ſie ganz ihrem Herzen leben dürfte!
Dafür hat ſie ihre Kinder, ihren Gemahl, ſich ſelbſt;
aber die großen Staatsangelegenheiten müſſen fürch¬
terlich ſtehen. Das, ich möchte ſagen, zerſprengt ihr
oft das Herz. Liebe Demoiſelle Alltag, ich möchte
Manchen, der die Könige beneidet, einen Blick da
hinein thun laſſen, und ſie würden Gott danken, daß
ſie ſo glücklich in ihrem Hauſe ſind.“

Die Spaziergänger hatten ſich umgewendet und
gingen wieder vorüber.

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[100/0110] Das Säuſeln der Bäume und die größere Ent¬ fernung nahmen die andern Worte fort. „Wie fühlen Sie ſich, meine Liebe? fragte die Schadow, um ihr Muth zu machen. Nur Geduld, es wird Alles ganz gut gehen.“ „Mich dünkt, die arme Königin iſt in großer Aufregung. Iſt denn Graf Hoym jetzt ihr Vertrauter?“ Die Antwort bewies der Kammerfrau wenigſtens, daß Adelheid keines Riechfläſchchens bedürfe, um muthig zu bleiben. Adelheids Mutter hatte ihr die Tochter anempfohlen, wenn die Gegenwart der Ma¬ jeſtät das Kind überwältige. „Die arme Königin! Sie haben Recht, ſie ſo zu nennen. Ach, unter uns, ſie hat Niemand, dem ſie ihr Herz ausſchütten könnte.“ „Ihr Herz?“ Das war ein kluger Blick, welcher der Kammer¬ frau Muth machte, mehr zu ſagen, als Kammerfrauen eigentlich dürfen. „Ja, wenn ſie ganz ihrem Herzen leben dürfte! Dafür hat ſie ihre Kinder, ihren Gemahl, ſich ſelbſt; aber die großen Staatsangelegenheiten müſſen fürch¬ terlich ſtehen. Das, ich möchte ſagen, zerſprengt ihr oft das Herz. Liebe Demoiſelle Alltag, ich möchte Manchen, der die Könige beneidet, einen Blick da hinein thun laſſen, und ſie würden Gott danken, daß ſie ſo glücklich in ihrem Hauſe ſind.“ Die Spaziergänger hatten ſich umgewendet und gingen wieder vorüber.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/110>, abgerufen am 23.11.2024.