"Herr Gott, wie Sie zittern! -- Warum denn nicht."
"Weil -- allmächtiger Gott, ich glaube, der Versucher rauscht in den alten Eichen! Nennen Sie das entsagen?"
"Wie denn sonst! Der Versucher, das weiß ich wohl, mit dem hat die Fürstin es zu thun, er vergiftet das Blut, sagt sie, und der sündhafte Gedanke zehrt an der Seele, ein kleiner Fehltritt sei nichts gegen eine große Gedankensünde. Ach, die gute Gargazin ist eine Russin, sie kennt die Liebe nicht, die sich Alles versagt, und nur für den Geliebten sorgt. So, liebe Seele, würden Sie lieben. Wenn Sie den Herrn van Asten heirathen müssen, weil er Ihr Wort hat, thun Sie's, und er wird gewiß ein guter Ehemann werden, besser als meiner. Aber dann, wenn Sie Ihre Pflicht gethan, wer darf Sie von Ihrem Bo¬ villard trennen, o dann werden Sie selig, unaus¬ sprechlich selig werden."
Adelheid fühlte einen Schwindel, es schwankte und drehte sich und ihr war, als müsse sie aus dem Wagen springen. Es war aber mehr als eine Empfin¬ dung der aufgeregten Stimmung. Der Kutscher, wie sich nachher ergab, betrunken, hatte den Wagen aus der Seitenallee in die Chaussee umgelenkt, ohne den Charlottenburger Milchkarren, der leer aber lang¬ sam ihm entgegenfuhr, zu bemerken. Die Fuhrwerke waren an einander gestoßen, freilich zum größern Schaden des Karrens, der zerbrochen am Boden lag,
„Herr Gott, wie Sie zittern! — Warum denn nicht.“
„Weil — allmächtiger Gott, ich glaube, der Verſucher rauſcht in den alten Eichen! Nennen Sie das entſagen?“
„Wie denn ſonſt! Der Verſucher, das weiß ich wohl, mit dem hat die Fürſtin es zu thun, er vergiftet das Blut, ſagt ſie, und der ſündhafte Gedanke zehrt an der Seele, ein kleiner Fehltritt ſei nichts gegen eine große Gedankenſünde. Ach, die gute Gargazin iſt eine Ruſſin, ſie kennt die Liebe nicht, die ſich Alles verſagt, und nur für den Geliebten ſorgt. So, liebe Seele, würden Sie lieben. Wenn Sie den Herrn van Aſten heirathen müſſen, weil er Ihr Wort hat, thun Sie's, und er wird gewiß ein guter Ehemann werden, beſſer als meiner. Aber dann, wenn Sie Ihre Pflicht gethan, wer darf Sie von Ihrem Bo¬ villard trennen, o dann werden Sie ſelig, unaus¬ ſprechlich ſelig werden.“
Adelheid fühlte einen Schwindel, es ſchwankte und drehte ſich und ihr war, als müſſe ſie aus dem Wagen ſpringen. Es war aber mehr als eine Empfin¬ dung der aufgeregten Stimmung. Der Kutſcher, wie ſich nachher ergab, betrunken, hatte den Wagen aus der Seitenallee in die Chauſſee umgelenkt, ohne den Charlottenburger Milchkarren, der leer aber lang¬ ſam ihm entgegenfuhr, zu bemerken. Die Fuhrwerke waren an einander geſtoßen, freilich zum größern Schaden des Karrens, der zerbrochen am Boden lag,
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„Herr Gott, wie Sie zittern! — Warum denn
nicht.“
„Weil — allmächtiger Gott, ich glaube, der
Verſucher rauſcht in den alten Eichen! Nennen Sie
das entſagen?“
„Wie denn ſonſt! Der Verſucher, das weiß ich
wohl, mit dem hat die Fürſtin es zu thun, er vergiftet
das Blut, ſagt ſie, und der ſündhafte Gedanke zehrt
an der Seele, ein kleiner Fehltritt ſei nichts gegen
eine große Gedankenſünde. Ach, die gute Gargazin
iſt eine Ruſſin, ſie kennt die Liebe nicht, die ſich Alles
verſagt, und nur für den Geliebten ſorgt. So, liebe
Seele, würden Sie lieben. Wenn Sie den Herrn
van Aſten heirathen müſſen, weil er Ihr Wort hat,
thun Sie's, und er wird gewiß ein guter Ehemann
werden, beſſer als meiner. Aber dann, wenn Sie
Ihre Pflicht gethan, wer darf Sie von Ihrem Bo¬
villard trennen, o dann werden Sie ſelig, unaus¬
ſprechlich ſelig werden.“
Adelheid fühlte einen Schwindel, es ſchwankte
und drehte ſich und ihr war, als müſſe ſie aus dem
Wagen ſpringen. Es war aber mehr als eine Empfin¬
dung der aufgeregten Stimmung. Der Kutſcher,
wie ſich nachher ergab, betrunken, hatte den Wagen
aus der Seitenallee in die Chauſſee umgelenkt, ohne
den Charlottenburger Milchkarren, der leer aber lang¬
ſam ihm entgegenfuhr, zu bemerken. Die Fuhrwerke
waren an einander geſtoßen, freilich zum größern
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/96>, abgerufen am 23.11.2024.
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