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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Sein Uebermuth war gebrochen, sein Witz stockte,
seine glühenden Augen hafteten auf ihr. Er konnte
dem flüchtigen Beobachter, wenn er sie dann wieder
zu Boden sinken ließ, wie ein verlegener, junger
Mensch bedünken, der zum ersten Mal in eine
Gesellschaft tritt. Und doch war Louis Bovillard
kein Räthsel.

Aber sie, die Eine, welche diese Wirkung auf
den tolldreisten Wüstling geübt! Liebte sie ihn, sie,
die so ruhig und kalt ihm entgegentrat, wie jedem
andern gleichgültigen Gast, seine Verbeugung mit
leichter Grazie erwiedernd, um, nach wenigen ge¬
wechselten Worten über Wärme und Kälte, Wetter
und Wind, Anderen entgegen zu eilen! Wie war sie
da erfreut, schüttelte die Hände, embrassirte die un¬
bedeutendsten und unangenehmen Damen wie nur
theure Jugendfreundinnen. Nur daß sie, plötzlich in Ge¬
danken versunken, auf ihre Ansprache zerstreut ant¬
wortete. Sie mußte nicht recht zugehört haben, sie
verwechselte die Personen. "Eine verzogene kleine
Glücksprinzessin," hatte da wohl eine vornehme
Dame geäußert, die auf specielle Aufmerksamkeit
Anspruch machte. -- "Sie ist wohl destinirt, immer
die Interessante zu spielen," entgegnete eine andere. --
"Sie ist krank, und kränker, als wir denken," sagte
ein Arzt, der berühmte Doctor Marcus Herz, welcher
sie seit einiger Zeit aufmerksam zu beobachten schien.
Auf die Frage: was ihr fehle? entgegnete er: "Was
unserm Staate fehlt, eine heftige Krisis, damit die

Sein Uebermuth war gebrochen, ſein Witz ſtockte,
ſeine glühenden Augen hafteten auf ihr. Er konnte
dem flüchtigen Beobachter, wenn er ſie dann wieder
zu Boden ſinken ließ, wie ein verlegener, junger
Menſch bedünken, der zum erſten Mal in eine
Geſellſchaft tritt. Und doch war Louis Bovillard
kein Räthſel.

Aber ſie, die Eine, welche dieſe Wirkung auf
den tolldreiſten Wüſtling geübt! Liebte ſie ihn, ſie,
die ſo ruhig und kalt ihm entgegentrat, wie jedem
andern gleichgültigen Gaſt, ſeine Verbeugung mit
leichter Grazie erwiedernd, um, nach wenigen ge¬
wechſelten Worten über Wärme und Kälte, Wetter
und Wind, Anderen entgegen zu eilen! Wie war ſie
da erfreut, ſchüttelte die Hände, embraſſirte die un¬
bedeutendſten und unangenehmen Damen wie nur
theure Jugendfreundinnen. Nur daß ſie, plötzlich in Ge¬
danken verſunken, auf ihre Anſprache zerſtreut ant¬
wortete. Sie mußte nicht recht zugehört haben, ſie
verwechſelte die Perſonen. „Eine verzogene kleine
Glücksprinzeſſin,“ hatte da wohl eine vornehme
Dame geäußert, die auf ſpecielle Aufmerkſamkeit
Anſpruch machte. — „Sie iſt wohl deſtinirt, immer
die Intereſſante zu ſpielen,“ entgegnete eine andere. —
„Sie iſt krank, und kränker, als wir denken,“ ſagte
ein Arzt, der berühmte Doctor Marcus Herz, welcher
ſie ſeit einiger Zeit aufmerkſam zu beobachten ſchien.
Auf die Frage: was ihr fehle? entgegnete er: „Was
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[76/0086] Sein Uebermuth war gebrochen, ſein Witz ſtockte, ſeine glühenden Augen hafteten auf ihr. Er konnte dem flüchtigen Beobachter, wenn er ſie dann wieder zu Boden ſinken ließ, wie ein verlegener, junger Menſch bedünken, der zum erſten Mal in eine Geſellſchaft tritt. Und doch war Louis Bovillard kein Räthſel. Aber ſie, die Eine, welche dieſe Wirkung auf den tolldreiſten Wüſtling geübt! Liebte ſie ihn, ſie, die ſo ruhig und kalt ihm entgegentrat, wie jedem andern gleichgültigen Gaſt, ſeine Verbeugung mit leichter Grazie erwiedernd, um, nach wenigen ge¬ wechſelten Worten über Wärme und Kälte, Wetter und Wind, Anderen entgegen zu eilen! Wie war ſie da erfreut, ſchüttelte die Hände, embraſſirte die un¬ bedeutendſten und unangenehmen Damen wie nur theure Jugendfreundinnen. Nur daß ſie, plötzlich in Ge¬ danken verſunken, auf ihre Anſprache zerſtreut ant¬ wortete. Sie mußte nicht recht zugehört haben, ſie verwechſelte die Perſonen. „Eine verzogene kleine Glücksprinzeſſin,“ hatte da wohl eine vornehme Dame geäußert, die auf ſpecielle Aufmerkſamkeit Anſpruch machte. — „Sie iſt wohl deſtinirt, immer die Intereſſante zu ſpielen,“ entgegnete eine andere. — „Sie iſt krank, und kränker, als wir denken,“ ſagte ein Arzt, der berühmte Doctor Marcus Herz, welcher ſie ſeit einiger Zeit aufmerkſam zu beobachten ſchien. Auf die Frage: was ihr fehle? entgegnete er: „Was unſerm Staate fehlt, eine heftige Kriſis, damit die

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/86>, abgerufen am 27.11.2024.