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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Das war ein wüster Blick in dem Auge, sein letzter,
das war ein Schrei aus tiefer Brust, auch sein
letzter: "Weib! es ist falsch -- Alles falsch!"

"Alles ist falsch!" antwortete sie tonlos.

Er hatte nicht mehr die Antwort gehört. Er lag auf
der Diele, er hatte ausgelitten. Der Kater war vom
Tisch gesprungen und bäumte sich über den Leichnam.
Die Geheimräthin irrte in der Stube umher und
konnte den Spiegel nicht finden. Als sie ihn ge¬
funden, konnte sie nichts drin sehen. Sie rieb und
rieb, aber der Spiegel blieb blind. "Mein Gott, ich
muß doch die Wahrheit sehen!" rief sie, und suchte
nach einem Tuche. Jetzt meinte sie, der letzte Hauch
sei abgerieben. Sie sah sich und sie sah sich nicht.
"Allmächtiger!" --!" schrie sie auf und preßte die
Hände über ihren Scheitel. Diese Bewegung sah
sie, aber sonst nur Umrisse. Umsonst quollen die
Augäpfel aus den Höhlungen hervor. Mit einem neuen,
entsetzlichen Schrei fuhr sie zurück. Die Gestalt im
Spiegel fuhr auch zurück: "Ich bin ja hohl!" Es
war ein heulender Ton.

Ihr Diener fand sie nachher halb auf der Erde
liegend, den Kopf auf's Sopha gefallen. Sie sträubte
sich verzweifelt, als man sie in's Bett bringen
wollte, und rief ein Mal über das andere, man
werde gewiß nichts finden.



Druck von Eduard Krause in Berlin.

Das war ein wüſter Blick in dem Auge, ſein letzter,
das war ein Schrei aus tiefer Bruſt, auch ſein
letzter: „Weib! es iſt falſch — Alles falſch!“

„Alles iſt falſch!“ antwortete ſie tonlos.

Er hatte nicht mehr die Antwort gehört. Er lag auf
der Diele, er hatte ausgelitten. Der Kater war vom
Tiſch geſprungen und bäumte ſich über den Leichnam.
Die Geheimräthin irrte in der Stube umher und
konnte den Spiegel nicht finden. Als ſie ihn ge¬
funden, konnte ſie nichts drin ſehen. Sie rieb und
rieb, aber der Spiegel blieb blind. „Mein Gott, ich
muß doch die Wahrheit ſehen!“ rief ſie, und ſuchte
nach einem Tuche. Jetzt meinte ſie, der letzte Hauch
ſei abgerieben. Sie ſah ſich und ſie ſah ſich nicht.
„Allmächtiger!“ —!“ ſchrie ſie auf und preßte die
Hände über ihren Scheitel. Dieſe Bewegung ſah
ſie, aber ſonſt nur Umriſſe. Umſonſt quollen die
Augäpfel aus den Höhlungen hervor. Mit einem neuen,
entſetzlichen Schrei fuhr ſie zurück. Die Geſtalt im
Spiegel fuhr auch zurück: „Ich bin ja hohl!“ Es
war ein heulender Ton.

Ihr Diener fand ſie nachher halb auf der Erde
liegend, den Kopf auf's Sopha gefallen. Sie ſträubte
ſich verzweifelt, als man ſie in's Bett bringen
wollte, und rief ein Mal über das andere, man
werde gewiß nichts finden.



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[352/0362] Das war ein wüſter Blick in dem Auge, ſein letzter, das war ein Schrei aus tiefer Bruſt, auch ſein letzter: „Weib! es iſt falſch — Alles falſch!“ „Alles iſt falſch!“ antwortete ſie tonlos. Er hatte nicht mehr die Antwort gehört. Er lag auf der Diele, er hatte ausgelitten. Der Kater war vom Tiſch geſprungen und bäumte ſich über den Leichnam. Die Geheimräthin irrte in der Stube umher und konnte den Spiegel nicht finden. Als ſie ihn ge¬ funden, konnte ſie nichts drin ſehen. Sie rieb und rieb, aber der Spiegel blieb blind. „Mein Gott, ich muß doch die Wahrheit ſehen!“ rief ſie, und ſuchte nach einem Tuche. Jetzt meinte ſie, der letzte Hauch ſei abgerieben. Sie ſah ſich und ſie ſah ſich nicht. „Allmächtiger!“ —!“ ſchrie ſie auf und preßte die Hände über ihren Scheitel. Dieſe Bewegung ſah ſie, aber ſonſt nur Umriſſe. Umſonſt quollen die Augäpfel aus den Höhlungen hervor. Mit einem neuen, entſetzlichen Schrei fuhr ſie zurück. Die Geſtalt im Spiegel fuhr auch zurück: „Ich bin ja hohl!“ Es war ein heulender Ton. Ihr Diener fand ſie nachher halb auf der Erde liegend, den Kopf auf's Sopha gefallen. Sie ſträubte ſich verzweifelt, als man ſie in's Bett bringen wollte, und rief ein Mal über das andere, man werde gewiß nichts finden. Druck von Eduard Krauſe in Berlin.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/362>, abgerufen am 23.11.2024.