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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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sie thöricht waren, sich für Andere martern zu lassen.
Wir würden es für uns. Sie versprechen es mir,
Schwester im Bunde, ewig zu schweigen, ich schweige
auch. Darauf einen Bruderkuß!"

Er war fort; seine letzten Tritte verhallten auf der
Treppe. Sie hörte die Hausthür öffnen, zuschlagen.
Aber er war noch bei ihr. Sein Bruderkuß brannte jetzt
wie Feuer, jetzt wie Eis. Sie war gebrandmarkt, der
Druck des Stempels drang von der Stirn bis in's
Herz; sie fühlte ihn von den Fingerspitzen bis zur Zeh.

Warum bin ich ein Weib! lachte es in ihr.
Vergeltung! -- Ohnmacht! -- So viel kleine Opfer,
und der Dämon selbst, sein Hohngelächter zitterte
in der Luft, er umschwirrte sie, unerreichbar. -- Und
hätte er zu ihren Füßen gelegen, ohnmächtig, ge¬
bunden, woher denn Marterwerkzeuge nehmen, die
ihren Rachedurst gestillt! Welche Schmerzen konnten
das Maaß ihrer Schmerzen ausgleichen! -- Und durfte
sie's? -- Ein Laut, ein Schrei, ein Wort des Ge¬
marterten, und die Klingeln und Glocken hätten in den
Lüften geklungen, geklungen bis an's Ende der Welt,
wo Gerechtigkeit ist. -- Wo ist denn Gerechtigkeit! - -

"Nein, sie war noch an ihn gekettet an einer
feinen, unsichtbaren Stahlkette -- jede Rachezückung
und sie vibrirte wieder, electrisch, in ihm, er hob die
Faust -- nein, er lachte sie nur an, mit seinen
Hayfischzähnen: Wenn mich, vernichtest Du Dich! --
Zu entsetzlich, er war, er blieb ihr unsichtbarer
Bundesgenoß. -- Wer in diese Strudel trieb, muß

ſie thöricht waren, ſich für Andere martern zu laſſen.
Wir würden es für uns. Sie verſprechen es mir,
Schweſter im Bunde, ewig zu ſchweigen, ich ſchweige
auch. Darauf einen Bruderkuß!“

Er war fort; ſeine letzten Tritte verhallten auf der
Treppe. Sie hörte die Hausthür öffnen, zuſchlagen.
Aber er war noch bei ihr. Sein Bruderkuß brannte jetzt
wie Feuer, jetzt wie Eis. Sie war gebrandmarkt, der
Druck des Stempels drang von der Stirn bis in's
Herz; ſie fühlte ihn von den Fingerſpitzen bis zur Zeh.

Warum bin ich ein Weib! lachte es in ihr.
Vergeltung! — Ohnmacht! — So viel kleine Opfer,
und der Dämon ſelbſt, ſein Hohngelächter zitterte
in der Luft, er umſchwirrte ſie, unerreichbar. — Und
hätte er zu ihren Füßen gelegen, ohnmächtig, ge¬
bunden, woher denn Marterwerkzeuge nehmen, die
ihren Rachedurſt geſtillt! Welche Schmerzen konnten
das Maaß ihrer Schmerzen ausgleichen! — Und durfte
ſie's? — Ein Laut, ein Schrei, ein Wort des Ge¬
marterten, und die Klingeln und Glocken hätten in den
Lüften geklungen, geklungen bis an's Ende der Welt,
wo Gerechtigkeit iſt. — Wo iſt denn Gerechtigkeit! – –

„Nein, ſie war noch an ihn gekettet an einer
feinen, unſichtbaren Stahlkette — jede Rachezückung
und ſie vibrirte wieder, electriſch, in ihm, er hob die
Fauſt — nein, er lachte ſie nur an, mit ſeinen
Hayfiſchzähnen: Wenn mich, vernichteſt Du Dich! —
Zu entſetzlich, er war, er blieb ihr unſichtbarer
Bundesgenoß. — Wer in dieſe Strudel trieb, muß

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[350/0360] ſie thöricht waren, ſich für Andere martern zu laſſen. Wir würden es für uns. Sie verſprechen es mir, Schweſter im Bunde, ewig zu ſchweigen, ich ſchweige auch. Darauf einen Bruderkuß!“ Er war fort; ſeine letzten Tritte verhallten auf der Treppe. Sie hörte die Hausthür öffnen, zuſchlagen. Aber er war noch bei ihr. Sein Bruderkuß brannte jetzt wie Feuer, jetzt wie Eis. Sie war gebrandmarkt, der Druck des Stempels drang von der Stirn bis in's Herz; ſie fühlte ihn von den Fingerſpitzen bis zur Zeh. Warum bin ich ein Weib! lachte es in ihr. Vergeltung! — Ohnmacht! — So viel kleine Opfer, und der Dämon ſelbſt, ſein Hohngelächter zitterte in der Luft, er umſchwirrte ſie, unerreichbar. — Und hätte er zu ihren Füßen gelegen, ohnmächtig, ge¬ bunden, woher denn Marterwerkzeuge nehmen, die ihren Rachedurſt geſtillt! Welche Schmerzen konnten das Maaß ihrer Schmerzen ausgleichen! — Und durfte ſie's? — Ein Laut, ein Schrei, ein Wort des Ge¬ marterten, und die Klingeln und Glocken hätten in den Lüften geklungen, geklungen bis an's Ende der Welt, wo Gerechtigkeit iſt. — Wo iſt denn Gerechtigkeit! – – „Nein, ſie war noch an ihn gekettet an einer feinen, unſichtbaren Stahlkette — jede Rachezückung und ſie vibrirte wieder, electriſch, in ihm, er hob die Fauſt — nein, er lachte ſie nur an, mit ſeinen Hayfiſchzähnen: Wenn mich, vernichteſt Du Dich! — Zu entſetzlich, er war, er blieb ihr unſichtbarer Bundesgenoß. — Wer in dieſe Strudel trieb, muß

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/360>, abgerufen am 23.11.2024.