"Wird kein Narr gewesen sein! Auf Höhe dessen hatte er sich vorher auf mein Haus in der Span¬ dauerstraße intabuliren lassen. Jedes Kind sieht nun ein, daß ich mit Excellenz nicht die Schuld eines Schreibfehlers halbiren kann, und Excellenz haben zwar einen vortrefflichen Magen, aber die Hälfte von meinem Wein trinkt auch er nicht aus."
Eine Pause trat ein. Der Legationsrath blickte mit verschränkten Armen vor sich nieder:
"Ihre Lage ist traurig, aber nur wer sich selbst aufgiebt, ist verloren. Die Weine unter dem Steuer¬ verschluß, gleichviel ob hier oder in Stettin, sind ein todtes Kapital, welches das größte Haus ruiniren könnte. Darüber täusche ich mich nicht; täuschen Sie sich auch nicht, mein Freund. Wechselprolongationen auf den Credit eines einmal erschütterten Hauses, Moratorien, die Ihre Gönner Ihnen verschaffen möchten, sind mißliche Auskunftsmittel. Selbst müssen Sie sich helfen."
"Ich denke schon daran."
"Nichts Kleines. Um Gotteswillen das nicht. Ein Verschwender, der die Groschen zusammenzu¬ scharren anfängt, ist verloren. Er muß auf's Neue verschwenden, um die Verschwendung zu verstecken. Das todte Kapital muß flüssig gemacht, der Wein ausgetrunken werden. Das können Sie durch Ihre Verbindungen -- ich sage Ihnen, es ist möglich."
Der Kaufmann sah ihn pfiffig an: "Etwa eine Kabinetsordre extrahiren, daß Jedermann zur Stär¬
„Wird kein Narr geweſen ſein! Auf Höhe deſſen hatte er ſich vorher auf mein Haus in der Span¬ dauerſtraße intabuliren laſſen. Jedes Kind ſieht nun ein, daß ich mit Excellenz nicht die Schuld eines Schreibfehlers halbiren kann, und Excellenz haben zwar einen vortrefflichen Magen, aber die Hälfte von meinem Wein trinkt auch er nicht aus.“
Eine Pauſe trat ein. Der Legationsrath blickte mit verſchränkten Armen vor ſich nieder:
„Ihre Lage iſt traurig, aber nur wer ſich ſelbſt aufgiebt, iſt verloren. Die Weine unter dem Steuer¬ verſchluß, gleichviel ob hier oder in Stettin, ſind ein todtes Kapital, welches das größte Haus ruiniren könnte. Darüber täuſche ich mich nicht; täuſchen Sie ſich auch nicht, mein Freund. Wechſelprolongationen auf den Credit eines einmal erſchütterten Hauſes, Moratorien, die Ihre Gönner Ihnen verſchaffen möchten, ſind mißliche Auskunftsmittel. Selbſt müſſen Sie ſich helfen.“
„Ich denke ſchon daran.“
„Nichts Kleines. Um Gotteswillen das nicht. Ein Verſchwender, der die Groſchen zuſammenzu¬ ſcharren anfängt, iſt verloren. Er muß auf's Neue verſchwenden, um die Verſchwendung zu verſtecken. Das todte Kapital muß flüſſig gemacht, der Wein ausgetrunken werden. Das können Sie durch Ihre Verbindungen — ich ſage Ihnen, es iſt möglich.“
Der Kaufmann ſah ihn pfiffig an: „Etwa eine Kabinetsordre extrahiren, daß Jedermann zur Stär¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0323"n="313"/><p>„Wird kein Narr geweſen ſein! Auf Höhe deſſen<lb/>
hatte er ſich vorher auf mein Haus in der Span¬<lb/>
dauerſtraße intabuliren laſſen. Jedes Kind ſieht<lb/>
nun ein, daß ich mit Excellenz nicht die Schuld<lb/>
eines Schreibfehlers halbiren kann, und Excellenz<lb/>
haben zwar einen vortrefflichen Magen, aber die<lb/>
Hälfte von meinem Wein trinkt auch er nicht aus.“</p><lb/><p>Eine Pauſe trat ein. Der Legationsrath blickte<lb/>
mit verſchränkten Armen vor ſich nieder:</p><lb/><p>„Ihre Lage iſt traurig, aber nur wer ſich ſelbſt<lb/>
aufgiebt, iſt verloren. Die Weine unter dem Steuer¬<lb/>
verſchluß, gleichviel ob hier oder in Stettin, ſind<lb/>
ein todtes Kapital, welches das größte Haus ruiniren<lb/>
könnte. Darüber täuſche ich mich nicht; täuſchen Sie<lb/>ſich auch nicht, mein Freund. Wechſelprolongationen<lb/>
auf den Credit eines einmal erſchütterten Hauſes,<lb/>
Moratorien, die Ihre Gönner Ihnen verſchaffen möchten,<lb/>ſind mißliche Auskunftsmittel. Selbſt müſſen Sie<lb/>ſich helfen.“</p><lb/><p>„Ich denke ſchon daran.“</p><lb/><p>„Nichts Kleines. Um Gotteswillen das nicht.<lb/>
Ein Verſchwender, der die Groſchen zuſammenzu¬<lb/>ſcharren anfängt, iſt verloren. Er muß auf's Neue<lb/>
verſchwenden, um die Verſchwendung zu verſtecken.<lb/>
Das todte Kapital muß flüſſig gemacht, der Wein<lb/>
ausgetrunken werden. Das können Sie durch Ihre<lb/>
Verbindungen — ich ſage Ihnen, es iſt möglich.“</p><lb/><p>Der Kaufmann ſah ihn pfiffig an: „Etwa eine<lb/>
Kabinetsordre extrahiren, daß Jedermann zur Stär¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[313/0323]
„Wird kein Narr geweſen ſein! Auf Höhe deſſen
hatte er ſich vorher auf mein Haus in der Span¬
dauerſtraße intabuliren laſſen. Jedes Kind ſieht
nun ein, daß ich mit Excellenz nicht die Schuld
eines Schreibfehlers halbiren kann, und Excellenz
haben zwar einen vortrefflichen Magen, aber die
Hälfte von meinem Wein trinkt auch er nicht aus.“
Eine Pauſe trat ein. Der Legationsrath blickte
mit verſchränkten Armen vor ſich nieder:
„Ihre Lage iſt traurig, aber nur wer ſich ſelbſt
aufgiebt, iſt verloren. Die Weine unter dem Steuer¬
verſchluß, gleichviel ob hier oder in Stettin, ſind
ein todtes Kapital, welches das größte Haus ruiniren
könnte. Darüber täuſche ich mich nicht; täuſchen Sie
ſich auch nicht, mein Freund. Wechſelprolongationen
auf den Credit eines einmal erſchütterten Hauſes,
Moratorien, die Ihre Gönner Ihnen verſchaffen möchten,
ſind mißliche Auskunftsmittel. Selbſt müſſen Sie
ſich helfen.“
„Ich denke ſchon daran.“
„Nichts Kleines. Um Gotteswillen das nicht.
Ein Verſchwender, der die Groſchen zuſammenzu¬
ſcharren anfängt, iſt verloren. Er muß auf's Neue
verſchwenden, um die Verſchwendung zu verſtecken.
Das todte Kapital muß flüſſig gemacht, der Wein
ausgetrunken werden. Das können Sie durch Ihre
Verbindungen — ich ſage Ihnen, es iſt möglich.“
Der Kaufmann ſah ihn pfiffig an: „Etwa eine
Kabinetsordre extrahiren, daß Jedermann zur Stär¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/323>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.