gespannt. Aber die Andre, o mein Geliebter, ich fühle das Gift, daß sie in meine Adern sprützte, es schleicht noch jetzt, es zehrt noch."
"Die Geheimräthin wollte Dir wohl!"
"Sie will, sie kann Niemand wohl wollen, glaube es mir, Louis. Sie hat kein Herz; darum wird ihr unwohl, wo ein Herz warm schlägt. Ich las von einem Gespensterthier, das Nachts sich auf die Schlafenden legt und das Blut ihnen aussaugt. Sie saugt auch das Blut aus, mit ihren spitzen Reden, ihren spitzen Blicken. Ich wäre schlecht geworden, Louis, das fühle ich, ich ward schon eine Andre, wie ein in Eis getauchtes Tuch warf sie's um die Brust, wenn edlere Empfindungen auf¬ zückten."
"Was wollte sie mit Dir?"
"Martern will sie, sie muß martern, was glück¬ licher ist. Sie konnte den Kanarienvogel quälen, wenn er zu lustig schmetterte; sie beneidete das arme Thier im Käfig, sie marterte ihre Domestiken, ihren Mann, sich selbst auch, wenn sie sich ertappte, daß sie lebhafter gewesen, als sie scheinen wollte. O Lieb¬ ster, es ist entsetzlich, wenn ich daran denke, ein Traum, und mich schaudert, er ist vielleicht noch gräßlicher, als ich zu träumen wagte!"
"Und alle Welt bewundert sie."
"Die Welt hat Recht. Diese Frau und dieser Mann dazu --"
"Welcher?"
geſpannt. Aber die Andre, o mein Geliebter, ich fühle das Gift, daß ſie in meine Adern ſprützte, es ſchleicht noch jetzt, es zehrt noch.“
„Die Geheimräthin wollte Dir wohl!“
„Sie will, ſie kann Niemand wohl wollen, glaube es mir, Louis. Sie hat kein Herz; darum wird ihr unwohl, wo ein Herz warm ſchlägt. Ich las von einem Geſpenſterthier, das Nachts ſich auf die Schlafenden legt und das Blut ihnen ausſaugt. Sie ſaugt auch das Blut aus, mit ihren ſpitzen Reden, ihren ſpitzen Blicken. Ich wäre ſchlecht geworden, Louis, das fühle ich, ich ward ſchon eine Andre, wie ein in Eis getauchtes Tuch warf ſie's um die Bruſt, wenn edlere Empfindungen auf¬ zückten.“
„Was wollte ſie mit Dir?“
„Martern will ſie, ſie muß martern, was glück¬ licher iſt. Sie konnte den Kanarienvogel quälen, wenn er zu luſtig ſchmetterte; ſie beneidete das arme Thier im Käfig, ſie marterte ihre Domeſtiken, ihren Mann, ſich ſelbſt auch, wenn ſie ſich ertappte, daß ſie lebhafter geweſen, als ſie ſcheinen wollte. O Lieb¬ ſter, es iſt entſetzlich, wenn ich daran denke, ein Traum, und mich ſchaudert, er iſt vielleicht noch gräßlicher, als ich zu träumen wagte!“
„Und alle Welt bewundert ſie.“
„Die Welt hat Recht. Dieſe Frau und dieſer Mann dazu —“
„Welcher?“
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geſpannt. Aber die Andre, o mein Geliebter, ich
fühle das Gift, daß ſie in meine Adern ſprützte,
es ſchleicht noch jetzt, es zehrt noch.“
„Die Geheimräthin wollte Dir wohl!“
„Sie will, ſie kann Niemand wohl wollen,
glaube es mir, Louis. Sie hat kein Herz; darum
wird ihr unwohl, wo ein Herz warm ſchlägt. Ich
las von einem Geſpenſterthier, das Nachts ſich auf
die Schlafenden legt und das Blut ihnen ausſaugt.
Sie ſaugt auch das Blut aus, mit ihren ſpitzen
Reden, ihren ſpitzen Blicken. Ich wäre ſchlecht
geworden, Louis, das fühle ich, ich ward ſchon
eine Andre, wie ein in Eis getauchtes Tuch warf
ſie's um die Bruſt, wenn edlere Empfindungen auf¬
zückten.“
„Was wollte ſie mit Dir?“
„Martern will ſie, ſie muß martern, was glück¬
licher iſt. Sie konnte den Kanarienvogel quälen,
wenn er zu luſtig ſchmetterte; ſie beneidete das arme
Thier im Käfig, ſie marterte ihre Domeſtiken, ihren
Mann, ſich ſelbſt auch, wenn ſie ſich ertappte, daß
ſie lebhafter geweſen, als ſie ſcheinen wollte. O Lieb¬
ſter, es iſt entſetzlich, wenn ich daran denke, ein
Traum, und mich ſchaudert, er iſt vielleicht noch
gräßlicher, als ich zu träumen wagte!“
„Und alle Welt bewundert ſie.“
„Die Welt hat Recht. Dieſe Frau und dieſer
Mann dazu —“
„Welcher?“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/288>, abgerufen am 17.07.2024.
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