Im Hause der Fürstin hatte sich seit jenem Gesellschaftsabend Vieles ereignet, von dem wir nicht Zeuge waren; es drückte sich auf den Physiognomien ab. Adelheid war heut beim Theetisch eine Hebe; sie ging nicht, sie schwebte. Sie schien fortwährend zu singen. Man hörte es nicht, aber man fühlte es. Ihr Gesicht hatte einen andern Ausdruck.
Der Legationsrath bemerkte es gegen die Fürstin.
"Ei! sagte die Gargazin mit einem besondern Blick. Ich glaubte, dafür hätten Sie keine Augen?"
"Für die Schönheit!"
"Nur für die, welche Sie zergliedern können. Adelheid giebt das den Reiz, was Sie nicht lieben, die Harmonie der Seligkeit."
"Ein Nebelbild!"
Wandel blickte dabei scharf aber ruhig auf Louis Bovillard, der in sich versunken im Fauteuil aß, und die Theetasse mit einem verstohlenen Kuß auf die Hand hinnahm, welche sie ihm reichte. Die
17*
Siebzehntes Kapitel. Ein volles Bekenntniß.
Im Hauſe der Fürſtin hatte ſich ſeit jenem Geſellſchaftsabend Vieles ereignet, von dem wir nicht Zeuge waren; es drückte ſich auf den Phyſiognomien ab. Adelheid war heut beim Theetiſch eine Hebe; ſie ging nicht, ſie ſchwebte. Sie ſchien fortwährend zu ſingen. Man hörte es nicht, aber man fühlte es. Ihr Geſicht hatte einen andern Ausdruck.
Der Legationsrath bemerkte es gegen die Fürſtin.
„Ei! ſagte die Gargazin mit einem beſondern Blick. Ich glaubte, dafür hätten Sie keine Augen?“
„Für die Schönheit!“
„Nur für die, welche Sie zergliedern können. Adelheid giebt das den Reiz, was Sie nicht lieben, die Harmonie der Seligkeit.“
„Ein Nebelbild!“
Wandel blickte dabei ſcharf aber ruhig auf Louis Bovillard, der in ſich verſunken im Fauteuil aß, und die Theetaſſe mit einem verſtohlenen Kuß auf die Hand hinnahm, welche ſie ihm reichte. Die
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Siebzehntes Kapitel.
Ein volles Bekenntniß.
Im Hauſe der Fürſtin hatte ſich ſeit jenem
Geſellſchaftsabend Vieles ereignet, von dem wir nicht
Zeuge waren; es drückte ſich auf den Phyſiognomien
ab. Adelheid war heut beim Theetiſch eine Hebe;
ſie ging nicht, ſie ſchwebte. Sie ſchien fortwährend
zu ſingen. Man hörte es nicht, aber man fühlte es.
Ihr Geſicht hatte einen andern Ausdruck.
Der Legationsrath bemerkte es gegen die Fürſtin.
„Ei! ſagte die Gargazin mit einem beſondern
Blick. Ich glaubte, dafür hätten Sie keine Augen?“
„Für die Schönheit!“
„Nur für die, welche Sie zergliedern können.
Adelheid giebt das den Reiz, was Sie nicht lieben,
die Harmonie der Seligkeit.“
„Ein Nebelbild!“
Wandel blickte dabei ſcharf aber ruhig auf
Louis Bovillard, der in ſich verſunken im Fauteuil
aß, und die Theetaſſe mit einem verſtohlenen Kuß
auf die Hand hinnahm, welche ſie ihm reichte. Die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. [259]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/269>, abgerufen am 08.07.2024.
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