häusern über Deutschlands Unglück, sang er Lieder zur Guitarre, zum Ruhm seines unvergänglichen Vaterlandes, damit die Römerinnen dem blondhaari¬ gen Schwärmer Bravo klatschten? Er schwieg und hatte die Augen auf, er schwieg und diente, um zu lernen, er schwieg und sammelte Haß und Haß, bis es ein Stock ward, den Feind zu zermalmen. -- Wir sind herabgedrückt, entwürdigt, bis zu dieser Lage, fuhr der Minister nach einer Pause fort; aber noch schlimmer als die wirkliche Thatsache, wenn wir sie uns zu verbergen suchen. Offen es uns selbst eingestanden, das ist der erste unerläßliche Schritt zur Rettung. Mir graut vor diesem Bramarbasiren, vor diesem Cornetsdünkel. Ich liebe die stillen Men¬ schen, die sich des Urtheils enthalten, weil ich denke, sie könnten doch Vernünftiges denken, wo die lauten Denker nur Unsinn zu Tage bringen."
Der Minister hatte ausgesprochen. Er ging noch in Aufregung umher, aber sein Blick forderte unsern Freund auf, seine Meinung auszusprechen.
"Einige, dünkt mich, sind still aus Ueberzeugung, weil ihre Ansicht nicht verstanden würde, Andere aus Furcht, die Mehrzahl aber, meine ich, aus Specu¬ lation, um sich nicht zu compromittiren, wenn die Dinge anders ausschlagen, als sie berechnet hatten."
"So kennen Sie Wandel?" fragte der Minister scharf, vor ihm stehen bleibend.
"Ich sehe ungern in dies unbewegliche Gesicht."
"Das stimmt mit Fuchsius. Weiter!"
häuſern über Deutſchlands Unglück, ſang er Lieder zur Guitarre, zum Ruhm ſeines unvergänglichen Vaterlandes, damit die Römerinnen dem blondhaari¬ gen Schwärmer Bravo klatſchten? Er ſchwieg und hatte die Augen auf, er ſchwieg und diente, um zu lernen, er ſchwieg und ſammelte Haß und Haß, bis es ein Stock ward, den Feind zu zermalmen. — Wir ſind herabgedrückt, entwürdigt, bis zu dieſer Lage, fuhr der Miniſter nach einer Pauſe fort; aber noch ſchlimmer als die wirkliche Thatſache, wenn wir ſie uns zu verbergen ſuchen. Offen es uns ſelbſt eingeſtanden, das iſt der erſte unerläßliche Schritt zur Rettung. Mir graut vor dieſem Bramarbaſiren, vor dieſem Cornetsdünkel. Ich liebe die ſtillen Men¬ ſchen, die ſich des Urtheils enthalten, weil ich denke, ſie könnten doch Vernünftiges denken, wo die lauten Denker nur Unſinn zu Tage bringen.“
Der Miniſter hatte ausgeſprochen. Er ging noch in Aufregung umher, aber ſein Blick forderte unſern Freund auf, ſeine Meinung auszuſprechen.
„Einige, dünkt mich, ſind ſtill aus Ueberzeugung, weil ihre Anſicht nicht verſtanden würde, Andere aus Furcht, die Mehrzahl aber, meine ich, aus Specu¬ lation, um ſich nicht zu compromittiren, wenn die Dinge anders ausſchlagen, als ſie berechnet hatten.“
„So kennen Sie Wandel?“ fragte der Miniſter ſcharf, vor ihm ſtehen bleibend.
„Ich ſehe ungern in dies unbewegliche Geſicht.“
„Das ſtimmt mit Fuchſius. Weiter!“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0243"n="233"/>
häuſern über Deutſchlands Unglück, ſang er Lieder<lb/>
zur Guitarre, zum Ruhm ſeines unvergänglichen<lb/>
Vaterlandes, damit die Römerinnen dem blondhaari¬<lb/>
gen Schwärmer Bravo klatſchten? Er ſchwieg und<lb/>
hatte die Augen auf, er ſchwieg und diente, um zu<lb/>
lernen, er ſchwieg und ſammelte Haß und Haß, bis<lb/>
es ein Stock ward, den Feind zu zermalmen. —<lb/>
Wir ſind herabgedrückt, entwürdigt, bis zu dieſer<lb/>
Lage, fuhr der Miniſter nach einer Pauſe fort; aber<lb/>
noch ſchlimmer als die wirkliche Thatſache, wenn wir<lb/>ſie uns zu verbergen ſuchen. Offen es uns ſelbſt<lb/>
eingeſtanden, das iſt der erſte unerläßliche Schritt<lb/>
zur Rettung. Mir graut vor dieſem Bramarbaſiren,<lb/>
vor dieſem Cornetsdünkel. Ich liebe die ſtillen Men¬<lb/>ſchen, die ſich des Urtheils enthalten, weil ich denke,<lb/>ſie könnten doch Vernünftiges denken, wo die lauten<lb/>
Denker nur Unſinn zu Tage bringen.“</p><lb/><p>Der Miniſter hatte ausgeſprochen. Er ging noch<lb/>
in Aufregung umher, aber ſein Blick forderte unſern<lb/>
Freund auf, ſeine Meinung auszuſprechen.</p><lb/><p>„Einige, dünkt mich, ſind ſtill aus Ueberzeugung,<lb/>
weil ihre Anſicht nicht verſtanden würde, Andere aus<lb/>
Furcht, die Mehrzahl aber, meine ich, aus Specu¬<lb/>
lation, um ſich nicht zu compromittiren, wenn die<lb/>
Dinge anders ausſchlagen, als ſie berechnet hatten.“<lb/></p><p>„So kennen Sie Wandel?“ fragte der Miniſter<lb/>ſcharf, vor ihm ſtehen bleibend.</p><lb/><p>„Ich ſehe ungern in dies unbewegliche Geſicht.“</p><lb/><p>„Das ſtimmt mit Fuchſius. Weiter!“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[233/0243]
häuſern über Deutſchlands Unglück, ſang er Lieder
zur Guitarre, zum Ruhm ſeines unvergänglichen
Vaterlandes, damit die Römerinnen dem blondhaari¬
gen Schwärmer Bravo klatſchten? Er ſchwieg und
hatte die Augen auf, er ſchwieg und diente, um zu
lernen, er ſchwieg und ſammelte Haß und Haß, bis
es ein Stock ward, den Feind zu zermalmen. —
Wir ſind herabgedrückt, entwürdigt, bis zu dieſer
Lage, fuhr der Miniſter nach einer Pauſe fort; aber
noch ſchlimmer als die wirkliche Thatſache, wenn wir
ſie uns zu verbergen ſuchen. Offen es uns ſelbſt
eingeſtanden, das iſt der erſte unerläßliche Schritt
zur Rettung. Mir graut vor dieſem Bramarbaſiren,
vor dieſem Cornetsdünkel. Ich liebe die ſtillen Men¬
ſchen, die ſich des Urtheils enthalten, weil ich denke,
ſie könnten doch Vernünftiges denken, wo die lauten
Denker nur Unſinn zu Tage bringen.“
Der Miniſter hatte ausgeſprochen. Er ging noch
in Aufregung umher, aber ſein Blick forderte unſern
Freund auf, ſeine Meinung auszuſprechen.
„Einige, dünkt mich, ſind ſtill aus Ueberzeugung,
weil ihre Anſicht nicht verſtanden würde, Andere aus
Furcht, die Mehrzahl aber, meine ich, aus Specu¬
lation, um ſich nicht zu compromittiren, wenn die
Dinge anders ausſchlagen, als ſie berechnet hatten.“
„So kennen Sie Wandel?“ fragte der Miniſter
ſcharf, vor ihm ſtehen bleibend.
„Ich ſehe ungern in dies unbewegliche Geſicht.“
„Das ſtimmt mit Fuchſius. Weiter!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/243>, abgerufen am 28.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.