Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Charlotte ein, manche Leute haben einen sehr großen
Mund, und sehen Wunder wie aus, Sonntags vor'm
Brandenburger Thor, wo sie keiner kennt, aber vor'm
Hamburger Thor kennt man sie auch." -- "Vor'm Ham¬
burger Thor!" schrie die Eine. "Vor'm Hamburger Thor!
wiederholte die Andre! Da hätte man Sie ja raus ge¬
schmissen, Knall und Fall, wenn's nicht der Herr Wacht¬
meister gewesen wäre." -- "Mit Schmiedegesellen geben
wir uns allerdings nicht ab, trumpfte Charlotte drein,
die sind uns zu rußig!" -- "Sie ist ja eine Köchin!"
fuhr die jüngste auf. "Eine Geheimrathsköchin! Und eine
für Alles!" Die ursprünglichen Parteien waren auf¬
gelöst, vermischt; es gab nur einen gemeinsamen
Kampf gegen die im Wagen Sitzenden. Wer die
allgemeine Lachlust gegen sich hat, ist verloren. Wie
schwer der Herr Hoflackir auch zur Empfindung zu
dringen war, denn die Frau Hoflackir mußte ihm
mit der Faust in den Rücken pauken, damit er nur
merkte, daß sie ohnmächtig ward, jetzt glaubte er
fluchen zu müssen. Es geschah zwar mit einer ge¬
waltigen Bierstimme, aber weder mit den rechten
Ausdrücken, noch mit der rechten Folge. Zuerst Flüche
aus dem Stall, dann Gründe. Ein Donnern, das
mit dem Säuseln des Windes endet, verfehlt
seine Wirkung. Im Hohngelächter der Buben blieb
ihm nur das letzte Mittel, nach der Polizei zu rufen,
und er schwor, so wahr er Seiner Majestät Hoflackirer
wäre, wolle er sie Alle durch die Bank in die
Stadtvoigtei schmeißen lassen. Ehe sich Einer dessen

Charlotte ein, manche Leute haben einen ſehr großen
Mund, und ſehen Wunder wie aus, Sonntags vor'm
Brandenburger Thor, wo ſie keiner kennt, aber vor'm
Hamburger Thor kennt man ſie auch.“ — „Vor'm Ham¬
burger Thor!“ ſchrie die Eine. „Vor'm Hamburger Thor!
wiederholte die Andre! Da hätte man Sie ja raus ge¬
ſchmiſſen, Knall und Fall, wenn's nicht der Herr Wacht¬
meiſter geweſen wäre.“ — „Mit Schmiedegeſellen geben
wir uns allerdings nicht ab, trumpfte Charlotte drein,
die ſind uns zu rußig!“ — „Sie iſt ja eine Köchin!“
fuhr die jüngſte auf. „Eine Geheimrathsköchin! Und eine
für Alles!“ Die urſprünglichen Parteien waren auf¬
gelöſt, vermiſcht; es gab nur einen gemeinſamen
Kampf gegen die im Wagen Sitzenden. Wer die
allgemeine Lachluſt gegen ſich hat, iſt verloren. Wie
ſchwer der Herr Hoflackir auch zur Empfindung zu
dringen war, denn die Frau Hoflackir mußte ihm
mit der Fauſt in den Rücken pauken, damit er nur
merkte, daß ſie ohnmächtig ward, jetzt glaubte er
fluchen zu müſſen. Es geſchah zwar mit einer ge¬
waltigen Bierſtimme, aber weder mit den rechten
Ausdrücken, noch mit der rechten Folge. Zuerſt Flüche
aus dem Stall, dann Gründe. Ein Donnern, das
mit dem Säuſeln des Windes endet, verfehlt
ſeine Wirkung. Im Hohngelächter der Buben blieb
ihm nur das letzte Mittel, nach der Polizei zu rufen,
und er ſchwor, ſo wahr er Seiner Majeſtät Hoflackirer
wäre, wolle er ſie Alle durch die Bank in die
Stadtvoigtei ſchmeißen laſſen. Ehe ſich Einer deſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0211" n="201"/>
Charlotte ein, manche Leute haben einen &#x017F;ehr großen<lb/>
Mund, und &#x017F;ehen Wunder wie aus, Sonntags vor'm<lb/>
Brandenburger Thor, wo &#x017F;ie keiner kennt, aber vor'm<lb/>
Hamburger Thor kennt man &#x017F;ie auch.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Vor'm Ham¬<lb/>
burger Thor!&#x201C; &#x017F;chrie die Eine. &#x201E;Vor'm Hamburger Thor!<lb/>
wiederholte die Andre! Da hätte man Sie ja raus ge¬<lb/>
&#x017F;chmi&#x017F;&#x017F;en, Knall und Fall, wenn's nicht der Herr Wacht¬<lb/>
mei&#x017F;ter gewe&#x017F;en wäre.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Mit Schmiedege&#x017F;ellen geben<lb/>
wir uns allerdings nicht ab, trumpfte Charlotte drein,<lb/>
die &#x017F;ind uns zu rußig!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Sie i&#x017F;t ja eine Köchin!&#x201C;<lb/>
fuhr die jüng&#x017F;te auf. &#x201E;Eine Geheimrathsköchin! Und eine<lb/>
für Alles!&#x201C; Die ur&#x017F;prünglichen Parteien waren auf¬<lb/>
gelö&#x017F;t, vermi&#x017F;cht; es gab nur einen gemein&#x017F;amen<lb/>
Kampf gegen die im Wagen Sitzenden. Wer die<lb/>
allgemeine Lachlu&#x017F;t gegen &#x017F;ich hat, i&#x017F;t verloren. Wie<lb/>
&#x017F;chwer der Herr Hoflackir auch zur Empfindung zu<lb/>
dringen war, denn die Frau Hoflackir mußte ihm<lb/>
mit der Fau&#x017F;t in den Rücken pauken, damit er nur<lb/>
merkte, daß &#x017F;ie ohnmächtig ward, jetzt glaubte er<lb/>
fluchen zu mü&#x017F;&#x017F;en. Es ge&#x017F;chah zwar mit einer ge¬<lb/>
waltigen Bier&#x017F;timme, aber weder mit den rechten<lb/>
Ausdrücken, noch mit der rechten Folge. Zuer&#x017F;t Flüche<lb/>
aus dem Stall, dann Gründe. Ein Donnern, das<lb/>
mit dem Säu&#x017F;eln des Windes endet, verfehlt<lb/>
&#x017F;eine Wirkung. Im Hohngelächter der Buben blieb<lb/>
ihm nur das letzte Mittel, nach der Polizei zu rufen,<lb/>
und er &#x017F;chwor, &#x017F;o wahr er Seiner Maje&#x017F;tät Hoflackirer<lb/>
wäre, wolle er &#x017F;ie Alle durch die Bank in die<lb/>
Stadtvoigtei &#x017F;chmeißen la&#x017F;&#x017F;en. Ehe &#x017F;ich Einer de&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0211] Charlotte ein, manche Leute haben einen ſehr großen Mund, und ſehen Wunder wie aus, Sonntags vor'm Brandenburger Thor, wo ſie keiner kennt, aber vor'm Hamburger Thor kennt man ſie auch.“ — „Vor'm Ham¬ burger Thor!“ ſchrie die Eine. „Vor'm Hamburger Thor! wiederholte die Andre! Da hätte man Sie ja raus ge¬ ſchmiſſen, Knall und Fall, wenn's nicht der Herr Wacht¬ meiſter geweſen wäre.“ — „Mit Schmiedegeſellen geben wir uns allerdings nicht ab, trumpfte Charlotte drein, die ſind uns zu rußig!“ — „Sie iſt ja eine Köchin!“ fuhr die jüngſte auf. „Eine Geheimrathsköchin! Und eine für Alles!“ Die urſprünglichen Parteien waren auf¬ gelöſt, vermiſcht; es gab nur einen gemeinſamen Kampf gegen die im Wagen Sitzenden. Wer die allgemeine Lachluſt gegen ſich hat, iſt verloren. Wie ſchwer der Herr Hoflackir auch zur Empfindung zu dringen war, denn die Frau Hoflackir mußte ihm mit der Fauſt in den Rücken pauken, damit er nur merkte, daß ſie ohnmächtig ward, jetzt glaubte er fluchen zu müſſen. Es geſchah zwar mit einer ge¬ waltigen Bierſtimme, aber weder mit den rechten Ausdrücken, noch mit der rechten Folge. Zuerſt Flüche aus dem Stall, dann Gründe. Ein Donnern, das mit dem Säuſeln des Windes endet, verfehlt ſeine Wirkung. Im Hohngelächter der Buben blieb ihm nur das letzte Mittel, nach der Polizei zu rufen, und er ſchwor, ſo wahr er Seiner Majeſtät Hoflackirer wäre, wolle er ſie Alle durch die Bank in die Stadtvoigtei ſchmeißen laſſen. Ehe ſich Einer deſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/211
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/211>, abgerufen am 27.04.2024.