Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Um so größer war Ihre Gefälligkeit, den gan¬
zen Abend die Heitere gespielt zu haben --"

Dafür hatte die Fürstin sie weiter begleitet, als die
Etiquette forderte, vielleicht billigte: "Ich möchte von
Ihnen den Muth lernen, wie man bei einem Erd¬
beben lächelt."

Die Fürstin lächelte aber nicht, als sie zurückkehrte,
man konnte vielmehr ein leichtes Schaudern bemerken:
"Ich hoffe, es war das erste und letzte Mal." Ein Ver¬
trauter, wie Wände und Möbel es sind, vor denen
man nichts verbirgt, aber sie erwiedern das Vertrauen
nur durch Schweigen; ein russischer Cavalier hatte
den Herzenserguß gehört und wagte darauf zu fragen:
"Warum behandelten Erlaucht die Frau mit der Auf¬
merksamkeit?"

"Weil ich sie fürchte, hatte die Fürstin dem Mö¬
bel erwiedert, weil -- ich muß Wandel fragen."

"La table est servie!" meldete der erste Kam¬
merdiener.

Auch Wandel war verschwunden. Der erste Gast
war jetzt der Präsident, die vornehmeren waren fort:
"Es wird doch auch diesmal nur blinder Lärm ge¬
wesen sein!" sagte die Fürstin.

"Gewiß, entgegnete der Präsident, indem er ihr
respectvoll den Arm reichte. Man wird schon wieder
ein Auskunftsmittel finden, und wir können --"

"Ruhig essen, Herr Präsident. Meine Herren,
führen Sie die Damen, unsre Ordnung ist zerrissen
-- wie es sich findet."

„Um ſo größer war Ihre Gefälligkeit, den gan¬
zen Abend die Heitere geſpielt zu haben —“

Dafür hatte die Fürſtin ſie weiter begleitet, als die
Etiquette forderte, vielleicht billigte: „Ich möchte von
Ihnen den Muth lernen, wie man bei einem Erd¬
beben lächelt.“

Die Fürſtin lächelte aber nicht, als ſie zurückkehrte,
man konnte vielmehr ein leichtes Schaudern bemerken:
„Ich hoffe, es war das erſte und letzte Mal.“ Ein Ver¬
trauter, wie Wände und Möbel es ſind, vor denen
man nichts verbirgt, aber ſie erwiedern das Vertrauen
nur durch Schweigen; ein ruſſiſcher Cavalier hatte
den Herzenserguß gehört und wagte darauf zu fragen:
„Warum behandelten Erlaucht die Frau mit der Auf¬
merkſamkeit?“

„Weil ich ſie fürchte, hatte die Fürſtin dem Mö¬
bel erwiedert, weil — ich muß Wandel fragen.“

„La table est servie!“ meldete der erſte Kam¬
merdiener.

Auch Wandel war verſchwunden. Der erſte Gaſt
war jetzt der Präſident, die vornehmeren waren fort:
„Es wird doch auch diesmal nur blinder Lärm ge¬
weſen ſein!“ ſagte die Fürſtin.

„Gewiß, entgegnete der Präſident, indem er ihr
reſpectvoll den Arm reichte. Man wird ſchon wieder
ein Auskunftsmittel finden, und wir können —“

„Ruhig eſſen, Herr Präſident. Meine Herren,
führen Sie die Damen, unſre Ordnung iſt zerriſſen
— wie es ſich findet.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0174" n="164"/>
        <p>&#x201E;Um &#x017F;o größer war Ihre Gefälligkeit, den gan¬<lb/>
zen Abend die Heitere ge&#x017F;pielt zu haben &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dafür hatte die Für&#x017F;tin &#x017F;ie weiter begleitet, als die<lb/>
Etiquette forderte, vielleicht billigte: &#x201E;Ich möchte von<lb/>
Ihnen den Muth lernen, wie man bei einem Erd¬<lb/>
beben lächelt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Für&#x017F;tin lächelte aber nicht, als &#x017F;ie zurückkehrte,<lb/>
man konnte vielmehr ein leichtes Schaudern bemerken:<lb/>
&#x201E;Ich hoffe, es war das er&#x017F;te und letzte Mal.&#x201C; Ein Ver¬<lb/>
trauter, wie Wände und Möbel es &#x017F;ind, vor denen<lb/>
man nichts verbirgt, aber &#x017F;ie erwiedern das Vertrauen<lb/>
nur durch Schweigen; ein ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;cher Cavalier hatte<lb/>
den Herzenserguß gehört und wagte darauf zu fragen:<lb/>
&#x201E;Warum behandelten Erlaucht die Frau mit der Auf¬<lb/>
merk&#x017F;amkeit?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil ich &#x017F;ie fürchte, hatte die Für&#x017F;tin dem Mö¬<lb/>
bel erwiedert, weil &#x2014; ich muß Wandel fragen.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;La table est servie!&#x201C;</hi> meldete der er&#x017F;te Kam¬<lb/>
merdiener.</p><lb/>
        <p>Auch Wandel war ver&#x017F;chwunden. Der er&#x017F;te Ga&#x017F;t<lb/>
war jetzt der Prä&#x017F;ident, die vornehmeren waren fort:<lb/>
&#x201E;Es wird doch auch diesmal nur blinder Lärm ge¬<lb/>
we&#x017F;en &#x017F;ein!&#x201C; &#x017F;agte die Für&#x017F;tin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gewiß, entgegnete der Prä&#x017F;ident, indem er ihr<lb/>
re&#x017F;pectvoll den Arm reichte. Man wird &#x017F;chon wieder<lb/>
ein Auskunftsmittel finden, und wir können &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ruhig e&#x017F;&#x017F;en, Herr Prä&#x017F;ident. Meine Herren,<lb/>
führen Sie die Damen, un&#x017F;re Ordnung i&#x017F;t zerri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x2014; wie es &#x017F;ich findet.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0174] „Um ſo größer war Ihre Gefälligkeit, den gan¬ zen Abend die Heitere geſpielt zu haben —“ Dafür hatte die Fürſtin ſie weiter begleitet, als die Etiquette forderte, vielleicht billigte: „Ich möchte von Ihnen den Muth lernen, wie man bei einem Erd¬ beben lächelt.“ Die Fürſtin lächelte aber nicht, als ſie zurückkehrte, man konnte vielmehr ein leichtes Schaudern bemerken: „Ich hoffe, es war das erſte und letzte Mal.“ Ein Ver¬ trauter, wie Wände und Möbel es ſind, vor denen man nichts verbirgt, aber ſie erwiedern das Vertrauen nur durch Schweigen; ein ruſſiſcher Cavalier hatte den Herzenserguß gehört und wagte darauf zu fragen: „Warum behandelten Erlaucht die Frau mit der Auf¬ merkſamkeit?“ „Weil ich ſie fürchte, hatte die Fürſtin dem Mö¬ bel erwiedert, weil — ich muß Wandel fragen.“ „La table est servie!“ meldete der erſte Kam¬ merdiener. Auch Wandel war verſchwunden. Der erſte Gaſt war jetzt der Präſident, die vornehmeren waren fort: „Es wird doch auch diesmal nur blinder Lärm ge¬ weſen ſein!“ ſagte die Fürſtin. „Gewiß, entgegnete der Präſident, indem er ihr reſpectvoll den Arm reichte. Man wird ſchon wieder ein Auskunftsmittel finden, und wir können —“ „Ruhig eſſen, Herr Präſident. Meine Herren, führen Sie die Damen, unſre Ordnung iſt zerriſſen — wie es ſich findet.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/174
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/174>, abgerufen am 27.11.2024.