es steht schlimm, sehr schlimm, wir werden noch mehr nachgeben müssen, aber wer ändert es? Sie nicht, ich nicht, Niemand. Man muß laviren und abwarten, bis ein glückliches Changement kommt. Wir sind in einen Sumpf gerathen, je mehr wir strampeln, um so tiefer versinken wir. Nur nicht die gute Laune verloren. Hören Sie draußen den Leiermann:
Es kann ja nicht immer so bleiben
Hier unter dem wechselnden Mond.
Da, trinken Sie, oder wollen Sie schäumenden? Ich klingle."
"Der Wein ist gut, aber er steigt zu Kopf."
"Nun denken Sie an den armen Haugwitz! wie es in seinem aussehn muß. Kann er dafür? Verdenken Sie's ihm, daß er sich auch aus Paris nicht beeilt zurückzukehren? -- Die schnaubende Coterie hier in Reiterstiefeln, die Rüchel, Blücher, die Prinzen! Und das Geschwätz, Gesinge, Gebrüll hinter ihnen."
Die Gnade Seiner Majestät wird, als schir¬ mender Fittich, ihn vor Outrage bewahren."
Herr von Bovillard schien bereits in einer behaglichen Weinlaune:
"Gewiß. Der König läßt ihn nicht los. Wissen Sie, -- eigentlich -- eigentlich kann er ihn auch nicht leiden, wie uns Alle nicht, aber -- aber das ist es eben. -- Trinken Sie doch, Wandel, man kann jetzt nichts Besseres thun. C'est le mystere de notre tems, daß wir unentbehrlich sind. Von der Canaille bis ins Schlafgemach Seiner Majestät, -- sie können uns
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es ſteht ſchlimm, ſehr ſchlimm, wir werden noch mehr nachgeben müſſen, aber wer ändert es? Sie nicht, ich nicht, Niemand. Man muß laviren und abwarten, bis ein glückliches Changement kommt. Wir ſind in einen Sumpf gerathen, je mehr wir ſtrampeln, um ſo tiefer verſinken wir. Nur nicht die gute Laune verloren. Hören Sie draußen den Leiermann:
Es kann ja nicht immer ſo bleiben
Hier unter dem wechſelnden Mond.
Da, trinken Sie, oder wollen Sie ſchäumenden? Ich klingle.“
„Der Wein iſt gut, aber er ſteigt zu Kopf.“
„Nun denken Sie an den armen Haugwitz! wie es in ſeinem ausſehn muß. Kann er dafür? Verdenken Sie's ihm, daß er ſich auch aus Paris nicht beeilt zurückzukehren? — Die ſchnaubende Coterie hier in Reiterſtiefeln, die Rüchel, Blücher, die Prinzen! Und das Geſchwätz, Geſinge, Gebrüll hinter ihnen.“
Die Gnade Seiner Majeſtät wird, als ſchir¬ mender Fittich, ihn vor Outrage bewahren.“
Herr von Bovillard ſchien bereits in einer behaglichen Weinlaune:
„Gewiß. Der König läßt ihn nicht los. Wiſſen Sie, — eigentlich — eigentlich kann er ihn auch nicht leiden, wie uns Alle nicht, aber — aber das iſt es eben. — Trinken Sie doch, Wandel, man kann jetzt nichts Beſſeres thun. C'est le mystère de notre tems, daß wir unentbehrlich ſind. Von der Canaille bis ins Schlafgemach Seiner Majeſtät, — ſie können uns
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es ſteht ſchlimm, ſehr ſchlimm, wir werden noch
mehr nachgeben müſſen, aber wer ändert es? Sie
nicht, ich nicht, Niemand. Man muß laviren und
abwarten, bis ein glückliches Changement kommt.
Wir ſind in einen Sumpf gerathen, je mehr wir
ſtrampeln, um ſo tiefer verſinken wir. Nur nicht die gute
Laune verloren. Hören Sie draußen den Leiermann:
Es kann ja nicht immer ſo bleiben
Hier unter dem wechſelnden Mond.
Da, trinken Sie, oder wollen Sie ſchäumenden?
Ich klingle.“
„Der Wein iſt gut, aber er ſteigt zu Kopf.“
„Nun denken Sie an den armen Haugwitz!
wie es in ſeinem ausſehn muß. Kann er dafür?
Verdenken Sie's ihm, daß er ſich auch aus Paris
nicht beeilt zurückzukehren? — Die ſchnaubende Coterie
hier in Reiterſtiefeln, die Rüchel, Blücher, die Prinzen!
Und das Geſchwätz, Geſinge, Gebrüll hinter ihnen.“
Die Gnade Seiner Majeſtät wird, als ſchir¬
mender Fittich, ihn vor Outrage bewahren.“
Herr von Bovillard ſchien bereits in einer
behaglichen Weinlaune:
„Gewiß. Der König läßt ihn nicht los. Wiſſen Sie,
— eigentlich — eigentlich kann er ihn auch nicht leiden,
wie uns Alle nicht, aber — aber das iſt es eben. —
Trinken Sie doch, Wandel, man kann jetzt nichts
Beſſeres thun. C'est le mystère de notre tems, daß
wir unentbehrlich ſind. Von der Canaille bis ins
Schlafgemach Seiner Majeſtät, — ſie können uns
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/13>, abgerufen am 01.08.2024.
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