Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

dung betrachtet, deren glänzende Erscheinung man
zwar bewundert, aber ihre Wirksamkeit und Dauer¬
haftigkeit bezweifelt.

Man hatte nachdenklich einem Redner zugehört,
welcher gesprochen von der Heiligkeit, einem Volke
anzugehören, von dem Recht auf Sprache, Sitte,
eigenes Wesen, ja von der Pflicht desselben, für
dieses höchste Gut sein Alles einzusetzen. Eine
Nation, die gegen diese Pflicht gleichgültig werde,
habe schon das Anrecht auf ihre Existenz eingebüßt.
So weit ward der Sprecher verstanden, die Damen
hatten Verse aus der Jungfrau von Orleans und
Tell citirt. Aber als er weiter ging, und nicht sowohl
den Haß gegen alles Französische, nicht allein gegen
Bonaparte und seine Soldaten, gegen die Revolution
und die Jacobiner empfahl, worin man ihm bei¬
gestimmt haben würde; als er es als noch heiligere
Pflicht forderte, daß der Einzelne wie das Ganze
sich versenke in das, was deutsche Art und Wesen
sei; daß nur dann, wenn wir dieses wieder rein
hergestellt in der Sprache, unsern Gewohnheiten, unsrer
Denkweise, wenn wir ganz wieder zurückgekehrt zur
eigenthümlichen Anschauungsart unsrer Väter, das
Fremdartige, was durch Jahrhunderte sich in unser
Blut gefressen, abstreifend und ausmerzend, daß nur
dann Rettung sei für unsre Nation von der Fremd¬
herrschaft: da hörte man wohl belobende Phrasen;
die meisten aber verstanden es nicht, Andere schwiegen,
noch Andre schüttelten den Kopf.

dung betrachtet, deren glänzende Erſcheinung man
zwar bewundert, aber ihre Wirkſamkeit und Dauer¬
haftigkeit bezweifelt.

Man hatte nachdenklich einem Redner zugehört,
welcher geſprochen von der Heiligkeit, einem Volke
anzugehören, von dem Recht auf Sprache, Sitte,
eigenes Weſen, ja von der Pflicht deſſelben, für
dieſes höchſte Gut ſein Alles einzuſetzen. Eine
Nation, die gegen dieſe Pflicht gleichgültig werde,
habe ſchon das Anrecht auf ihre Exiſtenz eingebüßt.
So weit ward der Sprecher verſtanden, die Damen
hatten Verſe aus der Jungfrau von Orleans und
Tell citirt. Aber als er weiter ging, und nicht ſowohl
den Haß gegen alles Franzöſiſche, nicht allein gegen
Bonaparte und ſeine Soldaten, gegen die Revolution
und die Jacobiner empfahl, worin man ihm bei¬
geſtimmt haben würde; als er es als noch heiligere
Pflicht forderte, daß der Einzelne wie das Ganze
ſich verſenke in das, was deutſche Art und Weſen
ſei; daß nur dann, wenn wir dieſes wieder rein
hergeſtellt in der Sprache, unſern Gewohnheiten, unſrer
Denkweiſe, wenn wir ganz wieder zurückgekehrt zur
eigenthümlichen Anſchauungsart unſrer Väter, das
Fremdartige, was durch Jahrhunderte ſich in unſer
Blut gefreſſen, abſtreifend und ausmerzend, daß nur
dann Rettung ſei für unſre Nation von der Fremd¬
herrſchaft: da hörte man wohl belobende Phraſen;
die meiſten aber verſtanden es nicht, Andere ſchwiegen,
noch Andre ſchüttelten den Kopf.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="119"/>
dung betrachtet, deren glänzende Er&#x017F;cheinung man<lb/>
zwar bewundert, aber ihre Wirk&#x017F;amkeit und Dauer¬<lb/>
haftigkeit bezweifelt.</p><lb/>
        <p>Man hatte nachdenklich einem Redner zugehört,<lb/>
welcher ge&#x017F;prochen von der Heiligkeit, einem Volke<lb/>
anzugehören, von dem Recht auf Sprache, Sitte,<lb/>
eigenes We&#x017F;en, ja von der Pflicht de&#x017F;&#x017F;elben, für<lb/>
die&#x017F;es höch&#x017F;te Gut &#x017F;ein Alles einzu&#x017F;etzen. Eine<lb/>
Nation, die gegen die&#x017F;e Pflicht gleichgültig werde,<lb/>
habe &#x017F;chon das Anrecht auf ihre Exi&#x017F;tenz eingebüßt.<lb/>
So weit ward der Sprecher ver&#x017F;tanden, die Damen<lb/>
hatten Ver&#x017F;e aus der Jungfrau von Orleans und<lb/>
Tell citirt. Aber als er weiter ging, und nicht &#x017F;owohl<lb/>
den Haß gegen alles Franzö&#x017F;i&#x017F;che, nicht allein gegen<lb/>
Bonaparte und &#x017F;eine Soldaten, gegen die Revolution<lb/>
und die Jacobiner empfahl, worin man ihm bei¬<lb/>
ge&#x017F;timmt haben würde; als er es als noch heiligere<lb/>
Pflicht forderte, daß der Einzelne wie das Ganze<lb/>
&#x017F;ich ver&#x017F;enke in das, was deut&#x017F;che Art und We&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ei; daß nur dann, wenn wir die&#x017F;es wieder rein<lb/>
herge&#x017F;tellt in der Sprache, un&#x017F;ern Gewohnheiten, un&#x017F;rer<lb/>
Denkwei&#x017F;e, wenn wir ganz wieder zurückgekehrt zur<lb/>
eigenthümlichen An&#x017F;chauungsart un&#x017F;rer Väter, das<lb/>
Fremdartige, was durch Jahrhunderte &#x017F;ich in un&#x017F;er<lb/>
Blut gefre&#x017F;&#x017F;en, ab&#x017F;treifend und ausmerzend, daß nur<lb/>
dann Rettung &#x017F;ei für un&#x017F;re Nation von der Fremd¬<lb/>
herr&#x017F;chaft: da hörte man wohl belobende Phra&#x017F;en;<lb/>
die mei&#x017F;ten aber ver&#x017F;tanden es nicht, Andere &#x017F;chwiegen,<lb/>
noch Andre &#x017F;chüttelten den Kopf.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0129] dung betrachtet, deren glänzende Erſcheinung man zwar bewundert, aber ihre Wirkſamkeit und Dauer¬ haftigkeit bezweifelt. Man hatte nachdenklich einem Redner zugehört, welcher geſprochen von der Heiligkeit, einem Volke anzugehören, von dem Recht auf Sprache, Sitte, eigenes Weſen, ja von der Pflicht deſſelben, für dieſes höchſte Gut ſein Alles einzuſetzen. Eine Nation, die gegen dieſe Pflicht gleichgültig werde, habe ſchon das Anrecht auf ihre Exiſtenz eingebüßt. So weit ward der Sprecher verſtanden, die Damen hatten Verſe aus der Jungfrau von Orleans und Tell citirt. Aber als er weiter ging, und nicht ſowohl den Haß gegen alles Franzöſiſche, nicht allein gegen Bonaparte und ſeine Soldaten, gegen die Revolution und die Jacobiner empfahl, worin man ihm bei¬ geſtimmt haben würde; als er es als noch heiligere Pflicht forderte, daß der Einzelne wie das Ganze ſich verſenke in das, was deutſche Art und Weſen ſei; daß nur dann, wenn wir dieſes wieder rein hergeſtellt in der Sprache, unſern Gewohnheiten, unſrer Denkweiſe, wenn wir ganz wieder zurückgekehrt zur eigenthümlichen Anſchauungsart unſrer Väter, das Fremdartige, was durch Jahrhunderte ſich in unſer Blut gefreſſen, abſtreifend und ausmerzend, daß nur dann Rettung ſei für unſre Nation von der Fremd¬ herrſchaft: da hörte man wohl belobende Phraſen; die meiſten aber verſtanden es nicht, Andere ſchwiegen, noch Andre ſchüttelten den Kopf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/129
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/129>, abgerufen am 22.11.2024.