Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Die dumpfen Ställe der alten Gewohnheit hat er in
Brand gesteckt, aber die Unglücklichen, daraus Ver¬
triebenen, wo fanden sie ein anderes, helleres, wär¬
meres Obdach! Feuersbrünste hat er angefacht, Wäl¬
der und Haiden verzehrt, aber wo nur eine Fackel
angezündet, die in der Nacht leuchtet, welche immer
darauf wieder eintrat. Da lobpsalmen die alten Wei¬
berstimmen in den nüchternen Kirchen den Herrn, daß
er die Gräuel des Aberglaubens und der Finsterniß
verscheucht hat, aber wo blieb ihr Licht, das ihnen
leuchtete, durch den finstersten Wald des Zweifels
ihnen den Weg zeigte, wo ihr Haus, das die Müden
und Beladenen aufnahm, wo das Geläut der Him¬
melsglocken, die sie mit Engelszungen in Schlaf ein¬
lullten, wo der Schlafpelz, die weiche Bärenhaut,
in die sie sich hüllten, und alle Sorgen waren ver¬
gessen! Wo in aller Welt können diese Verirrten,
Heimathlosen, anklopfen in ihren Aengsten, ihrer
Zerrissenheit, um den Trost zu finden, den nur die
Gewißheit giebt! Was hilfts ihnen, wenn sie sich von
des Teufels Krallen gepackt fühlen, und der gelehrte
Herr mit den Päffchen setzt die Pfeife fort, um vor¬
nehm herablassend der armen Creatur mit rationa¬
listischer Saalbaderei zu demonstriren, daß der Teufel
wahrscheinlich nicht existirt. Um etwas Gewisses,
Festes, Sicheres schreien sie, und er setzt ihnen eine
Schüssel Schlangeneier vor, aus denen, statt eines,
tausend Zweifel schlüpfen!"

Diesmal war es der Legationsrath, welcher nicht

Die dumpfen Ställe der alten Gewohnheit hat er in
Brand geſteckt, aber die Unglücklichen, daraus Ver¬
triebenen, wo fanden ſie ein anderes, helleres, wär¬
meres Obdach! Feuersbrünſte hat er angefacht, Wäl¬
der und Haiden verzehrt, aber wo nur eine Fackel
angezündet, die in der Nacht leuchtet, welche immer
darauf wieder eintrat. Da lobpſalmen die alten Wei¬
berſtimmen in den nüchternen Kirchen den Herrn, daß
er die Gräuel des Aberglaubens und der Finſterniß
verſcheucht hat, aber wo blieb ihr Licht, das ihnen
leuchtete, durch den finſterſten Wald des Zweifels
ihnen den Weg zeigte, wo ihr Haus, das die Müden
und Beladenen aufnahm, wo das Geläut der Him¬
melsglocken, die ſie mit Engelszungen in Schlaf ein¬
lullten, wo der Schlafpelz, die weiche Bärenhaut,
in die ſie ſich hüllten, und alle Sorgen waren ver¬
geſſen! Wo in aller Welt können dieſe Verirrten,
Heimathloſen, anklopfen in ihren Aengſten, ihrer
Zerriſſenheit, um den Troſt zu finden, den nur die
Gewißheit giebt! Was hilfts ihnen, wenn ſie ſich von
des Teufels Krallen gepackt fühlen, und der gelehrte
Herr mit den Päffchen ſetzt die Pfeife fort, um vor¬
nehm herablaſſend der armen Creatur mit rationa¬
liſtiſcher Saalbaderei zu demonſtriren, daß der Teufel
wahrſcheinlich nicht exiſtirt. Um etwas Gewiſſes,
Feſtes, Sicheres ſchreien ſie, und er ſetzt ihnen eine
Schüſſel Schlangeneier vor, aus denen, ſtatt eines,
tauſend Zweifel ſchlüpfen!“

Diesmal war es der Legationsrath, welcher nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="98"/>
Die dumpfen Ställe der alten Gewohnheit hat er in<lb/>
Brand ge&#x017F;teckt, aber die Unglücklichen, daraus Ver¬<lb/>
triebenen, wo fanden &#x017F;ie ein anderes, helleres, wär¬<lb/>
meres Obdach! Feuersbrün&#x017F;te hat er angefacht, Wäl¬<lb/>
der und Haiden verzehrt, aber wo nur eine Fackel<lb/>
angezündet, die in der Nacht leuchtet, welche immer<lb/>
darauf wieder eintrat. Da lobp&#x017F;almen die alten Wei¬<lb/>
ber&#x017F;timmen in den nüchternen Kirchen den Herrn, daß<lb/>
er die Gräuel des Aberglaubens und der Fin&#x017F;terniß<lb/>
ver&#x017F;cheucht hat, aber wo blieb ihr Licht, das ihnen<lb/>
leuchtete, durch den fin&#x017F;ter&#x017F;ten Wald des Zweifels<lb/>
ihnen den Weg zeigte, wo ihr Haus, das die Müden<lb/>
und Beladenen aufnahm, wo das Geläut der Him¬<lb/>
melsglocken, die &#x017F;ie mit Engelszungen in Schlaf ein¬<lb/>
lullten, wo der Schlafpelz, die weiche Bärenhaut,<lb/>
in die &#x017F;ie &#x017F;ich hüllten, und alle Sorgen waren ver¬<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en! Wo in aller Welt können die&#x017F;e Verirrten,<lb/>
Heimathlo&#x017F;en, anklopfen in ihren Aeng&#x017F;ten, ihrer<lb/>
Zerri&#x017F;&#x017F;enheit, um den Tro&#x017F;t zu finden, den nur die<lb/>
Gewißheit giebt! Was hilfts ihnen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich von<lb/>
des Teufels Krallen gepackt fühlen, und der gelehrte<lb/>
Herr mit den Päffchen &#x017F;etzt die Pfeife fort, um vor¬<lb/>
nehm herabla&#x017F;&#x017F;end der armen Creatur mit rationa¬<lb/>
li&#x017F;ti&#x017F;cher Saalbaderei zu demon&#x017F;triren, daß der Teufel<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich nicht exi&#x017F;tirt. Um etwas Gewi&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
Fe&#x017F;tes, Sicheres &#x017F;chreien &#x017F;ie, und er &#x017F;etzt ihnen eine<lb/>
Schü&#x017F;&#x017F;el Schlangeneier vor, aus denen, &#x017F;tatt eines,<lb/>
tau&#x017F;end Zweifel &#x017F;chlüpfen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Diesmal war es der Legationsrath, welcher nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0108] Die dumpfen Ställe der alten Gewohnheit hat er in Brand geſteckt, aber die Unglücklichen, daraus Ver¬ triebenen, wo fanden ſie ein anderes, helleres, wär¬ meres Obdach! Feuersbrünſte hat er angefacht, Wäl¬ der und Haiden verzehrt, aber wo nur eine Fackel angezündet, die in der Nacht leuchtet, welche immer darauf wieder eintrat. Da lobpſalmen die alten Wei¬ berſtimmen in den nüchternen Kirchen den Herrn, daß er die Gräuel des Aberglaubens und der Finſterniß verſcheucht hat, aber wo blieb ihr Licht, das ihnen leuchtete, durch den finſterſten Wald des Zweifels ihnen den Weg zeigte, wo ihr Haus, das die Müden und Beladenen aufnahm, wo das Geläut der Him¬ melsglocken, die ſie mit Engelszungen in Schlaf ein¬ lullten, wo der Schlafpelz, die weiche Bärenhaut, in die ſie ſich hüllten, und alle Sorgen waren ver¬ geſſen! Wo in aller Welt können dieſe Verirrten, Heimathloſen, anklopfen in ihren Aengſten, ihrer Zerriſſenheit, um den Troſt zu finden, den nur die Gewißheit giebt! Was hilfts ihnen, wenn ſie ſich von des Teufels Krallen gepackt fühlen, und der gelehrte Herr mit den Päffchen ſetzt die Pfeife fort, um vor¬ nehm herablaſſend der armen Creatur mit rationa¬ liſtiſcher Saalbaderei zu demonſtriren, daß der Teufel wahrſcheinlich nicht exiſtirt. Um etwas Gewiſſes, Feſtes, Sicheres ſchreien ſie, und er ſetzt ihnen eine Schüſſel Schlangeneier vor, aus denen, ſtatt eines, tauſend Zweifel ſchlüpfen!“ Diesmal war es der Legationsrath, welcher nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/108
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/108>, abgerufen am 23.11.2024.