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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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"Wir ratificiren nichts, wir statuiren nur Pro¬
visorien, um uns eine Hinterthür zu lassen. Und
indem wir den Vertrag modificiren, heben wir ihn
eigentlich auf. Bis zum allgemeinen Frieden soll
alles zwischen Preußen und Frankreich bleiben, wir
sollen keins der versprochenen Länder räumen, Han¬
nover nur besetzen, und hoffen, daß die Engländer
bis dahin ein Einsehen bekommen und uns um Gottes
Willen bitten, doch Hannover zu nehmen."

"Was die Nachwelt dazu sagen wird! Die treuen
fränkischen Lande fortzuschleudern, ohne Besinnen
und Reukauf, und die Gegengabe dafür nur mit
Vorbehalt anzunehmen!"

"Die Nachwelt hat kein Conto in unserm Buche."

"Aber was schreiben wir auf unseres?"

"Das angenehme Gefühl, daß wir edel gehan¬
delt haben."

"Und was Napoleon dazu sagen wird!"

"Sie hören's ja. Er hat Haugwitz ""mit einer
Freundlichkeit empfangen, die eine günstige Deutung
erlaubt.""

"Ob sie nicht erröthen, indem sie es bekannt
machen?"

"Schamröthe ist eine Illusion der Vergangenheit."

"Aber Napoleon!"

"Er lacht auch innerlich, wie unser Herr van
Asten. Aber was ist mit ihm da!"

"Ein Cavallerieofficier auf der Börse! Geht die
Welt unter!"

„Wir ratificiren nichts, wir ſtatuiren nur Pro¬
viſorien, um uns eine Hinterthür zu laſſen. Und
indem wir den Vertrag modificiren, heben wir ihn
eigentlich auf. Bis zum allgemeinen Frieden ſoll
alles zwiſchen Preußen und Frankreich bleiben, wir
ſollen keins der verſprochenen Länder räumen, Han¬
nover nur beſetzen, und hoffen, daß die Engländer
bis dahin ein Einſehen bekommen und uns um Gottes
Willen bitten, doch Hannover zu nehmen.“

„Was die Nachwelt dazu ſagen wird! Die treuen
fränkiſchen Lande fortzuſchleudern, ohne Beſinnen
und Reukauf, und die Gegengabe dafür nur mit
Vorbehalt anzunehmen!“

„Die Nachwelt hat kein Conto in unſerm Buche.“

„Aber was ſchreiben wir auf unſeres?“

„Das angenehme Gefühl, daß wir edel gehan¬
delt haben.“

„Und was Napoleon dazu ſagen wird!“

„Sie hören's ja. Er hat Haugwitz „„mit einer
Freundlichkeit empfangen, die eine günſtige Deutung
erlaubt.““

„Ob ſie nicht erröthen, indem ſie es bekannt
machen?“

„Schamröthe iſt eine Illuſion der Vergangenheit.“

„Aber Napoleon!“

„Er lacht auch innerlich, wie unſer Herr van
Aſten. Aber was iſt mit ihm da!“

„Ein Cavallerieofficier auf der Börſe! Geht die
Welt unter!“

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[313/0323] „Wir ratificiren nichts, wir ſtatuiren nur Pro¬ viſorien, um uns eine Hinterthür zu laſſen. Und indem wir den Vertrag modificiren, heben wir ihn eigentlich auf. Bis zum allgemeinen Frieden ſoll alles zwiſchen Preußen und Frankreich bleiben, wir ſollen keins der verſprochenen Länder räumen, Han¬ nover nur beſetzen, und hoffen, daß die Engländer bis dahin ein Einſehen bekommen und uns um Gottes Willen bitten, doch Hannover zu nehmen.“ „Was die Nachwelt dazu ſagen wird! Die treuen fränkiſchen Lande fortzuſchleudern, ohne Beſinnen und Reukauf, und die Gegengabe dafür nur mit Vorbehalt anzunehmen!“ „Die Nachwelt hat kein Conto in unſerm Buche.“ „Aber was ſchreiben wir auf unſeres?“ „Das angenehme Gefühl, daß wir edel gehan¬ delt haben.“ „Und was Napoleon dazu ſagen wird!“ „Sie hören's ja. Er hat Haugwitz „„mit einer Freundlichkeit empfangen, die eine günſtige Deutung erlaubt.““ „Ob ſie nicht erröthen, indem ſie es bekannt machen?“ „Schamröthe iſt eine Illuſion der Vergangenheit.“ „Aber Napoleon!“ „Er lacht auch innerlich, wie unſer Herr van Aſten. Aber was iſt mit ihm da!“ „Ein Cavallerieofficier auf der Börſe! Geht die Welt unter!“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/323>, abgerufen am 26.11.2024.