herangetragen, der vielleicht aus der vorigen Opern¬ darstellung noch hinter den Coulissen stand. Er diente dem Erschöpften, der sich von seinen Beglei¬ tern losgemacht, zur Stütze. Sein Auge rollte, als suche er in der Luft nach Worten, während es den Umstehenden nicht entging, daß seine Glieder fieber¬ haft zitterten. Jetzt fuhr er mit der Hand über die Stirn; um die Erinnerung zu sammeln, glaubten Einige, Andre versicherten nachher, er sei gestanden, als habe er ein Gespenst gesehen. Da rief er plötz¬ lich aus voller Brust: "Sieg! Sieg verlangen Sie aus meinem Munde. -- Wenn wir an uns selbst glauben, Deutsche Männer, müssen wir ja siegen! Warum nicht dort!" -- Ein Händeklatschen, ein brüllender Applaus: "Sieg! Ein Sieg! -- Weiter! -- Wo?" -- "In Mähren, hinter Brünn -- eine Schlacht, sagen sie, ist geliefert, blutig, wie keine seit Menschengedenken -- drei Tage hätte sie gewüthet -- drei Kaiser standen sich gegenüber -- drei Mal ging die Sonne blutroth auf -- am dritten --" Alles hörte bang, mit angehaltenem Athem, während der Sprecher nach Luft zu schöpfen schien. -- "Am dritten hat man ihn gesehen -- Bonaparte -- in der Mitte von nur drei Reiterregimentern, die ihn mit ihren Leibern schützten -- sich durchschlagend nach Baiern -- sein Heer, sein großes Heer --"
"Was ist ihm!" riefen die Nächststehenden. Bo¬ villard beugte und stützte sich, wie um sich zu halten, oder etwas zurückzudrängen, auf dem Altar. Durch
herangetragen, der vielleicht aus der vorigen Opern¬ darſtellung noch hinter den Couliſſen ſtand. Er diente dem Erſchöpften, der ſich von ſeinen Beglei¬ tern losgemacht, zur Stütze. Sein Auge rollte, als ſuche er in der Luft nach Worten, während es den Umſtehenden nicht entging, daß ſeine Glieder fieber¬ haft zitterten. Jetzt fuhr er mit der Hand über die Stirn; um die Erinnerung zu ſammeln, glaubten Einige, Andre verſicherten nachher, er ſei geſtanden, als habe er ein Geſpenſt geſehen. Da rief er plötz¬ lich aus voller Bruſt: „Sieg! Sieg verlangen Sie aus meinem Munde. — Wenn wir an uns ſelbſt glauben, Deutſche Männer, müſſen wir ja ſiegen! Warum nicht dort!“ — Ein Händeklatſchen, ein brüllender Applaus: „Sieg! Ein Sieg! — Weiter! — Wo?“ — „In Mähren, hinter Brünn — eine Schlacht, ſagen ſie, iſt geliefert, blutig, wie keine ſeit Menſchengedenken — drei Tage hätte ſie gewüthet — drei Kaiſer ſtanden ſich gegenüber — drei Mal ging die Sonne blutroth auf — am dritten —“ Alles hörte bang, mit angehaltenem Athem, während der Sprecher nach Luft zu ſchöpfen ſchien. — „Am dritten hat man ihn geſehen — Bonaparte — in der Mitte von nur drei Reiterregimentern, die ihn mit ihren Leibern ſchützten — ſich durchſchlagend nach Baiern — ſein Heer, ſein großes Heer —“
„Was iſt ihm!“ riefen die Nächſtſtehenden. Bo¬ villard beugte und ſtützte ſich, wie um ſich zu halten, oder etwas zurückzudrängen, auf dem Altar. Durch
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herangetragen, der vielleicht aus der vorigen Opern¬
darſtellung noch hinter den Couliſſen ſtand. Er
diente dem Erſchöpften, der ſich von ſeinen Beglei¬
tern losgemacht, zur Stütze. Sein Auge rollte, als
ſuche er in der Luft nach Worten, während es den
Umſtehenden nicht entging, daß ſeine Glieder fieber¬
haft zitterten. Jetzt fuhr er mit der Hand über die
Stirn; um die Erinnerung zu ſammeln, glaubten
Einige, Andre verſicherten nachher, er ſei geſtanden,
als habe er ein Geſpenſt geſehen. Da rief er plötz¬
lich aus voller Bruſt: „Sieg! Sieg verlangen Sie
aus meinem Munde. — Wenn wir an uns ſelbſt
glauben, Deutſche Männer, müſſen wir ja ſiegen!
Warum nicht dort!“ — Ein Händeklatſchen, ein
brüllender Applaus: „Sieg! Ein Sieg! — Weiter!
— Wo?“ — „In Mähren, hinter Brünn — eine
Schlacht, ſagen ſie, iſt geliefert, blutig, wie keine ſeit
Menſchengedenken — drei Tage hätte ſie gewüthet —
drei Kaiſer ſtanden ſich gegenüber — drei Mal ging
die Sonne blutroth auf — am dritten —“ Alles
hörte bang, mit angehaltenem Athem, während der
Sprecher nach Luft zu ſchöpfen ſchien. — „Am dritten
hat man ihn geſehen — Bonaparte — in der Mitte
von nur drei Reiterregimentern, die ihn mit ihren
Leibern ſchützten — ſich durchſchlagend nach Baiern —
ſein Heer, ſein großes Heer —“
„Was iſt ihm!“ riefen die Nächſtſtehenden. Bo¬
villard beugte und ſtützte ſich, wie um ſich zu halten,
oder etwas zurückzudrängen, auf dem Altar. Durch
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/280>, abgerufen am 24.11.2024.
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