die ich in Halle betrieb, die Kunst zu handeln. Ich werde Ihrem Befehl gehorchen und Minchen ins Theater begleiten."
"Nu begleite ich Dich, wohin Du willst," sagte vergnügt der Vater. An der Thür hielt er den Sohn beim Rockzipfel: "Walter, 's ist 'ne schlimme Zeit geworden, und sie muß besser werden, oder sie wird noch schlimmer. Sind die im blauen Rock 'ne andere Race Menschen? Stammen nur die Junker von Adam und wir andern fielen nebenher von der Bank? Jeden Tag wird Ihr Uebermuth größer. Darum ein Mal drauf los! Trumpf auf Trumpf. Nicht mit Federkielen, die Feder wird stumpf, je spitzer Ihr schreibt. Sie lesens nicht, oder sie lachen drüber. Aber --"
Es blieb ein Gedankenstrich. An der Hausthür setzte er noch etwas hinzu: "Und darum ists auch gut, daß Friede bleibt. Wenn sie die Franzosen schlagen, dann wär gar nicht mehr mit ihnen aus¬ kommen. Jetzt sprudeln sie vor Uebermuth, aber daß man sie nicht brauchen will, und ohne sie fortzu¬ kommen meint, ist ein guter Dämpfer."
Walter war anderer Ansicht, aber es war nicht der Augenblick, um die des Vaters zu bekämpfen. Ueber die im Hintergrunde liegende Absicht desselben war er nicht in Zweifel. Er zürnte ihm nicht, daß er von einem Plane, der ihm ans Herz gewachsen, nicht lassen konnte; aber es stimmte ihn wehmüthig, daß der Vater mit unerschütterlicher Festigkeit einem
die ich in Halle betrieb, die Kunſt zu handeln. Ich werde Ihrem Befehl gehorchen und Minchen ins Theater begleiten.“
„Nu begleite ich Dich, wohin Du willſt,“ ſagte vergnügt der Vater. An der Thür hielt er den Sohn beim Rockzipfel: „Walter, 's iſt 'ne ſchlimme Zeit geworden, und ſie muß beſſer werden, oder ſie wird noch ſchlimmer. Sind die im blauen Rock 'ne andere Race Menſchen? Stammen nur die Junker von Adam und wir andern fielen nebenher von der Bank? Jeden Tag wird Ihr Uebermuth größer. Darum ein Mal drauf los! Trumpf auf Trumpf. Nicht mit Federkielen, die Feder wird ſtumpf, je ſpitzer Ihr ſchreibt. Sie leſens nicht, oder ſie lachen drüber. Aber —“
Es blieb ein Gedankenſtrich. An der Hausthür ſetzte er noch etwas hinzu: „Und darum iſts auch gut, daß Friede bleibt. Wenn ſie die Franzoſen ſchlagen, dann wär gar nicht mehr mit ihnen aus¬ kommen. Jetzt ſprudeln ſie vor Uebermuth, aber daß man ſie nicht brauchen will, und ohne ſie fortzu¬ kommen meint, iſt ein guter Dämpfer.“
Walter war anderer Anſicht, aber es war nicht der Augenblick, um die des Vaters zu bekämpfen. Ueber die im Hintergrunde liegende Abſicht deſſelben war er nicht in Zweifel. Er zürnte ihm nicht, daß er von einem Plane, der ihm ans Herz gewachſen, nicht laſſen konnte; aber es ſtimmte ihn wehmüthig, daß der Vater mit unerſchütterlicher Feſtigkeit einem
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die ich in Halle betrieb, die Kunſt zu handeln. Ich
werde Ihrem Befehl gehorchen und Minchen ins
Theater begleiten.“
„Nu begleite ich Dich, wohin Du willſt,“
ſagte vergnügt der Vater. An der Thür hielt er den
Sohn beim Rockzipfel: „Walter, 's iſt 'ne ſchlimme
Zeit geworden, und ſie muß beſſer werden, oder ſie
wird noch ſchlimmer. Sind die im blauen Rock 'ne
andere Race Menſchen? Stammen nur die Junker
von Adam und wir andern fielen nebenher von der
Bank? Jeden Tag wird Ihr Uebermuth größer.
Darum ein Mal drauf los! Trumpf auf Trumpf.
Nicht mit Federkielen, die Feder wird ſtumpf, je
ſpitzer Ihr ſchreibt. Sie leſens nicht, oder ſie lachen
drüber. Aber —“
Es blieb ein Gedankenſtrich. An der Hausthür
ſetzte er noch etwas hinzu: „Und darum iſts auch
gut, daß Friede bleibt. Wenn ſie die Franzoſen
ſchlagen, dann wär gar nicht mehr mit ihnen aus¬
kommen. Jetzt ſprudeln ſie vor Uebermuth, aber daß
man ſie nicht brauchen will, und ohne ſie fortzu¬
kommen meint, iſt ein guter Dämpfer.“
Walter war anderer Anſicht, aber es war nicht
der Augenblick, um die des Vaters zu bekämpfen.
Ueber die im Hintergrunde liegende Abſicht deſſelben
war er nicht in Zweifel. Er zürnte ihm nicht, daß
er von einem Plane, der ihm ans Herz gewachſen,
nicht laſſen konnte; aber es ſtimmte ihn wehmüthig,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/246>, abgerufen am 22.11.2024.
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