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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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russische Fürstin allemal hinkutschirt. Ach Frau Ge¬
heimräthin, haben Sie den mal gehört? Das ist gar
kein Prediger wie die andern, der donnert von der
Kanzel, daß es Einem brühsiedend heiß wird, und
's ist Einem, als ob das liebe Fleisch von den
Knochen abginge. Der sagt's uns 'raus, daß die ganze
Menschheit in Grund und Boden nichts taugt und
keinen Schuß Pulver nicht werth ist. Und das kommt
aber nicht von uns, sondern weil wir uns von der
Erbsünde losgesagt haben, darum alles das und
noch viel mehr Herr Jesus, Frau Geheimräthin,
wie malt der Mann das alles, man siehts ordentlich.
Man möchte von keinem mehr ein Stück Brod
nehmen, so sind sie versunken und verpestet in Eitel¬
keit und Habsucht und Wollust und Hoffahrt. Und
das wird auch nicht besser werden, denn die Kinder
werden noch immer schlechter als die Eltern, von
wegen daß sie's von ihnen lernen, bis der Herr in
seinem Zorn wieder eine Sündfluth schickt, oder ein
großes Feuer, oder wie er sagt eine Bluttaufe, denn
vernichtet müßte das ganze gottlose Geschlecht werden,
sagt er, das abgefallen ist vom rechten Glauben an
die Erbsünde, und darum wären wir schwächlich und
diebisch und neidisch und verredeten, und vergäben
einer den andern, und wollten besser scheinen, als
wir sind. Und dann streckt er die Arme aus und
ruft zum Herrn der himmlischen Herrschaaren, daß
er die Kindlein fortnehmen möge in seinem Erbarmen,
und er möchte Thränen weinen, daß sie ein Meer

ruſſiſche Fürſtin allemal hinkutſchirt. Ach Frau Ge¬
heimräthin, haben Sie den mal gehört? Das iſt gar
kein Prediger wie die andern, der donnert von der
Kanzel, daß es Einem brühſiedend heiß wird, und
's iſt Einem, als ob das liebe Fleiſch von den
Knochen abginge. Der ſagt's uns 'raus, daß die ganze
Menſchheit in Grund und Boden nichts taugt und
keinen Schuß Pulver nicht werth iſt. Und das kommt
aber nicht von uns, ſondern weil wir uns von der
Erbſünde losgeſagt haben, darum alles das und
noch viel mehr Herr Jeſus, Frau Geheimräthin,
wie malt der Mann das alles, man ſiehts ordentlich.
Man möchte von keinem mehr ein Stück Brod
nehmen, ſo ſind ſie verſunken und verpeſtet in Eitel¬
keit und Habſucht und Wolluſt und Hoffahrt. Und
das wird auch nicht beſſer werden, denn die Kinder
werden noch immer ſchlechter als die Eltern, von
wegen daß ſie's von ihnen lernen, bis der Herr in
ſeinem Zorn wieder eine Sündfluth ſchickt, oder ein
großes Feuer, oder wie er ſagt eine Bluttaufe, denn
vernichtet müßte das ganze gottloſe Geſchlecht werden,
ſagt er, das abgefallen iſt vom rechten Glauben an
die Erbſünde, und darum wären wir ſchwächlich und
diebiſch und neidiſch und verredeten, und vergäben
einer den andern, und wollten beſſer ſcheinen, als
wir ſind. Und dann ſtreckt er die Arme aus und
ruft zum Herrn der himmliſchen Herrſchaaren, daß
er die Kindlein fortnehmen möge in ſeinem Erbarmen,
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[206/0216] ruſſiſche Fürſtin allemal hinkutſchirt. Ach Frau Ge¬ heimräthin, haben Sie den mal gehört? Das iſt gar kein Prediger wie die andern, der donnert von der Kanzel, daß es Einem brühſiedend heiß wird, und 's iſt Einem, als ob das liebe Fleiſch von den Knochen abginge. Der ſagt's uns 'raus, daß die ganze Menſchheit in Grund und Boden nichts taugt und keinen Schuß Pulver nicht werth iſt. Und das kommt aber nicht von uns, ſondern weil wir uns von der Erbſünde losgeſagt haben, darum alles das und noch viel mehr Herr Jeſus, Frau Geheimräthin, wie malt der Mann das alles, man ſiehts ordentlich. Man möchte von keinem mehr ein Stück Brod nehmen, ſo ſind ſie verſunken und verpeſtet in Eitel¬ keit und Habſucht und Wolluſt und Hoffahrt. Und das wird auch nicht beſſer werden, denn die Kinder werden noch immer ſchlechter als die Eltern, von wegen daß ſie's von ihnen lernen, bis der Herr in ſeinem Zorn wieder eine Sündfluth ſchickt, oder ein großes Feuer, oder wie er ſagt eine Bluttaufe, denn vernichtet müßte das ganze gottloſe Geſchlecht werden, ſagt er, das abgefallen iſt vom rechten Glauben an die Erbſünde, und darum wären wir ſchwächlich und diebiſch und neidiſch und verredeten, und vergäben einer den andern, und wollten beſſer ſcheinen, als wir ſind. Und dann ſtreckt er die Arme aus und ruft zum Herrn der himmliſchen Herrſchaaren, daß er die Kindlein fortnehmen möge in ſeinem Erbarmen, und er möchte Thränen weinen, daß ſie ein Meer

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/216>, abgerufen am 24.11.2024.