vorm Braten schon, und am Ende hätten Sie ihn die Kinder gleich einpacken lassen. Na, das käme ihm jetzt bequem. Es ist ja auch nicht das erste Mal, bei uns haben sie's schon mal so gemacht. Die Himbeersauce zur Speise rein ausgeleckt, derweil wir asserviren. Was thun sie, damit wir's nicht merken sollen? Sie gießen das große Tintenfaß aus der Registratur 'rein. Ich sahs nicht mal, denn wir hatten Eine zur Aushülfe, so ein Schlesisches Puddel, die schrie: Herr Je -- die Tunke ist ja schwarz! Na, die schwarze Brühe merkten wir denn bald. -- Und nu's einmal 'raus, soll auch alles 'raus. Das Achtgroschenstück, warum der Hausknecht seinen Jungen so gottsjämmerlich prügelte, der Gottlieb hatte es nicht in die Gosse fallen lassen -- das sagte der Junge nur aus Pfiffigkeit, daß er mit den Patschen drin wühlen konnte, und wer half ihm nicht, und derweil er heulte und wühlte, dachte er, kommt 'ne mild¬ thätige Seele, und schenkt ihm was. Sie haben ihm auch was geschenkt, aber die Prügel waren das Meiste. Nein, aus der Tasche hat er sichs stehlen lassen. Und wer hat's ihm stibitzt? -- Ich weiß es."
Ihre Hände mußten die Thränen nicht fassen können, die aus Charlottens Augen stürzten, auch das blaue Tuch, daß sie davor hielt, ward in allen Wendungen naß, und ihr Schluchzen schallte von den Wänden zurück.
"Wäre es möglich, Charlotte!"
"'S ist gewiß, Frau Geheimräthin. Es schoß
vorm Braten ſchon, und am Ende hätten Sie ihn die Kinder gleich einpacken laſſen. Na, das käme ihm jetzt bequem. Es iſt ja auch nicht das erſte Mal, bei uns haben ſie's ſchon mal ſo gemacht. Die Himbeerſauce zur Speiſe rein ausgeleckt, derweil wir aſſerviren. Was thun ſie, damit wir's nicht merken ſollen? Sie gießen das große Tintenfaß aus der Regiſtratur 'rein. Ich ſahs nicht mal, denn wir hatten Eine zur Aushülfe, ſo ein Schleſiſches Puddel, die ſchrie: Herr Je — die Tunke iſt ja ſchwarz! Na, die ſchwarze Brühe merkten wir denn bald. — Und nu's einmal 'raus, ſoll auch alles 'raus. Das Achtgroſchenſtück, warum der Hausknecht ſeinen Jungen ſo gottsjämmerlich prügelte, der Gottlieb hatte es nicht in die Goſſe fallen laſſen — das ſagte der Junge nur aus Pfiffigkeit, daß er mit den Patſchen drin wühlen konnte, und wer half ihm nicht, und derweil er heulte und wühlte, dachte er, kommt 'ne mild¬ thätige Seele, und ſchenkt ihm was. Sie haben ihm auch was geſchenkt, aber die Prügel waren das Meiſte. Nein, aus der Taſche hat er ſichs ſtehlen laſſen. Und wer hat's ihm ſtibitzt? — Ich weiß es.“
Ihre Hände mußten die Thränen nicht faſſen können, die aus Charlottens Augen ſtürzten, auch das blaue Tuch, daß ſie davor hielt, ward in allen Wendungen naß, und ihr Schluchzen ſchallte von den Wänden zurück.
„Wäre es möglich, Charlotte!“
„'S iſt gewiß, Frau Geheimräthin. Es ſchoß
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[204/0214]
vorm Braten ſchon, und am Ende hätten Sie
ihn die Kinder gleich einpacken laſſen. Na, das
käme ihm jetzt bequem. Es iſt ja auch nicht das
erſte Mal, bei uns haben ſie's ſchon mal ſo gemacht.
Die Himbeerſauce zur Speiſe rein ausgeleckt, derweil
wir aſſerviren. Was thun ſie, damit wir's nicht
merken ſollen? Sie gießen das große Tintenfaß aus
der Regiſtratur 'rein. Ich ſahs nicht mal, denn wir
hatten Eine zur Aushülfe, ſo ein Schleſiſches Puddel,
die ſchrie: Herr Je — die Tunke iſt ja ſchwarz!
Na, die ſchwarze Brühe merkten wir denn bald. —
Und nu's einmal 'raus, ſoll auch alles 'raus. Das
Achtgroſchenſtück, warum der Hausknecht ſeinen Jungen
ſo gottsjämmerlich prügelte, der Gottlieb hatte es nicht
in die Goſſe fallen laſſen — das ſagte der Junge
nur aus Pfiffigkeit, daß er mit den Patſchen drin
wühlen konnte, und wer half ihm nicht, und derweil
er heulte und wühlte, dachte er, kommt 'ne mild¬
thätige Seele, und ſchenkt ihm was. Sie haben ihm
auch was geſchenkt, aber die Prügel waren das
Meiſte. Nein, aus der Taſche hat er ſichs ſtehlen
laſſen. Und wer hat's ihm ſtibitzt? — Ich weiß es.“
Ihre Hände mußten die Thränen nicht faſſen
können, die aus Charlottens Augen ſtürzten, auch
das blaue Tuch, daß ſie davor hielt, ward in allen
Wendungen naß, und ihr Schluchzen ſchallte von
den Wänden zurück.
„Wäre es möglich, Charlotte!“
„'S iſt gewiß, Frau Geheimräthin. Es ſchoß
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/214>, abgerufen am 25.11.2024.
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