Glauben Sie mir's, Frau Geheimräthin, die war's die hat die Medicinpulle in die Mehlspeise gegossen. O Gott, ich kenne sie ja; der Fritz, ja mit reinge¬ polkt hat er in die Speise, aber Fritz ist viel zu wild; der hätte nicht nachher die Pelle, mit Respect zu sagen, so wieder rüber gepellt, daß man's nicht merken that. Und daß so was in einem so reputir¬ lichen Hause vorkommen mußte! Meine Cousine, die Frau Hoflackir, als sie's hörte, schlug die Hände über den Kopf zusammen, und sagte: Charlotte, Du mein Jemine! die Leute hätten ja denken können, sie wären vergiftet und vergeben worden."
"Das ist ein albernes Gerede."
"Das sagte ich ja auch. Erstens, das waren vornehme Gäste, und die nennt man nicht Leute, Cousine. Nun Sie müssen wissen, meine Cousine ist jetzt eine sehr respectable Frau, aber sie hat nicht die Bildung gehabt. Da muß man ihr schon so was zu Gute halten. Aber dann sagte ich ihr: Aber, Cousine, wie kannst Du so was nur denken! Ge¬ meine Leute sind rachsüchtig, und da hat schon man¬ cher seiner Frau auf den Kopf geschlagen, und in den Büchern stehts von mancher Frau, die ihren Mann vergeben hat in der Suppe, daß sie ihn unter die Erde kriegte, und hinter der Thür stand schon ein anderer. Aber unter honnetten Leuten kommt so was nicht vor, die wissen sich anders zu helfen. Und wenn's einmal, so macht man auch nicht so viel Ge¬ schrei davon, denn da wärs ja gethan um allen
Glauben Sie mir's, Frau Geheimräthin, die war's die hat die Medicinpulle in die Mehlſpeiſe gegoſſen. O Gott, ich kenne ſie ja; der Fritz, ja mit reinge¬ polkt hat er in die Speiſe, aber Fritz iſt viel zu wild; der hätte nicht nachher die Pelle, mit Reſpect zu ſagen, ſo wieder rüber gepellt, daß man's nicht merken that. Und daß ſo was in einem ſo reputir¬ lichen Hauſe vorkommen mußte! Meine Couſine, die Frau Hoflackir, als ſie's hörte, ſchlug die Hände über den Kopf zuſammen, und ſagte: Charlotte, Du mein Jemine! die Leute hätten ja denken können, ſie wären vergiftet und vergeben worden.“
„Das iſt ein albernes Gerede.“
„Das ſagte ich ja auch. Erſtens, das waren vornehme Gäſte, und die nennt man nicht Leute, Couſine. Nun Sie müſſen wiſſen, meine Couſine iſt jetzt eine ſehr reſpectable Frau, aber ſie hat nicht die Bildung gehabt. Da muß man ihr ſchon ſo was zu Gute halten. Aber dann ſagte ich ihr: Aber, Couſine, wie kannſt Du ſo was nur denken! Ge¬ meine Leute ſind rachſüchtig, und da hat ſchon man¬ cher ſeiner Frau auf den Kopf geſchlagen, und in den Büchern ſtehts von mancher Frau, die ihren Mann vergeben hat in der Suppe, daß ſie ihn unter die Erde kriegte, und hinter der Thür ſtand ſchon ein anderer. Aber unter honnetten Leuten kommt ſo was nicht vor, die wiſſen ſich anders zu helfen. Und wenn's einmal, ſo macht man auch nicht ſo viel Ge¬ ſchrei davon, denn da wärs ja gethan um allen
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[201/0211]
Glauben Sie mir's, Frau Geheimräthin, die war's
die hat die Medicinpulle in die Mehlſpeiſe gegoſſen.
O Gott, ich kenne ſie ja; der Fritz, ja mit reinge¬
polkt hat er in die Speiſe, aber Fritz iſt viel zu
wild; der hätte nicht nachher die Pelle, mit Reſpect
zu ſagen, ſo wieder rüber gepellt, daß man's nicht
merken that. Und daß ſo was in einem ſo reputir¬
lichen Hauſe vorkommen mußte! Meine Couſine, die
Frau Hoflackir, als ſie's hörte, ſchlug die Hände über
den Kopf zuſammen, und ſagte: Charlotte, Du mein
Jemine! die Leute hätten ja denken können, ſie wären
vergiftet und vergeben worden.“
„Das iſt ein albernes Gerede.“
„Das ſagte ich ja auch. Erſtens, das waren
vornehme Gäſte, und die nennt man nicht Leute,
Couſine. Nun Sie müſſen wiſſen, meine Couſine
iſt jetzt eine ſehr reſpectable Frau, aber ſie hat nicht
die Bildung gehabt. Da muß man ihr ſchon ſo
was zu Gute halten. Aber dann ſagte ich ihr: Aber,
Couſine, wie kannſt Du ſo was nur denken! Ge¬
meine Leute ſind rachſüchtig, und da hat ſchon man¬
cher ſeiner Frau auf den Kopf geſchlagen, und in
den Büchern ſtehts von mancher Frau, die ihren
Mann vergeben hat in der Suppe, daß ſie ihn unter
die Erde kriegte, und hinter der Thür ſtand ſchon ein
anderer. Aber unter honnetten Leuten kommt ſo was
nicht vor, die wiſſen ſich anders zu helfen. Und
wenn's einmal, ſo macht man auch nicht ſo viel Ge¬
ſchrei davon, denn da wärs ja gethan um allen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/211>, abgerufen am 25.11.2024.
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