Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852."Ja, ich liebe ihn, rief die Baronin, und ich Also das war es. Mild lächelnd blickte die "Erinnern Sie sich, wie der verlorne Sohn auf¬ "Ich kann ihn doch jetzt nicht verlassen -- wenn "An Ihre Liebe. Das ist sehr wahr. Der ver¬ III. 12
„Ja, ich liebe ihn, rief die Baronin, und ich Alſo das war es. Mild lächelnd blickte die „Erinnern Sie ſich, wie der verlorne Sohn auf¬ „Ich kann ihn doch jetzt nicht verlaſſen — wenn „An Ihre Liebe. Das iſt ſehr wahr. Der ver¬ III. 12
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0187" n="177"/> <p>„Ja, ich liebe ihn, rief die Baronin, und ich<lb/> bin ja eine verheirathete Frau.“</p><lb/> <p>Alſo das war es. Mild lächelnd blickte die<lb/> Fürſtin auf die Sünderin herab, und fuhr mit den<lb/> weichen Fingern über ihre Stirn:</p><lb/> <p>„Erinnern Sie ſich, wie der verlorne Sohn auf¬<lb/> genommen ward!“</p><lb/> <p>„Ich kann ihn doch jetzt nicht verlaſſen — wenn<lb/> ich jetzt zurückkehre, raube ich ihm ſeinen Glauben —“</p><lb/> <p>„An Ihre Liebe. Das iſt ſehr wahr. Der ver¬<lb/> lorne Sohn kehrte auch nicht auf den erſten Anfall<lb/> von Reue zurück. Würde er ſo im Hauſe des Vaters<lb/> empfangen ſein! Er mußte eine furchtbare Schule<lb/> der Sünde durchmachen, um der Gnade werth zu<lb/> ſein. Wäre er in ſich gegangen nach einer leichten<lb/> Verirrung, und hätte er ſich etwa nach einem Trink¬<lb/> gelag, einem Verluſt im Spiel, einer wüſten Nacht,<lb/> reuig dem Vater zu Füßen geworfen, es wäre gewiß<lb/> ſehr hübſch und moraliſch, aber der Vater, wenn er<lb/> ein vernünftiger Mann war, hätte ihn aufgehoben<lb/> und auf die Schulter geklopft und geſprochen: Nun<lb/> das freut mich, daß Du es ſelbſt einſiehſt, künftig<lb/> wirſt Du Dich davor hüten, aber nun mache kein<lb/> Aufheben davon, daß Du nicht ins Gerede kommſt;<lb/> ſei ganz wie vorher, ich werde gegen Dich auch wie<lb/> immer ſein. O meine Freundin, wo blieb da die<lb/> Seligkeit, die den Sohn, den Vater, das ganze<lb/> Haus, die Nachbarſchaft, erfüllte, jene Seligkeit, um<lb/> die es ſich lohnt gelebt, ſo viel Qualen ausgeſtanden<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III</hi>. 12<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0187]
„Ja, ich liebe ihn, rief die Baronin, und ich
bin ja eine verheirathete Frau.“
Alſo das war es. Mild lächelnd blickte die
Fürſtin auf die Sünderin herab, und fuhr mit den
weichen Fingern über ihre Stirn:
„Erinnern Sie ſich, wie der verlorne Sohn auf¬
genommen ward!“
„Ich kann ihn doch jetzt nicht verlaſſen — wenn
ich jetzt zurückkehre, raube ich ihm ſeinen Glauben —“
„An Ihre Liebe. Das iſt ſehr wahr. Der ver¬
lorne Sohn kehrte auch nicht auf den erſten Anfall
von Reue zurück. Würde er ſo im Hauſe des Vaters
empfangen ſein! Er mußte eine furchtbare Schule
der Sünde durchmachen, um der Gnade werth zu
ſein. Wäre er in ſich gegangen nach einer leichten
Verirrung, und hätte er ſich etwa nach einem Trink¬
gelag, einem Verluſt im Spiel, einer wüſten Nacht,
reuig dem Vater zu Füßen geworfen, es wäre gewiß
ſehr hübſch und moraliſch, aber der Vater, wenn er
ein vernünftiger Mann war, hätte ihn aufgehoben
und auf die Schulter geklopft und geſprochen: Nun
das freut mich, daß Du es ſelbſt einſiehſt, künftig
wirſt Du Dich davor hüten, aber nun mache kein
Aufheben davon, daß Du nicht ins Gerede kommſt;
ſei ganz wie vorher, ich werde gegen Dich auch wie
immer ſein. O meine Freundin, wo blieb da die
Seligkeit, die den Sohn, den Vater, das ganze
Haus, die Nachbarſchaft, erfüllte, jene Seligkeit, um
die es ſich lohnt gelebt, ſo viel Qualen ausgeſtanden
III. 12
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