der Magen nicht Kraft hat es zu verdauen. Dies Volk ist zu vielem gut, es hat auch gesunde Glieder, wenn nur der Kopf da ist, der sie regiert. Das aber bilden Sie sich nicht ein, daß diese Glieder schon reif sind für sich selbst zu stehen. Dafür vergaß der große Mann zu sorgen. Er führte sein Volk in die Welt¬ geschichte ein, und übersah, ihm die Erziehung zu geben, daß es mit Ehren darin bestände. Mit der militairischen Tournure ists nicht gethan; der Knebel¬ bart imponirt nur auf den ersten Anblick, und selbst ist allein der Mann. Er war müde über ein Volk von Sklaven zu herrschen, ja, aber sie sind es ge¬ blieben, weil er ein Lehrmeister war wie der Gelehrte in einer Bauernschule. Glänzende Schulaktus hat er mit ihnen aufgeführt und sie declamiren lassen, was sie nicht verstanden. Friede seiner Asche und Fluch dem, wer einen Stein auf sein Grab wirft, denn Deutschland hat keinen Größern geboren, aber sein Reich, mein Herr, ist die Schöpfung eines Zauberers. Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend, erscheint alles, so lange sein Geist darüber waltet. Aber wenn der schlafen geht, vertrocknen die Palmen und Lilien zu Haidekraut und der Pallast versinkt in ein Unkenmoor. Da sehn Sie diese Reihe von Statuen. Kunstwerke, so lange er unter ihnen wan¬ delte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was ist aus seiner Gliederung geworden, in Civil und Militair, was aus dem angestaunten Mechanismus seiner Staatsorganisation? Ein schönes Lied auf
der Magen nicht Kraft hat es zu verdauen. Dies Volk iſt zu vielem gut, es hat auch geſunde Glieder, wenn nur der Kopf da iſt, der ſie regiert. Das aber bilden Sie ſich nicht ein, daß dieſe Glieder ſchon reif ſind für ſich ſelbſt zu ſtehen. Dafür vergaß der große Mann zu ſorgen. Er führte ſein Volk in die Welt¬ geſchichte ein, und überſah, ihm die Erziehung zu geben, daß es mit Ehren darin beſtände. Mit der militairiſchen Tournure iſts nicht gethan; der Knebel¬ bart imponirt nur auf den erſten Anblick, und ſelbſt iſt allein der Mann. Er war müde über ein Volk von Sklaven zu herrſchen, ja, aber ſie ſind es ge¬ blieben, weil er ein Lehrmeiſter war wie der Gelehrte in einer Bauernſchule. Glänzende Schulaktus hat er mit ihnen aufgeführt und ſie declamiren laſſen, was ſie nicht verſtanden. Friede ſeiner Aſche und Fluch dem, wer einen Stein auf ſein Grab wirft, denn Deutſchland hat keinen Größern geboren, aber ſein Reich, mein Herr, iſt die Schöpfung eines Zauberers. Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend, erſcheint alles, ſo lange ſein Geiſt darüber waltet. Aber wenn der ſchlafen geht, vertrocknen die Palmen und Lilien zu Haidekraut und der Pallaſt verſinkt in ein Unkenmoor. Da ſehn Sie dieſe Reihe von Statuen. Kunſtwerke, ſo lange er unter ihnen wan¬ delte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was iſt aus ſeiner Gliederung geworden, in Civil und Militair, was aus dem angeſtaunten Mechanismus ſeiner Staatsorganiſation? Ein ſchönes Lied auf
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0158"n="148"/>
der Magen nicht Kraft hat es zu verdauen. Dies<lb/>
Volk iſt zu vielem gut, es hat auch geſunde Glieder,<lb/>
wenn nur der Kopf da iſt, der ſie regiert. Das aber<lb/>
bilden Sie ſich nicht ein, daß dieſe Glieder ſchon reif<lb/>ſind für ſich ſelbſt zu ſtehen. Dafür vergaß der große<lb/>
Mann zu ſorgen. Er führte ſein Volk in die Welt¬<lb/>
geſchichte ein, und überſah, ihm die Erziehung zu<lb/>
geben, daß es mit Ehren darin beſtände. Mit der<lb/>
militairiſchen Tournure iſts nicht gethan; der Knebel¬<lb/>
bart imponirt nur auf den erſten Anblick, und ſelbſt<lb/>
iſt allein der Mann. Er war müde über ein Volk<lb/>
von Sklaven zu herrſchen, ja, aber ſie ſind es ge¬<lb/>
blieben, weil er ein Lehrmeiſter war wie der Gelehrte<lb/>
in einer Bauernſchule. Glänzende Schulaktus hat er<lb/>
mit ihnen aufgeführt und ſie declamiren laſſen, was<lb/>ſie nicht verſtanden. Friede ſeiner Aſche und Fluch<lb/>
dem, wer einen Stein auf ſein Grab wirft, denn<lb/>
Deutſchland hat keinen Größern geboren, aber ſein<lb/>
Reich, mein Herr, iſt die Schöpfung eines Zauberers.<lb/>
Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend,<lb/>
erſcheint alles, ſo lange ſein Geiſt darüber waltet.<lb/>
Aber wenn der ſchlafen geht, vertrocknen die Palmen<lb/>
und Lilien zu Haidekraut und der Pallaſt verſinkt<lb/>
in ein Unkenmoor. Da ſehn Sie dieſe Reihe von<lb/>
Statuen. Kunſtwerke, ſo lange er unter ihnen wan¬<lb/>
delte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was<lb/>
iſt aus ſeiner Gliederung geworden, in Civil und<lb/>
Militair, was aus dem angeſtaunten Mechanismus<lb/>ſeiner Staatsorganiſation? Ein ſchönes Lied auf<lb/></p></div></body></text></TEI>
[148/0158]
der Magen nicht Kraft hat es zu verdauen. Dies
Volk iſt zu vielem gut, es hat auch geſunde Glieder,
wenn nur der Kopf da iſt, der ſie regiert. Das aber
bilden Sie ſich nicht ein, daß dieſe Glieder ſchon reif
ſind für ſich ſelbſt zu ſtehen. Dafür vergaß der große
Mann zu ſorgen. Er führte ſein Volk in die Welt¬
geſchichte ein, und überſah, ihm die Erziehung zu
geben, daß es mit Ehren darin beſtände. Mit der
militairiſchen Tournure iſts nicht gethan; der Knebel¬
bart imponirt nur auf den erſten Anblick, und ſelbſt
iſt allein der Mann. Er war müde über ein Volk
von Sklaven zu herrſchen, ja, aber ſie ſind es ge¬
blieben, weil er ein Lehrmeiſter war wie der Gelehrte
in einer Bauernſchule. Glänzende Schulaktus hat er
mit ihnen aufgeführt und ſie declamiren laſſen, was
ſie nicht verſtanden. Friede ſeiner Aſche und Fluch
dem, wer einen Stein auf ſein Grab wirft, denn
Deutſchland hat keinen Größern geboren, aber ſein
Reich, mein Herr, iſt die Schöpfung eines Zauberers.
Wunderbar groß, zweckmäßig, in einander greifend,
erſcheint alles, ſo lange ſein Geiſt darüber waltet.
Aber wenn der ſchlafen geht, vertrocknen die Palmen
und Lilien zu Haidekraut und der Pallaſt verſinkt
in ein Unkenmoor. Da ſehn Sie dieſe Reihe von
Statuen. Kunſtwerke, ſo lange er unter ihnen wan¬
delte, jetzt verwitterte, moosbedeckte Fratzen. Was
iſt aus ſeiner Gliederung geworden, in Civil und
Militair, was aus dem angeſtaunten Mechanismus
ſeiner Staatsorganiſation? Ein ſchönes Lied auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/158>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.