und aus der wunden Tiefe machte sich das Wort Luft: "Er war müde über Sklaven zu herrschen!"
Der Fremde war hinter einem Baum hervorge¬ treten. In seinem festen, aber zuweilen stürmischen, Schritt hielt er, wie frappirt, inne. Auf Walters Gesicht schien der letzte volle Sonnenschein, der Fremde stand beschattet; ein feingeschnittenes, charakteristisches Gesicht war noch zu erkennen.
"Ein Hiesiger?" fragte der andre rasch.
Die Frage war seltsam, es mochte auch ein Be¬ amter sein, der den späten Besucher auf einem nicht erlaubten Wege ertappt zu haben glaubte. Walter antwortete eben so kurz.
"Aus der Hauptstadt."
"Ein Angestellter?" warf der andre in dersel¬ ben Art hin.
"Ein freier Mann," sprach Walter jetzt mit fester Stimme.
Der andre sah ihn groß an. Walter glaubte die Worte murmeln zu hören: "Das ist ja wunder¬ bar." Mehr hörte er nicht, denn beide gingen an einander vorüber. Sie trafen sich zufällig noch ein¬ mal. Der Fremde hatte den Weg verfehlt, indem er einen Ausgang, wo er nicht war, suchte. Walter wies ihn zurecht; es war auch sein Weg. Der Fremde schien durch eine leichte Bewegung zu danken, ohne es für nöthig zu halten ein Wort zu verlieren. So machte es wieder der Zufall, daß sie neben einander gingen. Der Fremde war wirklich ein Fremder in
und aus der wunden Tiefe machte ſich das Wort Luft: „Er war müde über Sklaven zu herrſchen!“
Der Fremde war hinter einem Baum hervorge¬ treten. In ſeinem feſten, aber zuweilen ſtürmiſchen, Schritt hielt er, wie frappirt, inne. Auf Walters Geſicht ſchien der letzte volle Sonnenſchein, der Fremde ſtand beſchattet; ein feingeſchnittenes, charakteriſtiſches Geſicht war noch zu erkennen.
„Ein Hieſiger?“ fragte der andre raſch.
Die Frage war ſeltſam, es mochte auch ein Be¬ amter ſein, der den ſpäten Beſucher auf einem nicht erlaubten Wege ertappt zu haben glaubte. Walter antwortete eben ſo kurz.
„Aus der Hauptſtadt.“
„Ein Angeſtellter?“ warf der andre in derſel¬ ben Art hin.
„Ein freier Mann,“ ſprach Walter jetzt mit feſter Stimme.
Der andre ſah ihn groß an. Walter glaubte die Worte murmeln zu hören: „Das iſt ja wunder¬ bar.“ Mehr hörte er nicht, denn beide gingen an einander vorüber. Sie trafen ſich zufällig noch ein¬ mal. Der Fremde hatte den Weg verfehlt, indem er einen Ausgang, wo er nicht war, ſuchte. Walter wies ihn zurecht; es war auch ſein Weg. Der Fremde ſchien durch eine leichte Bewegung zu danken, ohne es für nöthig zu halten ein Wort zu verlieren. So machte es wieder der Zufall, daß ſie neben einander gingen. Der Fremde war wirklich ein Fremder in
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und aus der wunden Tiefe machte ſich das Wort
Luft: „Er war müde über Sklaven zu herrſchen!“
Der Fremde war hinter einem Baum hervorge¬
treten. In ſeinem feſten, aber zuweilen ſtürmiſchen,
Schritt hielt er, wie frappirt, inne. Auf Walters
Geſicht ſchien der letzte volle Sonnenſchein, der Fremde
ſtand beſchattet; ein feingeſchnittenes, charakteriſtiſches
Geſicht war noch zu erkennen.
„Ein Hieſiger?“ fragte der andre raſch.
Die Frage war ſeltſam, es mochte auch ein Be¬
amter ſein, der den ſpäten Beſucher auf einem nicht
erlaubten Wege ertappt zu haben glaubte. Walter
antwortete eben ſo kurz.
„Aus der Hauptſtadt.“
„Ein Angeſtellter?“ warf der andre in derſel¬
ben Art hin.
„Ein freier Mann,“ ſprach Walter jetzt mit feſter
Stimme.
Der andre ſah ihn groß an. Walter glaubte
die Worte murmeln zu hören: „Das iſt ja wunder¬
bar.“ Mehr hörte er nicht, denn beide gingen an
einander vorüber. Sie trafen ſich zufällig noch ein¬
mal. Der Fremde hatte den Weg verfehlt, indem
er einen Ausgang, wo er nicht war, ſuchte. Walter
wies ihn zurecht; es war auch ſein Weg. Der Fremde
ſchien durch eine leichte Bewegung zu danken, ohne
es für nöthig zu halten ein Wort zu verlieren. So
machte es wieder der Zufall, daß ſie neben einander
gingen. Der Fremde war wirklich ein Fremder in
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/153>, abgerufen am 16.02.2025.
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