tragen? Um uns doch nicht! Sein Geist ists allein, mein junger Herr Gelehrter, der noch da sitzt; auf den horchen sie, vor dem schüttelt es sie, die Großen und Mächtigen, daß er plötzlich aufstehen könnte, und sich schütteln im Zorn."
Es war eine Pause eingetreten. Ihre Gedan¬ ken, abwärts schweifend, fanden sich wieder.
"'s ist doch was Großes um einen großen Mann! sagte der alte Militair. Was er hinterließ, es läßt sich mit keinem Schwamm auslöschen. Was haben sie gebürstet und gescheuert, die Herren da mit den Jesuitengesichtern! Säuberlich, daß man's nicht merken sollte, aber der Klumpfuß kam doch vor, und das Volk hat ihn gesehen. Wie haben sie seine oeuvres posthumes traktirt, daß es eine Schande ist! Und hier in Sanssouci, jetzt schonen sie die Scheuer¬ magd, aber damals, als noch der Staub seiner Füße dalag, das Buch, darin er gelesen, das letzte Papier, auf dem seine Hand geruht -- da hätten seine Ge¬ nerale und Minister auf Sammetschuhen eintreten müssen, mit verhaltenem Athem und zu Protocoll nehmen und Siegel anlegen, daß alles bleibe, wie es gelegen, ein Heiligtum zum ewigen Gedächtniß seines Volkes -- aber die Besen haben ja gewirth¬ schaftet, als könnte der Erbe im Todtenhaus es nicht abwarten bis er Hochzeit macht. -- Und das sollte noch nicht das schlimmste sein, großer Gott!"
"Was ist denn schlimmer?"
"Daß eine junge Generation aufkam, die ihm
tragen? Um uns doch nicht! Sein Geiſt iſts allein, mein junger Herr Gelehrter, der noch da ſitzt; auf den horchen ſie, vor dem ſchüttelt es ſie, die Großen und Mächtigen, daß er plötzlich aufſtehen könnte, und ſich ſchütteln im Zorn.“
Es war eine Pauſe eingetreten. Ihre Gedan¬ ken, abwärts ſchweifend, fanden ſich wieder.
„'s iſt doch was Großes um einen großen Mann! ſagte der alte Militair. Was er hinterließ, es läßt ſich mit keinem Schwamm auslöſchen. Was haben ſie gebürſtet und geſcheuert, die Herren da mit den Jeſuitengeſichtern! Säuberlich, daß man's nicht merken ſollte, aber der Klumpfuß kam doch vor, und das Volk hat ihn geſehen. Wie haben ſie ſeine oeuvres posthumes traktirt, daß es eine Schande iſt! Und hier in Sansſouci, jetzt ſchonen ſie die Scheuer¬ magd, aber damals, als noch der Staub ſeiner Füße dalag, das Buch, darin er geleſen, das letzte Papier, auf dem ſeine Hand geruht — da hätten ſeine Ge¬ nerale und Miniſter auf Sammetſchuhen eintreten müſſen, mit verhaltenem Athem und zu Protocoll nehmen und Siegel anlegen, daß alles bleibe, wie es gelegen, ein Heiligtum zum ewigen Gedächtniß ſeines Volkes — aber die Beſen haben ja gewirth¬ ſchaftet, als könnte der Erbe im Todtenhaus es nicht abwarten bis er Hochzeit macht. — Und das ſollte noch nicht das ſchlimmſte ſein, großer Gott!“
„Was iſt denn ſchlimmer?“
„Daß eine junge Generation aufkam, die ihm
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tragen? Um uns doch nicht! Sein Geiſt iſts allein,
mein junger Herr Gelehrter, der noch da ſitzt; auf
den horchen ſie, vor dem ſchüttelt es ſie, die Großen
und Mächtigen, daß er plötzlich aufſtehen könnte, und
ſich ſchütteln im Zorn.“
Es war eine Pauſe eingetreten. Ihre Gedan¬
ken, abwärts ſchweifend, fanden ſich wieder.
„'s iſt doch was Großes um einen großen
Mann! ſagte der alte Militair. Was er hinterließ,
es läßt ſich mit keinem Schwamm auslöſchen. Was
haben ſie gebürſtet und geſcheuert, die Herren da mit
den Jeſuitengeſichtern! Säuberlich, daß man's nicht
merken ſollte, aber der Klumpfuß kam doch vor, und
das Volk hat ihn geſehen. Wie haben ſie ſeine
oeuvres posthumes traktirt, daß es eine Schande iſt!
Und hier in Sansſouci, jetzt ſchonen ſie die Scheuer¬
magd, aber damals, als noch der Staub ſeiner Füße
dalag, das Buch, darin er geleſen, das letzte Papier,
auf dem ſeine Hand geruht — da hätten ſeine Ge¬
nerale und Miniſter auf Sammetſchuhen eintreten
müſſen, mit verhaltenem Athem und zu Protocoll
nehmen und Siegel anlegen, daß alles bleibe, wie
es gelegen, ein Heiligtum zum ewigen Gedächtniß
ſeines Volkes — aber die Beſen haben ja gewirth¬
ſchaftet, als könnte der Erbe im Todtenhaus es nicht
abwarten bis er Hochzeit macht. — Und das ſollte
noch nicht das ſchlimmſte ſein, großer Gott!“
„Was iſt denn ſchlimmer?“
„Daß eine junge Generation aufkam, die ihm
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/138>, abgerufen am 10.07.2024.
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