Die Trommel wirbelte oft, es blieben Präludien. Cavallerieschaaren preschten flimmernd und klirrend durch die Straßen, es war der Wind, der im Aehren¬ felde rauscht. Nur eine Melodie summte alle Vier¬ telstunde ihm in die Ohren, das Glockenspiel auf dem Thurme:
Ueb' immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein stilles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.
Er folgte den welken Blättern, die der Wind vor seinen Füßen trieb; ihm gleich wohin. Er folgte ihnen aus der Stadt, hinaus aufs Feld, auf die Höhen. Ehe er es selbst wußte, stand er auf dem Ruinenberge, der das unter ihm liegende Sanssouci und die noch tiefere Stadt beherrscht. Die Laune des großen Königs baute Trümmerwände eines rö¬ mischen Circus hierher, die Arena sollte das Wasser¬ reservoir werden, aus dem die Fontainen in Sans¬ souci und der Stadt gespeist würden. Das Werk mißlang, und der König gab es auf. Er war müde geworden des Kampfes mit den Menschen und der Natur. Die künstliche Ruine, von Unkraut über¬ wuchert, von aufschießenden Kieferbäumen umstanden, war selbst wieder zur natürlichen geworden. Die eisernen Röhren, zerschlagen, waren als Prallpfeiler an den Straßen benutzt.
Walter lehnte sich an eine Arcade. Grau lag Gegend und Stadt vor seinen Füßen; von den ge¬
Die Trommel wirbelte oft, es blieben Präludien. Cavallerieſchaaren preſchten flimmernd und klirrend durch die Straßen, es war der Wind, der im Aehren¬ felde rauſcht. Nur eine Melodie ſummte alle Vier¬ telſtunde ihm in die Ohren, das Glockenſpiel auf dem Thurme:
Ueb' immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein ſtilles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.
Er folgte den welken Blättern, die der Wind vor ſeinen Füßen trieb; ihm gleich wohin. Er folgte ihnen aus der Stadt, hinaus aufs Feld, auf die Höhen. Ehe er es ſelbſt wußte, ſtand er auf dem Ruinenberge, der das unter ihm liegende Sansſouci und die noch tiefere Stadt beherrſcht. Die Laune des großen Königs baute Trümmerwände eines rö¬ miſchen Circus hierher, die Arena ſollte das Waſſer¬ reſervoir werden, aus dem die Fontainen in Sans¬ ſouci und der Stadt geſpeiſt würden. Das Werk mißlang, und der König gab es auf. Er war müde geworden des Kampfes mit den Menſchen und der Natur. Die künſtliche Ruine, von Unkraut über¬ wuchert, von aufſchießenden Kieferbäumen umſtanden, war ſelbſt wieder zur natürlichen geworden. Die eiſernen Röhren, zerſchlagen, waren als Prallpfeiler an den Straßen benutzt.
Walter lehnte ſich an eine Arcade. Grau lag Gegend und Stadt vor ſeinen Füßen; von den ge¬
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Die Trommel wirbelte oft, es blieben Präludien.
Cavallerieſchaaren preſchten flimmernd und klirrend
durch die Straßen, es war der Wind, der im Aehren¬
felde rauſcht. Nur eine Melodie ſummte alle Vier¬
telſtunde ihm in die Ohren, das Glockenſpiel auf
dem Thurme:
Ueb' immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein ſtilles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab.
Er folgte den welken Blättern, die der Wind
vor ſeinen Füßen trieb; ihm gleich wohin. Er folgte
ihnen aus der Stadt, hinaus aufs Feld, auf die
Höhen. Ehe er es ſelbſt wußte, ſtand er auf dem
Ruinenberge, der das unter ihm liegende Sansſouci
und die noch tiefere Stadt beherrſcht. Die Laune
des großen Königs baute Trümmerwände eines rö¬
miſchen Circus hierher, die Arena ſollte das Waſſer¬
reſervoir werden, aus dem die Fontainen in Sans¬
ſouci und der Stadt geſpeiſt würden. Das Werk
mißlang, und der König gab es auf. Er war müde
geworden des Kampfes mit den Menſchen und der
Natur. Die künſtliche Ruine, von Unkraut über¬
wuchert, von aufſchießenden Kieferbäumen umſtanden,
war ſelbſt wieder zur natürlichen geworden. Die
eiſernen Röhren, zerſchlagen, waren als Prallpfeiler
an den Straßen benutzt.
Walter lehnte ſich an eine Arcade. Grau lag
Gegend und Stadt vor ſeinen Füßen; von den ge¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/127>, abgerufen am 08.07.2024.
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