Möchte sie nie den Dank gegen den vergessen, dem sie ihr Alles verdankt."
"Dank, meine Gnädige! Es giebt keine Sub¬ stanz in der Chemie, die so schnell verflüchtigt! Wer darauf bauen wollte --"
"Sie brauchen nicht zu bauen, denn Ihr Haus steht fest. Freilich, was ist Ihnen daran gelegen, daß man Sie in Berlin vergöttert! Indessen es ist doch auch für einen Philosophen nicht ganz unange¬ nehm, wenn ihn die Leute auf der Straße kennen und feiern. Ach, mein Gott, warum mußten Sie damals so schnell abreisen. Das war ein Erkundigen, ein Fragen nach Ihnen. Der Hausknecht, die Ouvriers, die für Sie gearbeitet, wer nur das Glück gehabt, Sie in Gesellschaft, in seinem Hause zu sehen, mußte Auskunft geben, wie Sie aussähen, sprächen, welche Ihre Freunde, ob Sie verheirathet wären, ob Sie hier Ihr Domicil aufschlagen würden? Man wußte Sie in kleine Theile zu zerlegen, und meinte der kleinste wäre doch noch etwas, was der Betrachtung Stoff giebt. Einige meinten, es sei doch eine Art Koketterie, daß Sie durch Ihre schnelle Abreise der allgemeinen Bewunderung sich entzögen, ich indeß meinte etwas anderes --"
"Und darf ich fragen, was meine Freundin meinte?"
"Sie leben sich selbst, und fühlen einen andern Beruf, als der Neugier der Menge Räthsel aufzu¬ geben, die Sie nicht lösen wollen, vor ihr wenigstens. Wahrhaftig, ich verdenke es Ihnen nicht."
Möchte ſie nie den Dank gegen den vergeſſen, dem ſie ihr Alles verdankt.“
„Dank, meine Gnädige! Es giebt keine Sub¬ ſtanz in der Chemie, die ſo ſchnell verflüchtigt! Wer darauf bauen wollte —“
„Sie brauchen nicht zu bauen, denn Ihr Haus ſteht feſt. Freilich, was iſt Ihnen daran gelegen, daß man Sie in Berlin vergöttert! Indeſſen es iſt doch auch für einen Philoſophen nicht ganz unange¬ nehm, wenn ihn die Leute auf der Straße kennen und feiern. Ach, mein Gott, warum mußten Sie damals ſo ſchnell abreiſen. Das war ein Erkundigen, ein Fragen nach Ihnen. Der Hausknecht, die Ouvriers, die für Sie gearbeitet, wer nur das Glück gehabt, Sie in Geſellſchaft, in ſeinem Hauſe zu ſehen, mußte Auskunft geben, wie Sie ausſähen, ſprächen, welche Ihre Freunde, ob Sie verheirathet wären, ob Sie hier Ihr Domicil aufſchlagen würden? Man wußte Sie in kleine Theile zu zerlegen, und meinte der kleinſte wäre doch noch etwas, was der Betrachtung Stoff giebt. Einige meinten, es ſei doch eine Art Koketterie, daß Sie durch Ihre ſchnelle Abreiſe der allgemeinen Bewunderung ſich entzögen, ich indeß meinte etwas anderes —“
„Und darf ich fragen, was meine Freundin meinte?“
„Sie leben ſich ſelbſt, und fühlen einen andern Beruf, als der Neugier der Menge Räthſel aufzu¬ geben, die Sie nicht löſen wollen, vor ihr wenigſtens. Wahrhaftig, ich verdenke es Ihnen nicht.“
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Möchte ſie nie den Dank gegen den vergeſſen, dem
ſie ihr Alles verdankt.“
„Dank, meine Gnädige! Es giebt keine Sub¬
ſtanz in der Chemie, die ſo ſchnell verflüchtigt! Wer
darauf bauen wollte —“
„Sie brauchen nicht zu bauen, denn Ihr Haus
ſteht feſt. Freilich, was iſt Ihnen daran gelegen,
daß man Sie in Berlin vergöttert! Indeſſen es iſt
doch auch für einen Philoſophen nicht ganz unange¬
nehm, wenn ihn die Leute auf der Straße kennen
und feiern. Ach, mein Gott, warum mußten Sie
damals ſo ſchnell abreiſen. Das war ein Erkundigen,
ein Fragen nach Ihnen. Der Hausknecht, die Ouvriers,
die für Sie gearbeitet, wer nur das Glück gehabt,
Sie in Geſellſchaft, in ſeinem Hauſe zu ſehen, mußte
Auskunft geben, wie Sie ausſähen, ſprächen, welche
Ihre Freunde, ob Sie verheirathet wären, ob Sie
hier Ihr Domicil aufſchlagen würden? Man wußte
Sie in kleine Theile zu zerlegen, und meinte der
kleinſte wäre doch noch etwas, was der Betrachtung
Stoff giebt. Einige meinten, es ſei doch eine Art
Koketterie, daß Sie durch Ihre ſchnelle Abreiſe der
allgemeinen Bewunderung ſich entzögen, ich indeß
meinte etwas anderes —“
„Und darf ich fragen, was meine Freundin meinte?“
„Sie leben ſich ſelbſt, und fühlen einen andern
Beruf, als der Neugier der Menge Räthſel aufzu¬
geben, die Sie nicht löſen wollen, vor ihr wenigſtens.
Wahrhaftig, ich verdenke es Ihnen nicht.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/79>, abgerufen am 23.11.2024.
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