mehr die Rede, aber vielleicht für mehr als Du jetzt schon bist, Du bist ein enfant gate der Modewelt, alles, weil Du in einem Hause lebst, was Geltung hat. Ja, mein liebes Kind, wer unter den Menschen leben will, muß vor ihnen gelten wollen."
Die Geheimräthin wühlte mit einem kalten Eisen in einem warmen Herzen. Es war nicht das erste Mal, es geschah auch nicht zufällig; sie meinte auch, nicht mit grausamer Absicht. Um fest zu werden für das Leben vor uns, muß man jeden Augenblick über das hinter uns klar sein, war ihr Argument.
Auch Adelheid wiederholte nur, was sie schon tausendmal gesagt, von dem Schutzengel, den sie ge¬ funden, dem neuen Leben, welches sie in diesem Hause angefangen, wie sie sich selbst jedesmal strafe, wenn sie dem Willen ihrer Retterin entgegen handelte, wie Alles hier zu ihrem Glücke ausschlage.
"Und doch wünschtest Du dich schon fort!"
So eiskalt der durchdringende Blick der Lupinus war, der auf ihr ruhte, eine so hohe Röthe übergoß Adelheids Stirn und Wangen; sie senkte die Augen: sie sei vielleicht zu glücklich, darum wünsche sie manchmal, es wäre alles ein Traum.
"Das sind idyllische Stimmungen, die ich Dei¬ nen Jahren gönne, aber Dein Verstand überflügelt schon Deine Jahre. Dir mißbehagt manches, Du fühlst Dich nicht ganz zu Hause; ich verdenke es Dir nicht, aber Du mußt klar mit Dir werden. Ich weiß es sehr wohl, liebes Kind, manche Besucher, die Ge¬
4*
mehr die Rede, aber vielleicht für mehr als Du jetzt ſchon biſt, Du biſt ein enfant gaté der Modewelt, alles, weil Du in einem Hauſe lebſt, was Geltung hat. Ja, mein liebes Kind, wer unter den Menſchen leben will, muß vor ihnen gelten wollen.“
Die Geheimräthin wühlte mit einem kalten Eiſen in einem warmen Herzen. Es war nicht das erſte Mal, es geſchah auch nicht zufällig; ſie meinte auch, nicht mit grauſamer Abſicht. Um feſt zu werden für das Leben vor uns, muß man jeden Augenblick über das hinter uns klar ſein, war ihr Argument.
Auch Adelheid wiederholte nur, was ſie ſchon tauſendmal geſagt, von dem Schutzengel, den ſie ge¬ funden, dem neuen Leben, welches ſie in dieſem Hauſe angefangen, wie ſie ſich ſelbſt jedesmal ſtrafe, wenn ſie dem Willen ihrer Retterin entgegen handelte, wie Alles hier zu ihrem Glücke ausſchlage.
„Und doch wünſchteſt Du dich ſchon fort!“
So eiskalt der durchdringende Blick der Lupinus war, der auf ihr ruhte, eine ſo hohe Röthe übergoß Adelheids Stirn und Wangen; ſie ſenkte die Augen: ſie ſei vielleicht zu glücklich, darum wünſche ſie manchmal, es wäre alles ein Traum.
„Das ſind idylliſche Stimmungen, die ich Dei¬ nen Jahren gönne, aber Dein Verſtand überflügelt ſchon Deine Jahre. Dir mißbehagt manches, Du fühlſt Dich nicht ganz zu Hauſe; ich verdenke es Dir nicht, aber Du mußt klar mit Dir werden. Ich weiß es ſehr wohl, liebes Kind, manche Beſucher, die Ge¬
4*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0061"n="51"/>
mehr die Rede, aber vielleicht für mehr als Du jetzt<lb/>ſchon biſt, Du biſt ein <hirendition="#aq">enfant gaté</hi> der Modewelt,<lb/>
alles, weil Du in einem Hauſe lebſt, was Geltung<lb/>
hat. Ja, mein liebes Kind, wer unter den Menſchen<lb/>
leben will, muß vor ihnen gelten wollen.“</p><lb/><p>Die Geheimräthin wühlte mit einem kalten Eiſen<lb/>
in einem warmen Herzen. Es war nicht das erſte<lb/>
Mal, es geſchah auch nicht zufällig; ſie meinte auch,<lb/>
nicht mit grauſamer Abſicht. Um feſt zu werden für<lb/>
das Leben vor uns, muß man jeden Augenblick über<lb/>
das hinter uns klar ſein, war ihr Argument.</p><lb/><p>Auch Adelheid wiederholte nur, was ſie ſchon<lb/>
tauſendmal geſagt, von dem Schutzengel, den ſie ge¬<lb/>
funden, dem neuen Leben, welches ſie in dieſem Hauſe<lb/>
angefangen, wie ſie ſich ſelbſt jedesmal ſtrafe, wenn<lb/>ſie dem Willen ihrer Retterin entgegen handelte, wie<lb/>
Alles hier zu ihrem Glücke ausſchlage.</p><lb/><p>„Und doch wünſchteſt Du dich ſchon fort!“</p><lb/><p>So eiskalt der durchdringende Blick der Lupinus<lb/>
war, der auf ihr ruhte, eine ſo hohe Röthe übergoß<lb/>
Adelheids Stirn und Wangen; ſie ſenkte die Augen:<lb/>ſie ſei vielleicht zu glücklich, darum wünſche ſie<lb/>
manchmal, es wäre alles ein Traum.</p><lb/><p>„Das ſind idylliſche Stimmungen, die ich Dei¬<lb/>
nen Jahren gönne, aber Dein Verſtand überflügelt<lb/>ſchon Deine Jahre. Dir mißbehagt manches, Du<lb/>
fühlſt Dich nicht ganz zu Hauſe; ich verdenke es Dir<lb/>
nicht, aber Du mußt klar mit Dir werden. Ich weiß<lb/>
es ſehr wohl, liebes Kind, manche Beſucher, die Ge¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[51/0061]
mehr die Rede, aber vielleicht für mehr als Du jetzt
ſchon biſt, Du biſt ein enfant gaté der Modewelt,
alles, weil Du in einem Hauſe lebſt, was Geltung
hat. Ja, mein liebes Kind, wer unter den Menſchen
leben will, muß vor ihnen gelten wollen.“
Die Geheimräthin wühlte mit einem kalten Eiſen
in einem warmen Herzen. Es war nicht das erſte
Mal, es geſchah auch nicht zufällig; ſie meinte auch,
nicht mit grauſamer Abſicht. Um feſt zu werden für
das Leben vor uns, muß man jeden Augenblick über
das hinter uns klar ſein, war ihr Argument.
Auch Adelheid wiederholte nur, was ſie ſchon
tauſendmal geſagt, von dem Schutzengel, den ſie ge¬
funden, dem neuen Leben, welches ſie in dieſem Hauſe
angefangen, wie ſie ſich ſelbſt jedesmal ſtrafe, wenn
ſie dem Willen ihrer Retterin entgegen handelte, wie
Alles hier zu ihrem Glücke ausſchlage.
„Und doch wünſchteſt Du dich ſchon fort!“
So eiskalt der durchdringende Blick der Lupinus
war, der auf ihr ruhte, eine ſo hohe Röthe übergoß
Adelheids Stirn und Wangen; ſie ſenkte die Augen:
ſie ſei vielleicht zu glücklich, darum wünſche ſie
manchmal, es wäre alles ein Traum.
„Das ſind idylliſche Stimmungen, die ich Dei¬
nen Jahren gönne, aber Dein Verſtand überflügelt
ſchon Deine Jahre. Dir mißbehagt manches, Du
fühlſt Dich nicht ganz zu Hauſe; ich verdenke es Dir
nicht, aber Du mußt klar mit Dir werden. Ich weiß
es ſehr wohl, liebes Kind, manche Beſucher, die Ge¬
4*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/61>, abgerufen am 01.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.