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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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Aber die Geheimräthin wollte mehr, sie wollte
alles wissen, was Adelheid nicht wieder sagen wollte.
Vor einem Genius verstummen alle Rücksichten.

"Er fuhr mit der Hand über meine Stirn. Dabei
sah er mich ungemein freundlich an. Sie sind ein
wahrhaftes deutsches Mädchen! Das kann ich wohl
wiedersagen ohne zu erröthen, aber was er nachher
sprach, wie er sich ein deutsches Mädchen, und wie
er sein großes Vaterland sich denke und es liebe, ach
da müßte ich ja selbst eine Dichterin sein. Ich dachte
an Sie, Herr van Asten, wissen Sie noch, als Sie
bei der Geschichte der alten Kaiser aus Schwaben
in Feuer geriethen, es war wie ein großes Bild,
das Sie in die Luft malten, und ich sah alles leuch¬
ten wie Flammen und Abendroth, wenn Sie mit
Ihrem Finger Kreise durch die Luft zogen: Da be¬
ginnt die deutsche Glorie auf dem Berge Hohen¬
staufen, dann fuhren Sie mit dem Finger im Zickzack
durch ganz Deutschland, jetzt nach Italien, nach Asien,
ich sah deutlich den reißenden Fluß mit den schönen
Bäumen, in dem der Kaiser Barbarossa ertrank, dann
fuhren Sie hinüber nach Sicilien, Sie zeigten das
Blutgerüst, auf dem der edle Konradin verblutete,
und endlich wiesen Sie nach dem Berge in Thüringen,
und schlossen: Das war Deutschland und da ruht
seine Zukunft! Ich werde es nie vergessen. Und was
Jean Paul sprach von der Auferstehung der freien,
großen Nation, der wir freudig entgegen leben sollten,
uns vorbereitend in Tugend und Sitte und reinem

Aber die Geheimräthin wollte mehr, ſie wollte
alles wiſſen, was Adelheid nicht wieder ſagen wollte.
Vor einem Genius verſtummen alle Rückſichten.

„Er fuhr mit der Hand über meine Stirn. Dabei
ſah er mich ungemein freundlich an. Sie ſind ein
wahrhaftes deutſches Mädchen! Das kann ich wohl
wiederſagen ohne zu erröthen, aber was er nachher
ſprach, wie er ſich ein deutſches Mädchen, und wie
er ſein großes Vaterland ſich denke und es liebe, ach
da müßte ich ja ſelbſt eine Dichterin ſein. Ich dachte
an Sie, Herr van Aſten, wiſſen Sie noch, als Sie
bei der Geſchichte der alten Kaiſer aus Schwaben
in Feuer geriethen, es war wie ein großes Bild,
das Sie in die Luft malten, und ich ſah alles leuch¬
ten wie Flammen und Abendroth, wenn Sie mit
Ihrem Finger Kreiſe durch die Luft zogen: Da be¬
ginnt die deutſche Glorie auf dem Berge Hohen¬
ſtaufen, dann fuhren Sie mit dem Finger im Zickzack
durch ganz Deutſchland, jetzt nach Italien, nach Aſien,
ich ſah deutlich den reißenden Fluß mit den ſchönen
Bäumen, in dem der Kaiſer Barbaroſſa ertrank, dann
fuhren Sie hinüber nach Sicilien, Sie zeigten das
Blutgerüſt, auf dem der edle Konradin verblutete,
und endlich wieſen Sie nach dem Berge in Thüringen,
und ſchloſſen: Das war Deutſchland und da ruht
ſeine Zukunft! Ich werde es nie vergeſſen. Und was
Jean Paul ſprach von der Auferſtehung der freien,
großen Nation, der wir freudig entgegen leben ſollten,
uns vorbereitend in Tugend und Sitte und reinem

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[40/0050] Aber die Geheimräthin wollte mehr, ſie wollte alles wiſſen, was Adelheid nicht wieder ſagen wollte. Vor einem Genius verſtummen alle Rückſichten. „Er fuhr mit der Hand über meine Stirn. Dabei ſah er mich ungemein freundlich an. Sie ſind ein wahrhaftes deutſches Mädchen! Das kann ich wohl wiederſagen ohne zu erröthen, aber was er nachher ſprach, wie er ſich ein deutſches Mädchen, und wie er ſein großes Vaterland ſich denke und es liebe, ach da müßte ich ja ſelbſt eine Dichterin ſein. Ich dachte an Sie, Herr van Aſten, wiſſen Sie noch, als Sie bei der Geſchichte der alten Kaiſer aus Schwaben in Feuer geriethen, es war wie ein großes Bild, das Sie in die Luft malten, und ich ſah alles leuch¬ ten wie Flammen und Abendroth, wenn Sie mit Ihrem Finger Kreiſe durch die Luft zogen: Da be¬ ginnt die deutſche Glorie auf dem Berge Hohen¬ ſtaufen, dann fuhren Sie mit dem Finger im Zickzack durch ganz Deutſchland, jetzt nach Italien, nach Aſien, ich ſah deutlich den reißenden Fluß mit den ſchönen Bäumen, in dem der Kaiſer Barbaroſſa ertrank, dann fuhren Sie hinüber nach Sicilien, Sie zeigten das Blutgerüſt, auf dem der edle Konradin verblutete, und endlich wieſen Sie nach dem Berge in Thüringen, und ſchloſſen: Das war Deutſchland und da ruht ſeine Zukunft! Ich werde es nie vergeſſen. Und was Jean Paul ſprach von der Auferſtehung der freien, großen Nation, der wir freudig entgegen leben ſollten, uns vorbereitend in Tugend und Sitte und reinem

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/50>, abgerufen am 25.11.2024.