an den Hof geladen -- also Jean Paul frei ist, schickte ich Adelheid zu ihm, ihn zu invitiren."
"Das junge Mädchen --"
"Mit dem Bedienten."
"Aber -- er logirt -- was man gewöhnlich eine Kneipe nennt."
"Ich weiß es, unten ist eine Bierstube, auf dem Hofe eine Hufschmiede. Ist er darum weniger der Dichter?"
"Und in der frühen Stunde. In Pantoffeln und Schlafrock, die Pfeife im Munde --"
"Empfängt er Fürstinnen, denen die Stunde und das Costüm nicht unanständig erscheint, wenn es gilt, dem Genius die Huldigungen darzubringen, würdig des Mannes, welcher so die wahre Frauen¬ würde erkannt hat. Adelheid wird davon nicht ster¬ ben, beruhigen Sie sich, wenn sie sich einmal selbst überwindet. Wir müssen uns alle überwinden, das -- ist die Aufgabe unseres Lebens. Morgen aber kommen Sie etwas später zur Lection, Herr van Asten. Wir müssen ausschlafen."
Als er die Thüre öffnen wollte, trat Adelheid ein.
"Kommt er?" rief die Geheimräthin.
"Er kommt." Sie flog der Geheimräthin an den Hals, die ihre Locken streichelte und ihre Stirn küßte.
"Ich wußte es, einem so schönen Mädchen konnte er nichts abschlagen."
"Ach hätten Sie ihn gesehen, wie ich ihn sah, liebe -- Mutter -- das Wort kam etwas zögernd über die Lippen. Mit welchem Herzklopfen ich die kleine,
an den Hof geladen — alſo Jean Paul frei iſt, ſchickte ich Adelheid zu ihm, ihn zu invitiren.“
„Das junge Mädchen —“
„Mit dem Bedienten.“
„Aber — er logirt — was man gewöhnlich eine Kneipe nennt.“
„Ich weiß es, unten iſt eine Bierſtube, auf dem Hofe eine Hufſchmiede. Iſt er darum weniger der Dichter?“
„Und in der frühen Stunde. In Pantoffeln und Schlafrock, die Pfeife im Munde —“
„Empfängt er Fürſtinnen, denen die Stunde und das Coſtüm nicht unanſtändig erſcheint, wenn es gilt, dem Genius die Huldigungen darzubringen, würdig des Mannes, welcher ſo die wahre Frauen¬ würde erkannt hat. Adelheid wird davon nicht ſter¬ ben, beruhigen Sie ſich, wenn ſie ſich einmal ſelbſt überwindet. Wir müſſen uns alle überwinden, das — iſt die Aufgabe unſeres Lebens. Morgen aber kommen Sie etwas ſpäter zur Lection, Herr van Aſten. Wir müſſen ausſchlafen.“
Als er die Thüre öffnen wollte, trat Adelheid ein.
„Kommt er?“ rief die Geheimräthin.
„Er kommt.“ Sie flog der Geheimräthin an den Hals, die ihre Locken ſtreichelte und ihre Stirn küßte.
„Ich wußte es, einem ſo ſchönen Mädchen konnte er nichts abſchlagen.“
„Ach hätten Sie ihn geſehen, wie ich ihn ſah, liebe — Mutter — das Wort kam etwas zögernd über die Lippen. Mit welchem Herzklopfen ich die kleine,
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an den Hof geladen — alſo Jean Paul frei iſt, ſchickte
ich Adelheid zu ihm, ihn zu invitiren.“
„Das junge Mädchen —“
„Mit dem Bedienten.“
„Aber — er logirt — was man gewöhnlich eine
Kneipe nennt.“
„Ich weiß es, unten iſt eine Bierſtube, auf dem Hofe
eine Hufſchmiede. Iſt er darum weniger der Dichter?“
„Und in der frühen Stunde. In Pantoffeln
und Schlafrock, die Pfeife im Munde —“
„Empfängt er Fürſtinnen, denen die Stunde
und das Coſtüm nicht unanſtändig erſcheint, wenn
es gilt, dem Genius die Huldigungen darzubringen,
würdig des Mannes, welcher ſo die wahre Frauen¬
würde erkannt hat. Adelheid wird davon nicht ſter¬
ben, beruhigen Sie ſich, wenn ſie ſich einmal ſelbſt
überwindet. Wir müſſen uns alle überwinden, das —
iſt die Aufgabe unſeres Lebens. Morgen aber kommen
Sie etwas ſpäter zur Lection, Herr van Aſten. Wir
müſſen ausſchlafen.“
Als er die Thüre öffnen wollte, trat Adelheid ein.
„Kommt er?“ rief die Geheimräthin.
„Er kommt.“ Sie flog der Geheimräthin an
den Hals, die ihre Locken ſtreichelte und ihre Stirn küßte.
„Ich wußte es, einem ſo ſchönen Mädchen konnte
er nichts abſchlagen.“
„Ach hätten Sie ihn geſehen, wie ich ihn ſah,
liebe — Mutter — das Wort kam etwas zögernd über
die Lippen. Mit welchem Herzklopfen ich die kleine,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/48>, abgerufen am 16.07.2024.
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