Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852."Neulich, nach unsrem Feste -- Du weißt von "Gerechter Gott!" "Nein Walter, erschrick nicht." "Wer?" "Ich kannte ihn, und darf ihn doch nicht nennen. "Was wollte der Freche?" "Er bat mich, daß ich vergessen, vergeben "Was solltest Du ihm vergeben?" "Das ist aus der alten schrecklichen Geschichte --" "Von der kein Wort! -- Die Geheimräthin er¬ "Ach, Walter, jetzt verstehe ich erst, was wir in „Neulich, nach unſrem Feſte — Du weißt von „Gerechter Gott!“ „Nein Walter, erſchrick nicht.“ „Wer?“ „Ich kannte ihn, und darf ihn doch nicht nennen. „Was wollte der Freche?“ „Er bat mich, daß ich vergeſſen, vergeben „Was ſollteſt Du ihm vergeben?“ „Das iſt aus der alten ſchrecklichen Geſchichte —“ „Von der kein Wort! — Die Geheimräthin er¬ „Ach, Walter, jetzt verſtehe ich erſt, was wir in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0239" n="229"/> <p>„Neulich, nach unſrem Feſte — Du weißt von<lb/> dem unglücklichen Zufall. Ich verlor meine Beſin¬<lb/> nung, Jemand trug mich aus dem brennenden Zim¬<lb/> mer. Häßliche, gleichgültige Menſchen kamen und<lb/> gingen; aber in der Nacht, als es ſtill ward, halb<lb/> wachte ich, halb träumte ich — die andern hatten<lb/> mich wohl vergeſſen in dem Wirrwar, und die Nacht¬<lb/> lampe brannte dunkel, da ſchlich es herein. Er über¬<lb/> raſchte mich —“</p><lb/> <p>„Gerechter Gott!“</p><lb/> <p>„Nein Walter, erſchrick nicht.“</p><lb/> <p>„Wer?“</p><lb/> <p>„Ich kannte ihn, und darf ihn doch nicht nennen.<lb/> Er umfaßte meine Knie, wie der Oreſt das Bild der<lb/> Göttin, und ſeine ſchönen Augen rollten, wie eines<lb/> Wahnſinnigen. Ich wollte aufſchreien, mich los¬<lb/> machen, aber ich konnte nicht, wenn ich ihm ins Auge<lb/> ſah. Ihn peinigten ja auch, wie den Sohn des<lb/> Agamemnon — die Furien.“</p><lb/> <p>„Was wollte der Freche?“</p><lb/> <p>„Er bat mich, daß ich vergeſſen, vergeben<lb/> ſollte.“</p><lb/> <p>„Was ſollteſt Du ihm vergeben?“</p><lb/> <p>„Das iſt aus der alten ſchrecklichen Geſchichte —“</p><lb/> <p>„Von der kein Wort! — Die Geheimräthin er¬<lb/> wähnte neulich eines Unverſchämten, der Dich auf<lb/> der Straße verfolgt —“</p><lb/> <p>„Ach, Walter, jetzt verſtehe ich erſt, was wir in<lb/> den Gedichten laſen. Iſt das Liebe, ſo iſt ja Liebe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [229/0239]
„Neulich, nach unſrem Feſte — Du weißt von
dem unglücklichen Zufall. Ich verlor meine Beſin¬
nung, Jemand trug mich aus dem brennenden Zim¬
mer. Häßliche, gleichgültige Menſchen kamen und
gingen; aber in der Nacht, als es ſtill ward, halb
wachte ich, halb träumte ich — die andern hatten
mich wohl vergeſſen in dem Wirrwar, und die Nacht¬
lampe brannte dunkel, da ſchlich es herein. Er über¬
raſchte mich —“
„Gerechter Gott!“
„Nein Walter, erſchrick nicht.“
„Wer?“
„Ich kannte ihn, und darf ihn doch nicht nennen.
Er umfaßte meine Knie, wie der Oreſt das Bild der
Göttin, und ſeine ſchönen Augen rollten, wie eines
Wahnſinnigen. Ich wollte aufſchreien, mich los¬
machen, aber ich konnte nicht, wenn ich ihm ins Auge
ſah. Ihn peinigten ja auch, wie den Sohn des
Agamemnon — die Furien.“
„Was wollte der Freche?“
„Er bat mich, daß ich vergeſſen, vergeben
ſollte.“
„Was ſollteſt Du ihm vergeben?“
„Das iſt aus der alten ſchrecklichen Geſchichte —“
„Von der kein Wort! — Die Geheimräthin er¬
wähnte neulich eines Unverſchämten, der Dich auf
der Straße verfolgt —“
„Ach, Walter, jetzt verſtehe ich erſt, was wir in
den Gedichten laſen. Iſt das Liebe, ſo iſt ja Liebe
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