Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Und er -- sollte, könnte ihr dabei hülfreiche Hand
geleistet haben! Unmöglich!

Eine unaussprechliche Bitterkeit ergriff die Ge¬
quälte. Kann eine Frau einen Mann fordern? Was
kann überhaupt eine Frau, und wenn sie den Muth
einer Judith und Herodias besaß, in dieser Welt der
Conventionen! Ihr Haß mag glühen wie der Aetna,
den Athem muß sie in sich zurück pressen, sonst ver¬
wundet sie sich selbst. Die Macht des Lächerlichen
umstarrt sie wie himmelhohe Eisfirnen, die auf ihrem
Spiegel nur die verzerrten Züge ihrer Wuth als
Karikaturen wiedergeben. Giebt es denn keine Mittel
für ein Weib, der Welt den Krieg zu erklären? Sie
erinnerte sich, was Wandel von den großen Frauen
gesprochen, die ihre Welt beherrscht, von den Fabel¬
königinnen Semiramis und Zenobia bis zu den
Katharinen von Medicis und der großen Czarin auf
dem Russischen Thron. -- Thorheit an solche Mög¬
lichkeit zu denken! Und wenn die Revolution fort¬
gährte über die Welt, sie erhöbe nur Männer, und
die Weiber blieben Sklavinnen und Intriguantinnen.
Nur das kleine Spiel der Ränke, um hie und da mit
giftigen Nadeln zu stechen, ihnen vergönnt! Einen
Verhaßten -- mag eine Frau, die einen Mächtigen
beherrscht, verfolgen, vernichten; wenn nun aber ihr
Haß nicht an Einzelnen sich genügen läßt, wenn die
Vernichtungslust ihre Adern wie ein wildes Feuer
durchglüht, wenn sie die Armseligen, Gemeinen, Un¬
dankbaren von der Erde wegspülen möchte, wie

Und er — ſollte, könnte ihr dabei hülfreiche Hand
geleiſtet haben! Unmöglich!

Eine unausſprechliche Bitterkeit ergriff die Ge¬
quälte. Kann eine Frau einen Mann fordern? Was
kann überhaupt eine Frau, und wenn ſie den Muth
einer Judith und Herodias beſaß, in dieſer Welt der
Conventionen! Ihr Haß mag glühen wie der Aetna,
den Athem muß ſie in ſich zurück preſſen, ſonſt ver¬
wundet ſie ſich ſelbſt. Die Macht des Lächerlichen
umſtarrt ſie wie himmelhohe Eisfirnen, die auf ihrem
Spiegel nur die verzerrten Züge ihrer Wuth als
Karikaturen wiedergeben. Giebt es denn keine Mittel
für ein Weib, der Welt den Krieg zu erklären? Sie
erinnerte ſich, was Wandel von den großen Frauen
geſprochen, die ihre Welt beherrſcht, von den Fabel¬
königinnen Semiramis und Zenobia bis zu den
Katharinen von Medicis und der großen Czarin auf
dem Ruſſiſchen Thron. — Thorheit an ſolche Mög¬
lichkeit zu denken! Und wenn die Revolution fort¬
gährte über die Welt, ſie erhöbe nur Männer, und
die Weiber blieben Sklavinnen und Intriguantinnen.
Nur das kleine Spiel der Ränke, um hie und da mit
giftigen Nadeln zu ſtechen, ihnen vergönnt! Einen
Verhaßten — mag eine Frau, die einen Mächtigen
beherrſcht, verfolgen, vernichten; wenn nun aber ihr
Haß nicht an Einzelnen ſich genügen läßt, wenn die
Vernichtungsluſt ihre Adern wie ein wildes Feuer
durchglüht, wenn ſie die Armſeligen, Gemeinen, Un¬
dankbaren von der Erde wegſpülen möchte, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0168" n="158"/>
Und er &#x2014; &#x017F;ollte, könnte ihr dabei hülfreiche Hand<lb/>
gelei&#x017F;tet haben! Unmöglich!</p><lb/>
        <p>Eine unaus&#x017F;prechliche Bitterkeit ergriff die Ge¬<lb/>
quälte. Kann eine Frau einen Mann fordern? Was<lb/>
kann überhaupt eine Frau, und wenn &#x017F;ie den Muth<lb/>
einer Judith und Herodias be&#x017F;aß, in die&#x017F;er Welt der<lb/>
Conventionen! Ihr Haß mag glühen wie der Aetna,<lb/>
den Athem muß &#x017F;ie in &#x017F;ich zurück pre&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;on&#x017F;t ver¬<lb/>
wundet &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t. Die Macht des Lächerlichen<lb/>
um&#x017F;tarrt &#x017F;ie wie himmelhohe Eisfirnen, die auf ihrem<lb/>
Spiegel nur die verzerrten Züge ihrer Wuth als<lb/>
Karikaturen wiedergeben. Giebt es denn keine Mittel<lb/>
für ein Weib, der Welt den Krieg zu erklären? Sie<lb/>
erinnerte &#x017F;ich, was Wandel von den großen Frauen<lb/>
ge&#x017F;prochen, die ihre Welt beherr&#x017F;cht, von den Fabel¬<lb/>
königinnen Semiramis und Zenobia bis zu den<lb/>
Katharinen von Medicis und der großen Czarin auf<lb/>
dem Ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Thron. &#x2014; Thorheit an &#x017F;olche Mög¬<lb/>
lichkeit zu denken! Und wenn die Revolution fort¬<lb/>
gährte über die Welt, &#x017F;ie erhöbe nur Männer, und<lb/>
die Weiber blieben Sklavinnen und Intriguantinnen.<lb/>
Nur das kleine Spiel der Ränke, um hie und da mit<lb/>
giftigen Nadeln zu &#x017F;techen, ihnen vergönnt! Einen<lb/>
Verhaßten &#x2014; mag eine Frau, die einen Mächtigen<lb/>
beherr&#x017F;cht, verfolgen, vernichten; wenn nun aber ihr<lb/>
Haß nicht an Einzelnen &#x017F;ich genügen läßt, wenn die<lb/>
Vernichtungslu&#x017F;t ihre Adern wie ein wildes Feuer<lb/>
durchglüht, wenn &#x017F;ie die Arm&#x017F;eligen, Gemeinen, Un¬<lb/>
dankbaren von der Erde weg&#x017F;pülen möchte, wie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0168] Und er — ſollte, könnte ihr dabei hülfreiche Hand geleiſtet haben! Unmöglich! Eine unausſprechliche Bitterkeit ergriff die Ge¬ quälte. Kann eine Frau einen Mann fordern? Was kann überhaupt eine Frau, und wenn ſie den Muth einer Judith und Herodias beſaß, in dieſer Welt der Conventionen! Ihr Haß mag glühen wie der Aetna, den Athem muß ſie in ſich zurück preſſen, ſonſt ver¬ wundet ſie ſich ſelbſt. Die Macht des Lächerlichen umſtarrt ſie wie himmelhohe Eisfirnen, die auf ihrem Spiegel nur die verzerrten Züge ihrer Wuth als Karikaturen wiedergeben. Giebt es denn keine Mittel für ein Weib, der Welt den Krieg zu erklären? Sie erinnerte ſich, was Wandel von den großen Frauen geſprochen, die ihre Welt beherrſcht, von den Fabel¬ königinnen Semiramis und Zenobia bis zu den Katharinen von Medicis und der großen Czarin auf dem Ruſſiſchen Thron. — Thorheit an ſolche Mög¬ lichkeit zu denken! Und wenn die Revolution fort¬ gährte über die Welt, ſie erhöbe nur Männer, und die Weiber blieben Sklavinnen und Intriguantinnen. Nur das kleine Spiel der Ränke, um hie und da mit giftigen Nadeln zu ſtechen, ihnen vergönnt! Einen Verhaßten — mag eine Frau, die einen Mächtigen beherrſcht, verfolgen, vernichten; wenn nun aber ihr Haß nicht an Einzelnen ſich genügen läßt, wenn die Vernichtungsluſt ihre Adern wie ein wildes Feuer durchglüht, wenn ſie die Armſeligen, Gemeinen, Un¬ dankbaren von der Erde wegſpülen möchte, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/168
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/168>, abgerufen am 03.05.2024.