auch dahin hören. Sie wußte genau, was gesprochen wurde, und daß sie, ihr Mann, dessen Bruder, das fatale Ereigniß der vorigen Nacht, den Stoff abgab. Vielleicht daß sie eben darum die Gesellschaft besucht hatte, um zu zeigen, daß sie ohne Besorgniß war, oder -- darüber hinweg.
Aber es gefiel ihr nicht länger, daß das Gespräch verstummte, wo sie sich näherte. Wer spielt gern die Vogelscheuche! Bei einer Whistpartie fehlte durch einen Zufall der vierte Mann. Sie zeigte sich bereitwillig, die Karte zu übernehmen. Man erkannte das ganze Opfer, welches sie brachte. Sie versicherte, wenn sie durch ihr schlechtes Spiel das Vergnügen ihrer Mit¬ spieler störe, so sei ihre Schuld doch nicht so groß als ihre Genugthuung, in so angenehmer Gesellschaft eine Stunde zu verbringen.
Das Spiel prosperirte in der That nicht durch ihren Eintritt, aber wie die Mücken um den hellsten Lichtschein, sammelte sich um diesen Tisch die ambu¬ lirende Gesellschaft. Wer fühlte sich nicht geehrt der Geheimräthin Rath zu geben, die bei ihren Fragen vielleicht mehr Unschlüssigkeit verrieth, als in ihrem Character lag. Und wie liebenswürdig nahm sie ihn hin. "Sie ist die charmanteste Frau!" flüsterten die andern. Die Geheimräthin zankte auch nicht um die Points.
"So aufgeräumt, Herr v. Dohleneck?" sagte sie, die Karten prämelirend zu einem Cavallerieofficier, der sich neben ihr etwas brüsk auf einen Stuhl warf, den ein
auch dahin hören. Sie wußte genau, was geſprochen wurde, und daß ſie, ihr Mann, deſſen Bruder, das fatale Ereigniß der vorigen Nacht, den Stoff abgab. Vielleicht daß ſie eben darum die Geſellſchaft beſucht hatte, um zu zeigen, daß ſie ohne Beſorgniß war, oder — darüber hinweg.
Aber es gefiel ihr nicht länger, daß das Geſpräch verſtummte, wo ſie ſich näherte. Wer ſpielt gern die Vogelſcheuche! Bei einer Whiſtpartie fehlte durch einen Zufall der vierte Mann. Sie zeigte ſich bereitwillig, die Karte zu übernehmen. Man erkannte das ganze Opfer, welches ſie brachte. Sie verſicherte, wenn ſie durch ihr ſchlechtes Spiel das Vergnügen ihrer Mit¬ ſpieler ſtöre, ſo ſei ihre Schuld doch nicht ſo groß als ihre Genugthuung, in ſo angenehmer Geſellſchaft eine Stunde zu verbringen.
Das Spiel prosperirte in der That nicht durch ihren Eintritt, aber wie die Mücken um den hellſten Lichtſchein, ſammelte ſich um dieſen Tiſch die ambu¬ lirende Geſellſchaft. Wer fühlte ſich nicht geehrt der Geheimräthin Rath zu geben, die bei ihren Fragen vielleicht mehr Unſchlüſſigkeit verrieth, als in ihrem Character lag. Und wie liebenswürdig nahm ſie ihn hin. „Sie iſt die charmanteſte Frau!“ flüſterten die andern. Die Geheimräthin zankte auch nicht um die Points.
„So aufgeräumt, Herr v. Dohleneck?“ ſagte ſie, die Karten prämelirend zu einem Cavallerieofficier, der ſich neben ihr etwas brüsk auf einen Stuhl warf, den ein
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auch dahin hören. Sie wußte genau, was geſprochen
wurde, und daß ſie, ihr Mann, deſſen Bruder, das
fatale Ereigniß der vorigen Nacht, den Stoff abgab.
Vielleicht daß ſie eben darum die Geſellſchaft beſucht
hatte, um zu zeigen, daß ſie ohne Beſorgniß war,
oder — darüber hinweg.
Aber es gefiel ihr nicht länger, daß das Geſpräch
verſtummte, wo ſie ſich näherte. Wer ſpielt gern die
Vogelſcheuche! Bei einer Whiſtpartie fehlte durch einen
Zufall der vierte Mann. Sie zeigte ſich bereitwillig,
die Karte zu übernehmen. Man erkannte das ganze
Opfer, welches ſie brachte. Sie verſicherte, wenn ſie
durch ihr ſchlechtes Spiel das Vergnügen ihrer Mit¬
ſpieler ſtöre, ſo ſei ihre Schuld doch nicht ſo groß
als ihre Genugthuung, in ſo angenehmer Geſellſchaft
eine Stunde zu verbringen.
Das Spiel prosperirte in der That nicht durch
ihren Eintritt, aber wie die Mücken um den hellſten
Lichtſchein, ſammelte ſich um dieſen Tiſch die ambu¬
lirende Geſellſchaft. Wer fühlte ſich nicht geehrt der
Geheimräthin Rath zu geben, die bei ihren Fragen
vielleicht mehr Unſchlüſſigkeit verrieth, als in ihrem
Character lag. Und wie liebenswürdig nahm ſie ihn
hin. „Sie iſt die charmanteſte Frau!“ flüſterten die
andern. Die Geheimräthin zankte auch nicht um
die Points.
„So aufgeräumt, Herr v. Dohleneck?“ ſagte ſie,
die Karten prämelirend zu einem Cavallerieofficier, der
ſich neben ihr etwas brüsk auf einen Stuhl warf, den ein
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/62>, abgerufen am 25.11.2024.
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