Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Kammerherr, der sich schon zu besinnen
anfing, ob nicht am Ende die Arme der Polizei
denen des Rasenden vorzuziehen wären, stammelte
etwas von seinem gränzenlosen Respect vor Seiner
Majestät.

"Das ist mir sehr lieb zu hören, sagte Bovillard,
vielleicht wissen Sie auch, warum Seine Majestät
jetzt so betrübt sind."

"Wenn Seine Majestät in die Herzen ihrer Un¬
terthanen blicken könnten, würden sie gewiß keinen
Grund finden," antwortete der Kammerherr, in der
Angst des seinen, die Hand auf die Brust drückend,

Bovillard war um einen Kopf größer als der
Kammerherr. Mit unterkreuzten Armen und halb
gesenktem Kopf schien er mit den funkelnden Augen,
die durch die Nacht glänzten, in sein Herz bohren zu
wollen: "Es ist manches faul im Lande Preußen
und mancher, der auf der Stirn das Schild eines
ehrlichen Mannes trägt, ich sage es Ihnen im Ver¬
trauen, ist ein Schurke. Im Lagerhause in der Klo¬
sterstraße wird das Soldatentuch gewebt. Schön und
dicht sieht es aus und blau, wenn der Appreturbügel
darüber fuhr, aber die Witterung verträgt es nicht.
Und ehe er drei Monden es auf dem Leibe trug
schrumpft es im Regen zusammen, daß der Aermel
dem Soldaten am Ellenbogen sitzt. Kann man jedem
Soldaten einen Regenschirm in die Hand geben?
Kann man mit halb nackten Soldaten Krieg führen?
Wissen Sie nun, warum wir keinen Krieg führen

Der Kammerherr, der ſich ſchon zu beſinnen
anfing, ob nicht am Ende die Arme der Polizei
denen des Raſenden vorzuziehen wären, ſtammelte
etwas von ſeinem gränzenloſen Reſpect vor Seiner
Majeſtät.

„Das iſt mir ſehr lieb zu hören, ſagte Bovillard,
vielleicht wiſſen Sie auch, warum Seine Majeſtät
jetzt ſo betrübt ſind.“

„Wenn Seine Majeſtät in die Herzen ihrer Un¬
terthanen blicken könnten, würden ſie gewiß keinen
Grund finden,“ antwortete der Kammerherr, in der
Angſt des ſeinen, die Hand auf die Bruſt drückend,

Bovillard war um einen Kopf größer als der
Kammerherr. Mit unterkreuzten Armen und halb
geſenktem Kopf ſchien er mit den funkelnden Augen,
die durch die Nacht glänzten, in ſein Herz bohren zu
wollen: „Es iſt manches faul im Lande Preußen
und mancher, der auf der Stirn das Schild eines
ehrlichen Mannes trägt, ich ſage es Ihnen im Ver¬
trauen, iſt ein Schurke. Im Lagerhauſe in der Klo¬
ſterſtraße wird das Soldatentuch gewebt. Schön und
dicht ſieht es aus und blau, wenn der Appreturbügel
darüber fuhr, aber die Witterung verträgt es nicht.
Und ehe er drei Monden es auf dem Leibe trug
ſchrumpft es im Regen zuſammen, daß der Aermel
dem Soldaten am Ellenbogen ſitzt. Kann man jedem
Soldaten einen Regenſchirm in die Hand geben?
Kann man mit halb nackten Soldaten Krieg führen?
Wiſſen Sie nun, warum wir keinen Krieg führen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0350" n="336"/>
        <p>Der Kammerherr, der &#x017F;ich &#x017F;chon zu be&#x017F;innen<lb/>
anfing, ob nicht am Ende die Arme der Polizei<lb/>
denen des Ra&#x017F;enden vorzuziehen wären, &#x017F;tammelte<lb/>
etwas von &#x017F;einem gränzenlo&#x017F;en Re&#x017F;pect vor Seiner<lb/>
Maje&#x017F;tät.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t mir &#x017F;ehr lieb zu hören, &#x017F;agte Bovillard,<lb/>
vielleicht wi&#x017F;&#x017F;en Sie auch, warum Seine Maje&#x017F;tät<lb/>
jetzt &#x017F;o betrübt &#x017F;ind.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn Seine Maje&#x017F;tät in die Herzen ihrer Un¬<lb/>
terthanen blicken könnten, würden &#x017F;ie gewiß keinen<lb/>
Grund finden,&#x201C; antwortete der Kammerherr, in der<lb/>
Ang&#x017F;t des &#x017F;einen, die Hand auf die Bru&#x017F;t drückend,</p><lb/>
        <p>Bovillard war um einen Kopf größer als der<lb/>
Kammerherr. Mit unterkreuzten Armen und halb<lb/>
ge&#x017F;enktem Kopf &#x017F;chien er mit den funkelnden Augen,<lb/>
die durch die Nacht glänzten, in &#x017F;ein Herz bohren zu<lb/>
wollen: &#x201E;Es i&#x017F;t manches faul im Lande Preußen<lb/>
und mancher, der auf der Stirn das Schild eines<lb/>
ehrlichen Mannes trägt, ich &#x017F;age es Ihnen im Ver¬<lb/>
trauen, i&#x017F;t ein Schurke. Im Lagerhau&#x017F;e in der Klo¬<lb/>
&#x017F;ter&#x017F;traße wird das Soldatentuch gewebt. Schön und<lb/>
dicht &#x017F;ieht es aus und blau, wenn der Appreturbügel<lb/>
darüber fuhr, aber die Witterung verträgt es nicht.<lb/>
Und ehe er drei Monden es auf dem Leibe trug<lb/>
&#x017F;chrumpft es im Regen zu&#x017F;ammen, daß der Aermel<lb/>
dem Soldaten am Ellenbogen &#x017F;itzt. Kann man jedem<lb/>
Soldaten einen Regen&#x017F;chirm in die Hand geben?<lb/>
Kann man mit halb nackten Soldaten Krieg führen?<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en Sie nun, warum wir keinen Krieg führen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0350] Der Kammerherr, der ſich ſchon zu beſinnen anfing, ob nicht am Ende die Arme der Polizei denen des Raſenden vorzuziehen wären, ſtammelte etwas von ſeinem gränzenloſen Reſpect vor Seiner Majeſtät. „Das iſt mir ſehr lieb zu hören, ſagte Bovillard, vielleicht wiſſen Sie auch, warum Seine Majeſtät jetzt ſo betrübt ſind.“ „Wenn Seine Majeſtät in die Herzen ihrer Un¬ terthanen blicken könnten, würden ſie gewiß keinen Grund finden,“ antwortete der Kammerherr, in der Angſt des ſeinen, die Hand auf die Bruſt drückend, Bovillard war um einen Kopf größer als der Kammerherr. Mit unterkreuzten Armen und halb geſenktem Kopf ſchien er mit den funkelnden Augen, die durch die Nacht glänzten, in ſein Herz bohren zu wollen: „Es iſt manches faul im Lande Preußen und mancher, der auf der Stirn das Schild eines ehrlichen Mannes trägt, ich ſage es Ihnen im Ver¬ trauen, iſt ein Schurke. Im Lagerhauſe in der Klo¬ ſterſtraße wird das Soldatentuch gewebt. Schön und dicht ſieht es aus und blau, wenn der Appreturbügel darüber fuhr, aber die Witterung verträgt es nicht. Und ehe er drei Monden es auf dem Leibe trug ſchrumpft es im Regen zuſammen, daß der Aermel dem Soldaten am Ellenbogen ſitzt. Kann man jedem Soldaten einen Regenſchirm in die Hand geben? Kann man mit halb nackten Soldaten Krieg führen? Wiſſen Sie nun, warum wir keinen Krieg führen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/350
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/350>, abgerufen am 18.05.2024.