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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Er drückte in verbindlicher Weise ihre Finger
an die Lippen und führte sie auf das Canape.

Ob die Finger besonders spitz waren, kann ich
für jetzt nicht sagen, denn sie waren in Tricothand¬
schuhen versteckt, und während die eine Hand an den
Lippen des Geheimraths ruhte, umfaßte die andere
den Fächer, um das Spiel zu beginnen, was bei
einer Conversation auf dem Canape nothwendig ist.

Aber das ganze Gesicht war, was man spitz
nennt. Vielleicht hätte man auch die kleine Gestalt
der Dame so nennen mögen, indeß war ein Etwas
darin, entweder nenne ich es Anmuth oder Elasti¬
cität, was diesen Eindruck verwischte. Alabasterarbeit
hätte ein Dichter oder Künstler gesagt, der erst der
Hauch des Gedankens oder Gefühls Farbe und Be¬
wegung giebt. Weder jung noch alt, weder schön,
noch eigentlich hübsch, konnten doch ihre dunkeln kleinen
beweglichen Augen, wenn sie aus den blonden Augen¬
braunen besondere Blicke schossen, anziehen. Es war
schwer zu sagen, wovon diese Blicke sprachen, ob von
Verstand, Gefühl, Sinnlichkeit, ob sie stachen, suchten,
lockten, ob sie aus einer beglückten, oder zerrissenen
Brust kamen. Sie konnten einen sehr verschiedenen
Glanz annehmen, nur nicht den der ursprünglichen
Wahrheit, jenen Glanz, der auf den ersten Blick ein¬
nimmt und überzeugt. Man sah in diesen Augen,
daß sich die Gedanken und Gefühle erst sammeln mußten,
um ihren Blicken den Ausdruck zu geben, den sie
wollte. Es war überhaupt etwas Besonderes in der

Er drückte in verbindlicher Weiſe ihre Finger
an die Lippen und führte ſie auf das Canapé.

Ob die Finger beſonders ſpitz waren, kann ich
für jetzt nicht ſagen, denn ſie waren in Tricothand¬
ſchuhen verſteckt, und während die eine Hand an den
Lippen des Geheimraths ruhte, umfaßte die andere
den Fächer, um das Spiel zu beginnen, was bei
einer Converſation auf dem Canapé nothwendig iſt.

Aber das ganze Geſicht war, was man ſpitz
nennt. Vielleicht hätte man auch die kleine Geſtalt
der Dame ſo nennen mögen, indeß war ein Etwas
darin, entweder nenne ich es Anmuth oder Elaſti¬
cität, was dieſen Eindruck verwiſchte. Alabaſterarbeit
hätte ein Dichter oder Künſtler geſagt, der erſt der
Hauch des Gedankens oder Gefühls Farbe und Be¬
wegung giebt. Weder jung noch alt, weder ſchön,
noch eigentlich hübſch, konnten doch ihre dunkeln kleinen
beweglichen Augen, wenn ſie aus den blonden Augen¬
braunen beſondere Blicke ſchoſſen, anziehen. Es war
ſchwer zu ſagen, wovon dieſe Blicke ſprachen, ob von
Verſtand, Gefühl, Sinnlichkeit, ob ſie ſtachen, ſuchten,
lockten, ob ſie aus einer beglückten, oder zerriſſenen
Bruſt kamen. Sie konnten einen ſehr verſchiedenen
Glanz annehmen, nur nicht den der urſprünglichen
Wahrheit, jenen Glanz, der auf den erſten Blick ein¬
nimmt und überzeugt. Man ſah in dieſen Augen,
daß ſich die Gedanken und Gefühle erſt ſammeln mußten,
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[16/0030] Er drückte in verbindlicher Weiſe ihre Finger an die Lippen und führte ſie auf das Canapé. Ob die Finger beſonders ſpitz waren, kann ich für jetzt nicht ſagen, denn ſie waren in Tricothand¬ ſchuhen verſteckt, und während die eine Hand an den Lippen des Geheimraths ruhte, umfaßte die andere den Fächer, um das Spiel zu beginnen, was bei einer Converſation auf dem Canapé nothwendig iſt. Aber das ganze Geſicht war, was man ſpitz nennt. Vielleicht hätte man auch die kleine Geſtalt der Dame ſo nennen mögen, indeß war ein Etwas darin, entweder nenne ich es Anmuth oder Elaſti¬ cität, was dieſen Eindruck verwiſchte. Alabaſterarbeit hätte ein Dichter oder Künſtler geſagt, der erſt der Hauch des Gedankens oder Gefühls Farbe und Be¬ wegung giebt. Weder jung noch alt, weder ſchön, noch eigentlich hübſch, konnten doch ihre dunkeln kleinen beweglichen Augen, wenn ſie aus den blonden Augen¬ braunen beſondere Blicke ſchoſſen, anziehen. Es war ſchwer zu ſagen, wovon dieſe Blicke ſprachen, ob von Verſtand, Gefühl, Sinnlichkeit, ob ſie ſtachen, ſuchten, lockten, ob ſie aus einer beglückten, oder zerriſſenen Bruſt kamen. Sie konnten einen ſehr verſchiedenen Glanz annehmen, nur nicht den der urſprünglichen Wahrheit, jenen Glanz, der auf den erſten Blick ein¬ nimmt und überzeugt. Man ſah in dieſen Augen, daß ſich die Gedanken und Gefühle erſt ſammeln mußten, um ihren Blicken den Ausdruck zu geben, den ſie wollte. Es war überhaupt etwas Beſonderes in der

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/30>, abgerufen am 24.11.2024.