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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

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Sie kam. Und ehe das Wort: "Du wirst doch
nicht?" von ihren Lippen war, mußte die arme Frau
hören, was sie doch nicht von einem Manne, der auf
Reputation hält, für möglich gehalten. Er mußte
entweder sehr bös, oder bei sehr guter Laune sein.

"Ach Du meine Güte! rief die Obristin. Liebe
Frau Kriegsräthin, mein Mann war auch nicht im¬
mer Obrist. Und ich habe auch nicht immer den Mantel
von Sammet getragen. Ein Korb am Arm, auch ein gro¬
ßer Korb, ist keine Schande; wenn man sich nur nicht mit
jedem abgiebt, der gelaufen kommt, da kann man auch
im blauen Kattunspencer ein honetter Mensch sein.
Es ist schon recht, daß man auf Distinction hält, und
ich halte gewiß darauf, davon können Ihnen meine
Niecen was erzählen; aber pfui, wenn man darum
einen Menschen nicht ästimiren wollte, wenn er nicht
mit Vieren fährt! Ich könnte Ihnen von Prinzen
erzählen, haben den Stall voll Kutschenpferde, und
gehen zu Fuß aus, im Surtout bis über die Ohren
zugeknöpft, und wenn sie anklopfen, man hört das
gleich raus. So treten sie in die Hütten der Ar¬
muth, und wie mancher, der hungert, wird von ihnen
satt. Strecke jeder sich nach seiner Decke, das ist
meine Maxime. Wer seine Nebenmenschen nicht achtet,
den achte ich auch nicht. Meine liebe Frau Kriegs¬
räthin, was ist aller Glanz dieser Erde! Eitelkeit
sagt der Herr Prediger, und wer solide handelt, der
kommt am besten noch fort in diesem irdischen Jam¬
merthal. Und wenn ich nur Platz hätte in meinem

Sie kam. Und ehe das Wort: „Du wirſt doch
nicht?“ von ihren Lippen war, mußte die arme Frau
hören, was ſie doch nicht von einem Manne, der auf
Reputation hält, für möglich gehalten. Er mußte
entweder ſehr bös, oder bei ſehr guter Laune ſein.

„Ach Du meine Güte! rief die Obriſtin. Liebe
Frau Kriegsräthin, mein Mann war auch nicht im¬
mer Obriſt. Und ich habe auch nicht immer den Mantel
von Sammet getragen. Ein Korb am Arm, auch ein gro¬
ßer Korb, iſt keine Schande; wenn man ſich nur nicht mit
jedem abgiebt, der gelaufen kommt, da kann man auch
im blauen Kattunſpencer ein honetter Menſch ſein.
Es iſt ſchon recht, daß man auf Diſtinction hält, und
ich halte gewiß darauf, davon können Ihnen meine
Niecen was erzählen; aber pfui, wenn man darum
einen Menſchen nicht äſtimiren wollte, wenn er nicht
mit Vieren fährt! Ich könnte Ihnen von Prinzen
erzählen, haben den Stall voll Kutſchenpferde, und
gehen zu Fuß aus, im Surtout bis über die Ohren
zugeknöpft, und wenn ſie anklopfen, man hört das
gleich raus. So treten ſie in die Hütten der Ar¬
muth, und wie mancher, der hungert, wird von ihnen
ſatt. Strecke jeder ſich nach ſeiner Decke, das iſt
meine Maxime. Wer ſeine Nebenmenſchen nicht achtet,
den achte ich auch nicht. Meine liebe Frau Kriegs¬
räthin, was iſt aller Glanz dieſer Erde! Eitelkeit
ſagt der Herr Prediger, und wer ſolide handelt, der
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[185/0199] Sie kam. Und ehe das Wort: „Du wirſt doch nicht?“ von ihren Lippen war, mußte die arme Frau hören, was ſie doch nicht von einem Manne, der auf Reputation hält, für möglich gehalten. Er mußte entweder ſehr bös, oder bei ſehr guter Laune ſein. „Ach Du meine Güte! rief die Obriſtin. Liebe Frau Kriegsräthin, mein Mann war auch nicht im¬ mer Obriſt. Und ich habe auch nicht immer den Mantel von Sammet getragen. Ein Korb am Arm, auch ein gro¬ ßer Korb, iſt keine Schande; wenn man ſich nur nicht mit jedem abgiebt, der gelaufen kommt, da kann man auch im blauen Kattunſpencer ein honetter Menſch ſein. Es iſt ſchon recht, daß man auf Diſtinction hält, und ich halte gewiß darauf, davon können Ihnen meine Niecen was erzählen; aber pfui, wenn man darum einen Menſchen nicht äſtimiren wollte, wenn er nicht mit Vieren fährt! Ich könnte Ihnen von Prinzen erzählen, haben den Stall voll Kutſchenpferde, und gehen zu Fuß aus, im Surtout bis über die Ohren zugeknöpft, und wenn ſie anklopfen, man hört das gleich raus. So treten ſie in die Hütten der Ar¬ muth, und wie mancher, der hungert, wird von ihnen ſatt. Strecke jeder ſich nach ſeiner Decke, das iſt meine Maxime. Wer ſeine Nebenmenſchen nicht achtet, den achte ich auch nicht. Meine liebe Frau Kriegs¬ räthin, was iſt aller Glanz dieſer Erde! Eitelkeit ſagt der Herr Prediger, und wer ſolide handelt, der kommt am beſten noch fort in dieſem irdiſchen Jam¬ merthal. Und wenn ich nur Platz hätte in meinem

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/199>, abgerufen am 24.11.2024.