Der dritte August fing in Berlin an ein Feier¬ tag zu werden. Die Bürger freuten sich, daß sie einen guten König hatten. Sie hatten lange keinen guten König gehabt; denn der alte Fritz war wohl ein großer König, aber er war ein Fürst gewesen, den eine tiefe Kluft des Respects von seinem Volk trennte. Es verehrte, es bewunderte ihn, aber den Bürger schauerte, wenn er dachte, daß er mit ihm auf einer Diele, unter einem Dache stehen sollte. Der Müller von Sanssouci war ein einzelner Mann. Und zuletzt war der alte Fritz sehr alt geworden und grämlich, und seine Kaffeeriecher drangen in die Häuser und die Hütten. Wenn er durch die Linden ritt auf seinem alten Schimmel liefen ihm die Kin¬ der nach und schrieen und waren glücklich, wenn sie die Sohle seines Stiefels, den Saum seines Rockes anfassen konnten, auch leuchtete sein Auge noch immer groß und durchdringend, und die Bürger erstarrten in Ehrfurcht vor dem großen Könige, aber Liebe hat
I. 8*
Neuntes Kapitel. Der dritte Auguſt.
Der dritte Auguſt fing in Berlin an ein Feier¬ tag zu werden. Die Bürger freuten ſich, daß ſie einen guten König hatten. Sie hatten lange keinen guten König gehabt; denn der alte Fritz war wohl ein großer König, aber er war ein Fürſt geweſen, den eine tiefe Kluft des Reſpects von ſeinem Volk trennte. Es verehrte, es bewunderte ihn, aber den Bürger ſchauerte, wenn er dachte, daß er mit ihm auf einer Diele, unter einem Dache ſtehen ſollte. Der Müller von Sansſouci war ein einzelner Mann. Und zuletzt war der alte Fritz ſehr alt geworden und grämlich, und ſeine Kaffeeriecher drangen in die Häuſer und die Hütten. Wenn er durch die Linden ritt auf ſeinem alten Schimmel liefen ihm die Kin¬ der nach und ſchrieen und waren glücklich, wenn ſie die Sohle ſeines Stiefels, den Saum ſeines Rockes anfaſſen konnten, auch leuchtete ſein Auge noch immer groß und durchdringend, und die Bürger erſtarrten in Ehrfurcht vor dem großen Könige, aber Liebe hat
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[[115]/0129]
Neuntes Kapitel.
Der dritte Auguſt.
Der dritte Auguſt fing in Berlin an ein Feier¬
tag zu werden. Die Bürger freuten ſich, daß ſie
einen guten König hatten. Sie hatten lange keinen
guten König gehabt; denn der alte Fritz war wohl
ein großer König, aber er war ein Fürſt geweſen,
den eine tiefe Kluft des Reſpects von ſeinem Volk
trennte. Es verehrte, es bewunderte ihn, aber den
Bürger ſchauerte, wenn er dachte, daß er mit ihm
auf einer Diele, unter einem Dache ſtehen ſollte. Der
Müller von Sansſouci war ein einzelner Mann. Und
zuletzt war der alte Fritz ſehr alt geworden und
grämlich, und ſeine Kaffeeriecher drangen in die
Häuſer und die Hütten. Wenn er durch die Linden
ritt auf ſeinem alten Schimmel liefen ihm die Kin¬
der nach und ſchrieen und waren glücklich, wenn ſie
die Sohle ſeines Stiefels, den Saum ſeines Rockes
anfaſſen konnten, auch leuchtete ſein Auge noch immer
groß und durchdringend, und die Bürger erſtarrten
in Ehrfurcht vor dem großen Könige, aber Liebe hat
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. [115]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/129>, abgerufen am 25.11.2024.
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