Discourse in unsern Wachtstuben, die freien Unter¬ haltungen unsrer Garde du Corps liegen aufgezeichnet in seinen Akten. Soll ihm das Vertrauen und Hoff¬ nung auf uns einflößen?"
Der Rath war ernsthaft geworden: "Das ist schlimm. Man sagt, seine Spione kosten ihm viel. Preußen soll ihm überhaupt viel kosten, und das ist noch schlimmer."
"Ich sage Ihnen, jene Phantasten und Gelehr¬ ten sind Bagatell; diese sogenannte Kriegspartei aber wird uns ruiniren. Sie bohrt und drängt und stürmt, bis ein Mal der Widerstand der wahren Staats¬ männer zu schwach wird, und das gute Herz des Königs nachgiebt."
"Und wir ständen allein," fiel der Rath ein.
"Prenez garde, mon cher, das auszusprechen. Man muß diesen Fanatikern gegenüber vorsichtig sein. Es freut mich, daß Sie den Wahn nicht theilen, als wären wir allein stark genug, gegen den Strom zu schwimmen. Doch besser, daß man dies für sich be¬ hält. Um so mehr, als, denken Sie, auch Napoleon zweifelt. Wie hübsch er das auffaßt. "Ich bin ja nicht so thörigt, sagte er zu Lombard, um nicht zu wissen, daß wenn Preußen bei Valmy, Pirmasens, wenn es am Rhein ernstlich gewollt hätte, Frankreich nicht mein Frankreich, und ich nicht ich wäre." Das ist nun allerdings zu viel Artigkeit, indessen ersehen Sie daraus, wie hoch er auch unsre Armee schätzt. Ich weiß, sagte er, Ihres Königs Herz schlägt für Menschen¬
Discourſe in unſern Wachtſtuben, die freien Unter¬ haltungen unſrer Garde du Corps liegen aufgezeichnet in ſeinen Akten. Soll ihm das Vertrauen und Hoff¬ nung auf uns einflößen?“
Der Rath war ernſthaft geworden: „Das iſt ſchlimm. Man ſagt, ſeine Spione koſten ihm viel. Preußen ſoll ihm überhaupt viel koſten, und das iſt noch ſchlimmer.“
„Ich ſage Ihnen, jene Phantaſten und Gelehr¬ ten ſind Bagatell; dieſe ſogenannte Kriegspartei aber wird uns ruiniren. Sie bohrt und drängt und ſtürmt, bis ein Mal der Widerſtand der wahren Staats¬ männer zu ſchwach wird, und das gute Herz des Königs nachgiebt.“
„Und wir ſtänden allein,“ fiel der Rath ein.
„Prenez garde, mon cher, das auszuſprechen. Man muß dieſen Fanatikern gegenüber vorſichtig ſein. Es freut mich, daß Sie den Wahn nicht theilen, als wären wir allein ſtark genug, gegen den Strom zu ſchwimmen. Doch beſſer, daß man dies für ſich be¬ hält. Um ſo mehr, als, denken Sie, auch Napoleon zweifelt. Wie hübſch er das auffaßt. „Ich bin ja nicht ſo thörigt, ſagte er zu Lombard, um nicht zu wiſſen, daß wenn Preußen bei Valmy, Pirmaſens, wenn es am Rhein ernſtlich gewollt hätte, Frankreich nicht mein Frankreich, und ich nicht ich wäre.“ Das iſt nun allerdings zu viel Artigkeit, indeſſen erſehen Sie daraus, wie hoch er auch unſre Armee ſchätzt. Ich weiß, ſagte er, Ihres Königs Herz ſchlägt für Menſchen¬
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Discourſe in unſern Wachtſtuben, die freien Unter¬
haltungen unſrer Garde du Corps liegen aufgezeichnet
in ſeinen Akten. Soll ihm das Vertrauen und Hoff¬
nung auf uns einflößen?“
Der Rath war ernſthaft geworden: „Das iſt
ſchlimm. Man ſagt, ſeine Spione koſten ihm viel.
Preußen ſoll ihm überhaupt viel koſten, und das iſt
noch ſchlimmer.“
„Ich ſage Ihnen, jene Phantaſten und Gelehr¬
ten ſind Bagatell; dieſe ſogenannte Kriegspartei aber
wird uns ruiniren. Sie bohrt und drängt und ſtürmt,
bis ein Mal der Widerſtand der wahren Staats¬
männer zu ſchwach wird, und das gute Herz des
Königs nachgiebt.“
„Und wir ſtänden allein,“ fiel der Rath ein.
„Prenez garde, mon cher, das auszuſprechen.
Man muß dieſen Fanatikern gegenüber vorſichtig ſein.
Es freut mich, daß Sie den Wahn nicht theilen, als
wären wir allein ſtark genug, gegen den Strom zu
ſchwimmen. Doch beſſer, daß man dies für ſich be¬
hält. Um ſo mehr, als, denken Sie, auch Napoleon
zweifelt. Wie hübſch er das auffaßt. „Ich bin ja
nicht ſo thörigt, ſagte er zu Lombard, um nicht zu
wiſſen, daß wenn Preußen bei Valmy, Pirmaſens,
wenn es am Rhein ernſtlich gewollt hätte, Frankreich
nicht mein Frankreich, und ich nicht ich wäre.“ Das
iſt nun allerdings zu viel Artigkeit, indeſſen erſehen
Sie daraus, wie hoch er auch unſre Armee ſchätzt. Ich
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/109>, abgerufen am 23.11.2024.
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